Deutsche Rentenversicherung

Bronchialkarzinom

Sozialmedizinische Beurteilung
Stand: 02.05.2023

Grundlagen der sozialmedizinischen Beurteilung

Hierzu zählen:

  • Diagnosen
  • Beschreibung der Funktionsstörungen und daraus resultierende Beeinträchtigungen der Aktivitäten
  • Verbindung von Querschnitts- und Längsschnittverlauf
  • Ausschöpfung therapeutischer Optionen
  • Krankheitsbewältigung
  • Beschwerdenvalidierung
  • Verbindung von Funktionsstörung, Beeinträchtigung von Aktivitäten mit dem Arbeits- und Sozialleben
  • Kriterien zur sozialmedizinischen Prognosebeurteilung

Nähere Informationen zu den o. g. Punkten erhalten Sie auf der Seite "Leitfaden für die Erstellung eines sozialmedizinischen Gutachtens".

 
  

Medizinische Rehabilitation

  • Nach dem Grundsatz "Reha vor Rente" sollte aus gutachterlicher Sicht zu der Frage Stellung genommen werden, ob Leistungen zur medizinischen Rehabilitation geeignet sind, eine ggf. festgestellte Gefährdung der Erwerbsfähigkeit abzuwenden
  • Wenn eine Gefährdung der Erwerbsfähigkeit nach gutachterlicher Einschätzung noch nicht besteht, soll im Sinne "Prävention vor Rehabilitation" auch dazu Stellung genommen werden, ob Präventionsleistungen der Rentenversicherung oder der gesetzlichen Krankenversicherung angezeigt sind.
  • Aufgrund der speziellen gesetzlichen Regelung (s. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation bei onkologischen Erkrankungen: Gesetzliche Grundlagen) bietet die DRV auch onkologische Rehabilitationen für Altersrentner*innen an: Dabei stehen - auch durch häufige altersbedingte Multimorbidität - Aspekte wie die Steigerung der körperlichen Mobilität mit Erhalt der Alltagsautonomie im Mittelpunkt der Rehabilitation..
  • Bei allen Betroffenen mit thoraxchirurgischen Eingriffen, nach systemischer Chemotherapie und/oder primärer bzw. sekundärer Bestrahlung besteht grundsätzlich ein erheblicher Rehabilitationsbedarf:
  • Angriffspunkte der rehabilitativen Therapie sind die Verbesserung oder Aufhebung der funktionellen Beschwerden und Beeinträchtigungen im Bereich der kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit, der Atemfunktion, der Beweglichkeit der oberen Extremitäten und des Brustkorbes sowie etwaiger therapiebedingter Schmerzen.
  • Zusätzlich können Ernährungsberatung und Verhaltenshinweise bezüglich der zukünftigen Lebensführung zur Vermeidung nachfolgender Komplikationen beitragen.
  • Besondere Beachtung muss Komorbiditäten zuteilwerden, da diese beim Lungenkarzinom sehr häufig sind und durch die Behandlung mit beeinträchtigt werden können.
  • Ebenso spielt die psychoonkologische Betreuung mit der Entwicklung von Bewältigungsstrategien eine zentrale Rolle in der rehabilitativen Therapie.
  • Unter www.rehainfo-aerzte.de erhalten Sie weiterführende Informationen.

 
  

Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben

  • Bei der Mehrzahl der Patient*innen mit frühen Krankheitsstadien ist nach Abschluss der kurativen Behandlung die Rückkehr in die bisherige berufliche Tätigkeit anzustreben, sofern nicht krankheits- bzw. therabiebedingt Funktionsstörungen und Einschränkungen der Leistungsfähigkeit resultieren (wie unter Beurteilung des qualitativen Leistungsvermögens beschrieben), die mit den Anforderungen im Bezugsberuf (in den meisten Fällen die letzte berufliche Tätigkeit) nicht zu vereinbaren sind. In diesen Fällen kommen LTA-Maßnahmen in Betracht:
    • Besonderes Augenmerk sollte hierbei auf Einschränkungen der kardiopulmonalen Belastbarkeit, Einschränkungen durch eine periphere Polyneuropathie und durch Bewegungseinschränkungen der oberen Extremitäten und des Brustkorbes gerichtet werden.
    • Ebenso sind andauernde psychomentale Einschränkungen zu berücksichtigen.
  • Voraussetzung für LTA ist, dass eine ausreichende Belastbarkeit, d. h. ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (quantitatives Leistungsvermögen) von mindestens 3 Stunden, vorliegt.
  • Ein ausführliches Rahmenkonzept zu Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben von der DRV liegt vor.

 
 

Leistungsvermögen

Konkrete Beschreibung der Auswirkung der Beeinträchtigung der Aktivitäten auf das Leistungsvermögen:

  • Zuletzt ausgeübte Tätigkeit
  • Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
  • Beruf

Desweiteren zählen dazu:

  • Qualitatives Leistungsvermögen
  • Quantitatives Leistungsvermögen
  • Voraussichtliche Dauer der Leistungseinschränkung

Nähere Informationen zu den o. g. Punkten erhalten Sie auf der Seite "Leitfaden für die Erstellung eines sozialmedizinischen Gutachtens". Krankheitsspezifische relevante Punkte listen wir Ihnen nachfolgend auf.

Qualitatives Leistungsvermögen

Operative Einflussfaktoren

  • Bei Keilresektionen von solitären Metastasen und parenchymsparenden Manschettenresektion existieren meist keine höhergradigen respiratorischen Funktionsstörungen.
  • Nach Pneumektomie und teilweise auch nach Lobektomie kann es zu erheblichen Einschränkungen der Lungenfunktion kommen. Die meisten Einschränkungen treten in der Regel in den ersten drei Monaten nach der operativen Therapie auf und bilden sich (teilweise) innerhalb des ersten Jahres wieder zurück.
  • Bei thoraxchirurgischen Eingriffen können langanhaltende Schmerzsymptomatiken auftreten, die durch die postoperativen Veränderungen an Parenchym, Pleurablättern und der Muskulatur entstehen. Eine abschließende Beurteilung sollte frühestens ein Jahr nach dem Eingriff erfolgen.
    • Die Beeinträchtigungen bezüglich der Arbeitshaltung sind weitgehend von einer etwaigen Schmerzsymptomatik und von Bewegungseinschränkungen der oberen Extremitäten und des Brustkorbes abhängig, so sind z. B. hockende Tätigkeiten und Überkopfarbeiten häufig nicht möglich, Zwangshaltungen sollten vermieden werden.
    • Relevante ungünstige Arbeitsbedingungen sind andauernde Kälte, Nässe und stärkere Temperaturschwankungen.
    • Inhalative Belastungen (z. B. Staub, Rauch, Dämpfe, Gase) sowie das Tragen von umfangreicher Schutzausrüstung sollten generell vermieden werden.
    • Eventuelle Einschränkungen im Bereich des Sprach- und Sprechvermögens können Tätigkeiten mit langem Sprechen oder Telefonieren nur eingeschränkt möglich machen.

 

Strahlentherapeutische Einflussfaktoren

  • Zeitpunkt des Auftretens der Funktionsstörungen und Schweregrad sind abhängig von der Gesamtdosis, dem Volumen des Bestrahlungsfeldes, der Fraktionierung und zeitgleich gegebener Chemotherapie.
  • Assoziierte Nebenwirkungen umfassen: Ösophagitis/Pharyngitis, Fatigue, Übelkeit, Kardiomyopathie, Perikarderguss, Myelopathie, Strahlenpneumonitis (2-6 Monate nach Abschluss der Bestrahlung, symptomatisch bei ca. 5-15% der Patienten: Trockener Reizhusten, Schwäche, respiratorische Störungen bis hin zur Dyspnoe), Lungenfibrose (6 - 24 Monate nach Abschluss der Bestrahlung: Respiratorische Störungen bis hin zur Dyspnoe, geringe körperliche Belastbarkeit, chronischer Husten, erhöhte Atemfrequenz, Kraftlosigkeit).
    • Therapeutisch bedingt können Einschränkungen im Bereich des Sprach- und Sprechvermögen entstehen, die Tätigkeiten mit langem Sprechen oder Telefonieren nur eingeschränkt möglich machen.

 

Chemotherapeutische Einflussfaktoren

  • Zytostatika-induzierte Polyneuropathie
  • Andere langfristig persistierende chemotherapeutische Nebenwirkungen mit sozialmedizinischer Relevanz (z. B. Kardiotoxizität) sind selten und bedürfen der Einzelfallbeurteilung mit ggf. weitergehender fachspezifischer Begutachtung.

 

Einflussfaktoren durch Antikörper-/Immuntherapie

  • Immuntherapien werden aktuell primär in fortgeschrittenen Erkrankungsstadien eingesetzt, d. h. die sozialmedizinische Beurteilung möglicher qualitativer Einschränkungen des Leistungsvermögens wird meist durch eine vorliegende dauerhafte quantitative Leistungsminderung überlagert.
  • Da immuntherapeutische Ansätze jedoch zunehmend auch in potenziell kurative Therapiepläne (z. B. NSCLC Stadium IIIA) integriert werden, ist von einer stetig wachsenden sozialmedizinischen Relevanz dieser speziellen Behandlungsform auszugehen. Es ist daher bedeutsam, das Nebenwirkungsprofil und den Umfang der Reversibilität auftretender Nebenwirkungen der aktuellen fallbezogenen Immuntherapie im Kontext des weiteren Behandlungsplans und der Prognose in die Leistungsbeurteilung zu integrieren.
  • Eine Übersicht zu Immuntherapiebedingten Nebenwirkungen findet sich unter: Patientenleitlinie: Was sind Immuntherapie bedingte Nebenwirkungen (www.esmo.org/)?

 

Psychomentale Einflussfaktoren

Quantitatives Leistungsvermögen

  • Um die mittel- und langfristigen Funktionseinbußen erfassen zu können, sollte bei frühen Tumorstadien die sozialmedizinische Beurteilung des Leistungsvermögens in einem ausreichenden Abstand zur Primärbehandlung erfolgen.
  • Definitive bzw. langfristige sozialmedizinische Beurteilungen unter aktuell andauernden potenziell kurativen Behandlungsmodalitäten sollten vermieden werden.
  • Sofern ein fortgeschrittenes Tumorstadium (NSCLC: Stadium IIIB/C, IV; SCLC: ED) bzw. ein Rezidiv/Progress nach Primärtherapie vorliegt, kann zumeist eine sozialmedizinische Beurteilung bereits vor Abschluss der laufenden Therapie vorgenommen werden.
    • Bei diesen fortgeschrittenen Erkrankungsstadien mit primär alleinig palliativen Therapieoptionen ist von einem aufgehobenen Leistungsvermögen (LV) auszugehen.
  • Bei Patienten und Patientinnen mit frühen Krankheitsstadien ist nach Abschluss der kurativen Behandlung die kardiopulmonale Belastbarkeit zentrales Entscheidungskriterium, fachspezifische pulmologische/kardiologische (Funktions-)Befundberichte sollten idealerweise vorliegen bzw. angefordert werden.
    • Ein (temporär) aufgehobenes quantitatives LV trotz kurativem Therapiesetting kann bei schwerer Dyspnoe schon bei geringster Belastung und/oder bei Indikation zur Langzeit-Sauerstofftherapie gegeben sein.
    • Ggf. kann - auch durch behandlungsbedingte Nebenwirkungen/Funktionseinschränkungen - temporär eine Einschränkung des LV auf zumindest 3 bis unter 6 Stunden vorliegen. Eine zeitliche Begrenzung (z. B. auf ein bis höchstens zwei Jahre) zur Verlaufsprüfung erscheint jedoch zwingend, da zunächst von einer relevanten Besserung im weiteren Verlauf auszugehen ist.
  • Psychomentale Einschränkungen können auch im kurativen Therapiesetting zu temporären Einschränkungen des LV auf zumindest 3 bis unter 6 Stunden führen. Allerdings sollte - neben der obligatorischen Beschwerdenvalidierung - überprüft werden, inwieweit bisher eine fachspezifische Diagnostik sowie die Einleitung fachspezifischer Therapieoptionen (z. B. ambulante Psychotherapie, psychopharmakologische Medikation, psychosomatische Rehabilitation) erfolgt ist, da unter adäquater Behandlung eine relevante Befundbesserung im auch kurz-/mittelfristigen Verlauf erwartbar ist.
  • Einschränkungen des quantitativen LV durch Schwächezustände im Rahmen einer tumorbedingten Kachexie können in Einzelfällen auch im kurativen Therapiesetting anzutreffen sein, meist liegt aber bereits ein fortgeschrittenes Tumorstadium mit einem aufgehobenen LV vor.
  • Im Rahmen der Konsistenzprüfung kann ein Abgleich der geschilderten Beschwerdesymptomatik mit dem dokumentierten Karnofsky-Index/ECOG Status in aktuellen (onkologischen) Befund- und Entlassberichten hilfreich sein.

Weiterführende Themen