Störungsspezifische Beschreibung
Die folgende Kurzübersicht basiert primär auf den umfassenden und als weiterführende Literatur empfohlenen "Onkopedia-Leitlinien" der beteiligten Fachgesellschaften DGHO, OeGHO, SSMO und AIO (www.onkopedia.com). Ergänzende Aspekte stammen aus dem detaillierten "Leitlinienprogramm Onkologie" der AWMF, DKG und DKH (www.leitlinienprogramm-onkologie.de).
Epidemiologie (bezogen auf Deutschland)
- Das Lungenkarzinom ist bei Männern der zweithäufigste und bei Frauen der dritthäufigste maligne Tumor.
- Das mediane Erkrankungsalter liegt bei circa 70 Jahren.
- Jährlich werden derzeit ungefähr 36.000 Neuerkrankungsfälle bei Männern und 21.000 Neuerkrankungsfälle bei Frauen in Deutschland diagnostiziert.
- Basierend auf der Histologie werden zwei Hauptgruppen unterschieden: Kleinzelliges Lungenkarzinom = "small cell lung cancer, SCLC" (ca. 15 %) und nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom = "non-small cell lung cancer, NSCLC" (ca. 85 %).
Pathogenese / Risikofaktoren
- Lungenkarzinome entstehen in einem komplexen, stufenförmigen Prozess durch die Akkumulation veränderter Moleküle und die Deregulation von Signalübertragungswegen auf der Basis genetischer Aberrationen.
- Das Risiko, an einem Lungenkarzinom zu erkranken, wird durch folgende Faktoren erhöht:
- erworben, exogen
- Rauchen, auch Passivrauchen
- ionisierende Strahlen (hohe Umwelt-Radonbelastung, medizinische Strahlenexposition)
- Feinstaub
- Dieselmotorabgase
- Asbest
- Quarzstäube
- chronische Infektionen (Narbenkarzinom)
- genetisch, endogen
- Personen mit einer positiven Lungenkrebs-Anamnese bei einem oder mehreren Verwandten ersten Grades haben ein erhöhtes Erkrankungsrisiko
- erworben, exogen
- Insgesamt ist Rauchen, insbesondere in aktiver Form aber auch als Passivrauchen, bei weitem der wichtigste Risikofaktor. Dazu gehören alle Formen des inhalativen Tabakkonsums, einschl. Wasserpfeifen (Shisha).
Klinisches Bild / Anamnese
- Im frühen Stadium ist das Lungenkarzinom meist asymptomatisch, Symptome wie Schmerzen sind oft Ausdruck fortgeschrittener Stadien.
- Lokal tumorbedingte Symptome umfassen: Husten, Dyspnoe, Thoraxschmerzen, blutig tingiertes Sputum beim Husten (Hämoptysen), obere Einflussstauung (Vena-cava-superior-Syndrom), Dysphagie, Stridor, Heiserkeit (Stimmbandparese bei Infiltration des N. recurrens), Armschwäche (Infiltration des Plexus brachialis), Horner Syndrom (Infiltration des Ganglion stellatum)
- Metastasenbedingte Symptome umfassen: Knochenschmerzen, Schwindel, Kopfschmerzen, neurologische Ausfälle, Verwirrtheit, Krampfanfälle; Lymphknotenschwellungen (supraklavikulär), Ikterus
- Allgemeinsymptome umfassen Gewichtsverlust, Schwäche, Fieber und Nachtschweiß.
- Paraneoplastische Syndrome (autoimmun (z.B. Kollagenosen), endokrin, hämatologisch einschl. Gerinnungsstörungen, kutan (z. B. Dermatomyositis), metabolisch (z. B. SIADH (Schwartz-Bartter-Syndrom) mit Hyponatriämie), neurologisch (z. B. Lambert-Eaton Syndrom, Anti-Hu-Syndrom), ossär (z. B. hypertrophe Osteoarthropathie (Pierre-Marie-Bamberger Syndrom), renal) treten häufiger beim SCLC im Vergleich zum NSCLC
- Anamnestisch ist speziell die Abfrage der o. g. Risikofaktoren relevant.
Anbei finden Sie einen Link zu einem Muster für die Anamneseerhebung. Die dort gelisteten Punkte geben Hinweise auf eine vollständige Anamnese, müssen aber nicht bei jedem Krankheitsbild einzeln aufgeführt werden.
Diagnostische Maßnahme
- Screening asymptomatischer Risikopersonen mittels einer Niedrigdosis-Computertomographie (CT) kann Lungenkarzinome in frühen Stadien erkennen und die Mortalität bei Rauchern und in noch größerem Ausmaß bei Raucherinnen senken.
- Diagnostische Maßnahmen bei neu aufgetretenen Symptomen umfassen Laboruntersuchungen (Blutbild, Elektrolyte, Nierenparameter, Leberparameter, LDH, Gerinnung), ein CT Thorax/Oberbauch (alternativ MRT) mit Kontrastmittel sowie ggf. eine Bronchoskopie mit Biopsie bzw. eine transthorakale Biopsie.
- Die - unter Einbeziehung der klinischen Symptome - gezielte Ausbreitungsdiagnostik (Staging) kann u. a. ein FDG-PET-CT, ein MRT/CT Schädel, eine Knochenszintigrafie und ein CT Abdomen beinhalten.
Klassifikation
- Bisher primär histologisch in SCLC und NSCLC (s. o.) unterteilt, wird das Lungenkarzinom heute zunehmend auch in zahlreiche, biologisch unterschiedliche Entitäten mit eigenen Behandlungskonzepten eingeteilt.
- Die anatomische Klassifikation basiert auf den krankheitsspezifischen TNM-Kriterien, die in der UICC-Klassifikation in Stadien zusammengefasst werden (SCLC: Onkopedia - anatomische Klassifikation; NSCLC: Onkopedia - anatomische Klassifikation)
- Beim SCLC werden speziell die therapierelevanten Stadien "very limited disease, VLD" (T1-2, N0-1), "limited disease, LD" (T3-4 und/oder N2-3) und "extensive disease, ED" (M1) unterschieden.
- Insbesondere beim NSCLC sollten bei allen Patient*innen im Stadium IV molekularbiologisch therapierelevante Mutationen (u. a. ALK, RET und ROS1 Translokationen, BRAF-V600 Mutationen, EGFR Exon 18-21 Mutationen) untersucht werden, zudem wird bei allen Patienten und Patientinnen ab Stadium III der PD-L1 Expressionsstatus zwecks weiterer Therapieplanung immunhistochemisch evaluiert.
Therapie / Prognose
- Die Therapieplanung ist komplex und erfolgt adaptiert gemäß insbesondere Ausbreitungsstadium, Rezidivstatus, dem molekularen Subtyp und unter Berücksichtigung des Allgemeinzustandes, der lungenfunktionellen Reserve sowie eventueller Komorbiditäten.
- Die fortlaufende Neuentwicklung antitumoröser Substanzen im Rahmen klinischer Therapiestudien und die stetig wachsende Zahl relevanter Forschungsergebnisse hinsichtlich distinkter molekularbiologischer Subtypen führen zu einer dynamischen Therapiestruktur mit häufigen Aktualisierungen, die individuelle Therapieplanung erfolgt deshalb in der Regel durch spezialisierte Tumorboards.
- Beim SCLC stehen in den frühen Stadien (VDL, LD) initial operative Maßnahmen und die Strahlen-/Chemotherapie im Mittelpunkt der potenziell kurativen Behandlung. Im fortgeschrittenen Stadium (ED) steht die palliative Chemotherapie im Mittelpunkt. Eine detaillierte Übersicht der derzeitigen SCLC-Therapiekonzepte findet sich unter Onkopedia - Therapie
- Beim NSCLC stehen in den frühen Stadien (I, II) operative Maßnahmen und die Strahlen-/Chemotherapie im Mittelpunkt der Behandlung mit kurativer Zielsetzung. Das Stadium III stellt sich heterogen dar, grundsätzlich ist aber auch hier bei der Mehrzahl der Patienten und Patientinnen zunächst von einer potenziell kurativen multimodalen Therapieplanung auszugehen. Im Stadium IV ist der Therapieansatz primär palliativ, bei einigen Patienten und Patientinnen mit solitären Metastasen ist eventuell eine potenziell kurative multimodale Behandlung möglich. Eine detaillierte Übersicht der derzeitigen NSCLC-Therapiekonzepte findet sich unter Onkopedia - Therapie
- Beim NSCLC liegen die 5-Jahres-Überlebensraten in den frühen Stadien postoperativ bei bis zu 89 % (IA), 75% (IB), 52 % (IIA), und 33 % (IIB).
- Beim SCLC liegt die 5-Jahres-Überlebensrate im LD-Stadium bei circa 10 - 20 %.
- Hinsichtlich der Gesamtgruppe der metastasierten Lungenkarzinome liegt das mediane Gesamtüberleben trotz Chemo-/Strahlentherapie nur bei 10 bis 12 Monaten, der Erhalt bzw. Verbesserung der Lebensqualität ist somit in dieser Gruppe ein wesentliches palliativmedizinisches Interventionsziel.