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Störungsspezifische Beschreibung des Krankheitsbildes

Die rheumatoide Arthritis (RA), auch chronische Polyarthritis (cP) ist eine systemische, chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung des Bindegewebes unklarer Ätiologie und teilerforschter Pathogenese mit sehr variablem, meist schubförmigem Verlauf.

 

Pathophysiologie

Es kommt zu einer Initiation der Immunantwort durch bestimmte Triggermechanismen bei Vorliegen einer genetischen Prädisposition, welche eine entzündliche Infiltration der Synovialis auslöst. Im Rahmen dieser kommt es zur Interaktion von Lymphozyten und Monozyten mit Produktion inflammatorischer Zytokine und konsekutiver Komplementaktivierung, Freisetzung inflammatorischer Mediatoren sowie von Kollagenasen und Elastasen. Die dadurch ausgelöste Pannusbildung (Hyperplasie der Synovialis, die aus Granulationsgewebe und Entzündungszellen durchsetzt ist) mit Überwucherung des Knorpels führt zur Knorpelzerstörung und Destruktion gelenknaher Knochenstrukturen.

Im Vordergrund steht die Synovialitis mit konsekutiver Polyarthritis sowie extraartikulären Manifestationen an inneren Organen, Augen und Gefäßen. Bei der polyätiologischen Entstehung der rheumatoiden Arthritis spielen genetische, autoimmunologische und infektiöse Faktoren eine entscheidende Rolle.

 

Ätiologie

Neben höherem Alter und weiblichem Geschlecht sind genetische Faktoren (HLA-DR1, HLA-DR4), Rauchen und Übergewicht mit einem höheren Erkrankungsrisiko für eine RA verbunden. Auch bestimmte bakterielle oder virale  Infektionen (z.B. Porphyromonas gingivali oder EBV und Parvovirus B19) können das Erkrankungsrisiko erhöhen.

 

Prävalenz

Die rheumatoide Arthritis hat eine weltweite Prävalenz von ungefähr 0,5 bis 1,0 %. Nach der aktivierten Arthrose ist sie die häufigste inflammatorische Gelenkerkrankung. Die Inzidenz variiert zwischen 12 und 1.200 Fällen pro 100.000 Personen pro Jahr, abhängig vom Geschlecht und von der ethnischen Herkunft. Frauen sind etwa dreimal so häufig betroffen wie Männer. Der Manifestationsgipfel liegt ungefähr zwischen dem 45. und 65. Lebensjahr.

Familiäre Häufungen sind zu beobachten.

 

Definition

  • Seropositive rheumatoide Arthritis mit Nachweis von Rheumafaktor und/oder Anti-CCP-Antikörper
  • Seronegative rheumatoide Arthritis ohne Nachweis von Rheumafaktor und Anti-CCP-Antikörper
  • LORA (Late Onset rheumatoid Arthritis) mit Erstmanifestation im Alter > 60 Jahren und initial häufigerem Befall großer Gelenke mit oft aggressiv höherem Verlauf als bei früherer Manifestation
  • ERA (Early rheumatoid Arthritis) mit diagnostizierter RA innerhalb von 6 Monaten nach Symptombeginn
  • VERA (Very early rheumatoid Arthritis) mit diagnostizierter RA innerhalb von 3 Monaten nach Symptombeginn

 

ERA und VERA ermöglichen einen frühen Therapiebeginn bei frühzeitiger Diagnosestellung mit dann oft verbesserter Krankheitsprognose.

 

Verlaufsformen

Sie kann chronisch progredient verlaufen und innerhalb von Monaten fast alle Gelenke befallen oder nach jahrelang stabilem Niveau mit Beschränkung auf wenige Gelenke dann plötzlich akut exazerbieren.

Bei 10-30 % der Patienten verläuft die Erkrankung mild und stabil, bei 70 % nimmt die Erkrankung ohne die Behandlung mit krankheitsmodifizierenden Medikamenten einen chronisch progredienten Verlauf.

 

Anamnese

Störungsspezifische Anamnese

  • Typische Symptomkonstellation mit Schmerzen, Schwellungen und Steifheit der betroffenen Gelenke - mit
    • Morgensteifigkeit (Dauer bei manifester RA mindestens 60 Minuten)
    • Gelenkschmerzen und -schwellungen: Anzahl der betroffenen Gelenke, Schmerzverlauf und Schmerzdauer
    • Schmerzen und Bewegungseinschränkungen an der Wirbelsäule
    • Grippeähnlichen Allgemeinsymptomen wie u.a. Müdigkeit, Fieber, Gewichtsabnahme über drei bis sechs Monate
  • Symptome durch Manifestation an anderen Organen wie Lunge, Haut, Augen (siehe unter Diagnostische Maßnahmen > extraartikuläre Manifestationen)
  • Hilfsmittelversorgung (z. B. Orthesen, Alltagshilfen):
    • Sind Hilfsmittel generell bedarfsgerecht vorhanden und werden diese auch eingesetzt? Wenn nein, warum nicht?
    • Sind weitere Verordnungen notwendig?

Somatische und psychische Anamnese

  • Erfragung weiterer aktueller körperlicher oder psychischer Erkrankungen
  • Wechselwirkung zwischen psychischer Störung und somatischen Erkrankungen

Schmerzanamnese

  • Ausprägung, Art und Lokalisation des Schmerzes:
    • artikulär, extraartikulär, ossär, ubiquitär
    • somatisch, neuropathisch
    • Intensitätseinschätzung auf einer Analogskala
  • Abhängigkeit von Tageszeiten: Morgensteifigkeit, nächtliche Schmerzen
  • Beeinflussbarkeit durch: Ruhe, Bewegung, Belastung und Medikamente, physikalische Maßnahmen
  • Schmerzbeginn: donnernd oder schleichend, mono-, oligo- oder polyartikulär
  • Schmerzverlauf: durchgehend, chronisch rezidivierend, schubweise mit spontanen oder therapieinduzierten Remissionen
  • Nutzung von Therapieoptionen hinsichtlich artikulären und extraartikulären Manifestationen:
    • Medikamentöse Behandlungen, insbesondere Analgetika-Anamnese (s. Aufzählungspunkt "Beeinflussbarkeit" sowie Entität: Chronische Schmerzen)
    • Nicht medikamentöse Behandlungsoptionen

 

Diagnostische Maßnahmen

Klinischer Untersuchungsbefund

Allgemeiner körperlicher Untersuchungsbefund, u. a. auch

  • Größe / Gewicht
  • Blutdruck / Puls
  • Orientierende Prüfung von Hör- und Sehvermögen
  • Beschreibung der Bewegungsabläufe

 

Ausgangspunkt der Diagnostik ist eine breit angelegte internistische Untersuchung, an die sich ein rheumatologischer Status mit Fokus auf Gelenkschwellungen, Funktionsbeeinträchtigung, Druckempfindlichkeit anschließt, s. hierzu auch Entität: Obere Extremitäten, Entität: Untere Extremitäten, Entität: Rückenschmerzen, Erkrankungen Bei polyartikulärer Erkrankung können bestimmte nichtartikuläre Befunde (z. B. Fieber, Hautausschlag oder Abgeschlagenheit) auf ein systemisches Geschehen hinweisen. Bei einer Gelenkschwellung unklarer Genese ist immer eine Ganzkörperuntersuchung indiziert.

Fachspezifischer Untersuchungsbefund

Grundlage ist die sorgfältige rheumatologische Befunderhebung mit Inspektion und Palpation des betroffenen Gelenks im Seitenvergleich (oder dem des Untersuchers) sowie Messung des aktiven und passiven Bewegungsausmaßes.

 

Inspektion

  • Gelenkdeformierungen mit -rötungen, -schwellung und -überwärmungen
  • Wirbelsäulenfehlhaltungen oder-formen
  • Schwellungen von Bursen und Ganglien (z. B. Barker-Zyste)
    • Es gibt reine Sehnen- (scheiden)-Verläufe der RA
  • Schwellungen der Sehnen und/oder Sehnenscheiden (verstrichenes Berg- und-Tal-Relief z. B. der Metakarpophalangealgelenke)
  • Rheumaknoten (20-25 %): noduläre Entzündungsherde (Granulome), die immunologisch bedingt in verschiedenen Geweben auftreten können (subkutan, auch pulmonal in Pleuranähe) als derbe, verschiebliche und nicht druckschmerzhafte Knoten an Stellen mit mechanischer Belastung (z.B. Ellenbogen-Streckseite), das Auftreten von Rheumaknoten spricht generell für einen schwereren Krankheitsverlauf
  • Verschwielungen der Hände und Füße
  • Hautbeteiligung, Hautabrieb (DD: Psoriasis?)
  • Augenbeteiligung (z.B.: Iritis, Uveitis, Episkleritis)
  • Kardiale / pulmonale Beteiligung: Blässe, Zyanose, Einsatz der Atemhilfsmuskulatur

 

Körperliche Untersuchung

  • Palpation der Gelenke
    • Druckschmerz, Überwärmung und Schwellung
      • Druckschmerz im Gelenk oder periartikulär (Sehnenansätze, Bursen)
    • Hinweise auf Gelenkergüsse oder synoviale Proliferationen
    • Osteophyten

 

  • Beweglichkeit
    • Aktive Beweglichkeit (maximaler Bewegungsumfang)
      • Einschränkung bei Schwäche, Schmerz oder Steifigkeit, aber auch mechanische Hindernisse
      • Erfragen der Händigkeit, Prüfung und Beschreibung der Feinmotorik beider Hände: Kraft- und Präzisionsgriffe (Fingerkuppen-Hohlhand-Abstand, Faustschluss und Knopftest)
    • Gangbild, Treppensteigen
    • Kiefergelenkbeteiligung bei Temporomandibulararthritis (prodromale Bedeutung!) mit Schmerzen und/oder verkleinerter Mundöffnung
    • Arthrose des Krikoarytenoidgelenks mit Heiserkeit und Stridor

    • Passive Beweglichkeit (maximaler Bewegungsumfang bei Durchbewegen des Gelenkes durch den Untersucher)
      • Einschränkung bei mechanischen Hindernissen (z. B. durch Narbenbildung, Schwellung, Deformierung) und Schmerzen
      • Begleitende periphere Kompressionssyndrome (z. B. Karpaltunnelsyndrome):
        • Phalensches Zeichen: Bereits im Anfangsstadium eines Karpaltunnelsyndroms kommt es bei längerdauernder endgradiger Handflexion zu Dysästhesien im Versorgungsbereich des Nervus medianus.
        • Hoffmann-Tinel-Zeichen: Es verweist auf demyelinisierende und remyelinisierende Prozesse von peripheren Nerven, ausgelöst durch Beklopfen der volaren (innengelegenen) Seite des Handgelenks untersucht. Bei einer Druckschädigung des Nervus medianus im Karpaltunnel wird es positiv: Der Untersuchte verspürt ein unangenehmes, elektrisierendes Gefühl im distalen sensiblen Versorgungsgebiet des Medianus, also in Daumen, Zeige- und Mittelfinger.
        • Flaschen-Zeichen: Beim Ausfall der Musculi abductor pollicis brevis und opponens pollicis kommt es zu einem unvollständigen Umgreifen von zylindrischen Objekten.
      • Diagnostischer Querhändedruck (an Händen und Füßen):
        • Gaenslen-Zeichen: Wie bei einem normalen Händedruck werden dabei die Hand oder der Vorfuß im Bereich der Grundgelenke quer zusammengedrückt, diese Kompression löst bei Menschen mit rheumatoider Arthritis starke Schmerzen in den Grundgelenken (Metacarpo- (MCP-) oder Metatarsophalangelalgelenke (MTP-)) aus.
      • Fixierte Deformitäten im Fingerbereich (insbesondere Beugekontrakturen, "rheumatische Hand"):
        • Ulnardeviation: Strecksehnen gleiten über die MCP-Gelenke nach ulnar ab
        • Schwanenhals-Deformität: Extension am betroffenen proximalen Interphalangeal- (PIP-) Gelenk bei Flexion in den distalen Interphalangeal- (DIP-) Gelenken
        • Knopfloch-Deformität: Flexion am betroffenen PIP- bei Hyperextension in den DIP-Gelenken
      • An den Füßen können ebenfalls Deformitäten auftreten, dazu gehören:
        • Hallux valgus
        • Hammerzehen
        • Krallenzehen
      • Rheumatoide Arthritis der Wirbelsäule betrifft in der Regel die Halswirbelsäule
        (25-80 %), dabei ist das Ausmaß der HWS-Beteiligung abhängig von der Aktivität der rheumatoiden Arthritis, unter modernem Therapieregime allerdings heutzutage insgesamt selten und findet sich bei langjährigem und aktivem Krankheitsverlauf: Steifheit, radikuläre Schmerzen oder Symptome einer Myelopathie (Hyperreflexie und okzipitale Kopfschmerzen)
      • Arthropathien kleinerer Gelenke (z. B. akromioklavikular, tibiofibular, radioulnar, sternoclavicular) projizieren oft schmerzhaft auf benachbarte größere Gelenkstrukturen
      • Die aktive und passive Bewegung eines entzündeten Gelenks kann sehr schmerzhaft sein

 

Hauptsächlich sind folgende Gelenke betroffen:

  • Diagnostisch und funktionell spielen die Hände bei Menschen mit einer rheumatoiden Arthritis eine besondere Rolle:
    • Typisch ist der distal-symmetrische Befall beider Handgelenke (HG) und der MCP-Gelenke des Mittel- und Zeigefingers (am häufigsten betroffen)
    • sehr häufig erkranken - ebenfalls distal symmetrisch - die PIP-Gelenke
  • Initial sind auch oft die MTP- und proximalen Intertarsalgelenke betroffen
  • In absteigender Häufigkeit erkranken ebenso Knie-, Ellenbogen-, Sprung- und Hüftgelenke, selten betroffen sind die Temporomandibulargelenke

 

Grundsätzlich kann jedes Gelenk betroffen sein mit Ausnahme der Daumensattelgelenke (Carpometacarpalgelenke; CMC 1), der Großzehengrundgelenke (MTP 1) sowie der Finger- und Zehenendgelenke (DIP-).

Extraartikuläre und viszerale Manifestationen

  • Subkutane oder pulmonale Rheumaknoten (20-25%) sind kein Frühbefund, entstehen an Prädilektionsstellen bei Druck oder chronischer Reizung (Unterarmstreckseiten, Fußsohlen, MP-Gelenke) oder als viszerale Knötchen (z.B. pulmonal) und sind in der Regel asymptomatisch (ätiologische Klärung nur bioptisch möglich), aber mit einem schwereren Krankheitsverlauf assoziiert

  • Vaskuläre Ätiologie
    • Digitale Nekrosen, Ulcera der unteren Extremität, Vaskulitis der Vasa nervorum mit Polyneuropathie oder multiplen Mononeuropathien (Mononeuritis multiplex
    • Lunge (50%): interstitielle Lungenerkrankung (20 %), Lungenfibrose (5%), kleine Atemwege: follikuläre Bronchiolitis, Bronchiolitis obliterans, große Atemwege: Bronchiektasien
    • Herz (30%):granulomatöse Myokarditis, Klappenveränderungen
    • Pleuritis, Myokarditis, Perikarditis mit Pleura- oder Perikardergüssen
    • Sekundäre renale Amyloidose (5-8%)
    • Auge: Keratokonjunktivitis sicca, Episkleritis, Skleromalazie (Schwere Form einer schmerzlosen nekrotisierenden Skleritis ohne Entzündungszeichen, mit über Jahre langsam fortschreitender umschriebener Skleraverdünnung bzw. -einschmelzung und blau durchscheinender Uvea bei älteren Patienten mit rheumatoider Arthritis)
    • Sjögren-Syndrom

  • Nicht vaskulärer Ätiologie
    • Periphere Nervenkompressionssyndrome (Karpaltunnelsyndrom, Tarsaltunnelsyndrom) (45%)
    • zervikale Myelopathie (20%)

Komorbiditäten

Die Krankheitsprognose wird wesentlich durch die Komorbiditäten bestimmt. Diese treten koinzident auf, als Manifestationen der Erkrankung oder infolge von Therapiekomplikationen und Erkrankungen in der Vorgeschichte. Für die Folgeerkrankung gilt, dass das Risiko für deren Auftreten an die Erkrankungsschwere und an die Kontrolle der Krankheitsaktivität gekoppelt ist.

 

Folgende Häufigkeit finden sich bei Patienten mit etablierter RA:

  • Arterielle Hypertonie (36 %)
  • degenerative Gelenkerkrankungen (23 %)
  • degenerative Wirbelsäulenerkrankungen (18 %)
  • Osteoporose (18 %)
  • Schilddrüsenerkrankungen (13 %)
  • Herzerkrankungen (12 %)
  • Diabetes mellitus (11 %)
  • Fettstoffwechselstörung (10 %) ("Cholesterin- / Lipid-Paradox": Cholesterinwerte sind bei den Betroffenen mit RA in Phasen hoher Krankheitsaktivität (z.B. während eines akuten Krankheitsschubs) oft eher niedrig bei paradoxerweise ansteigendem kardiovaskulärem Risiko; als Ursache wird vermutet, dass proinflammatorische Zytokine wie TNF-Alpha und Interleukin-6 den LDL-Rezeptor auf der Leberzelloberfläche hochregulieren und damit den Abbau der Lipoproteine beschleunigen)
  • Atemwegs- sowie Lungenerkrankung jeweils 10 %
  • Gastointestinale Beteilung:
    • Gastritis- oder Ulkusanamnese (9 %)
  • Lebererkrankungen: Leberenzymerhöhung, Steatosis hepatis, Leberzirrhose (7 %)
  • Nierenbeteiligung: selten Glomerulonephritis (7 %)
  • Malignome (6 %)
  • Depressionen (6 %)

 

Kardiovaskuläre Erkrankungen sind die häufigste Todesursache bei einer RA, die kardiovaskuläre Komorbidität ist um das 1,5- bis 2-fache erhöht, das Risiko einer Herzinsuffizienz bei RA verdoppelt. Durch den Krankheitsprozess selbst bedingt ist die Zunahme interstitieller Lungenerkrankungen als zweithäufigste Todesursache bei Patienten mit RA.

 

Tabelle: Anamnese und klinische Untersuchung von Patienten mit entzündlichen Gelenksymptomen
AnamneseKörperliche Untersuchung
  • Schmerz
    • (Wo?, Was?, Wann? Seit wann?)
  • Gelenkschwellung (ohne sonstige Ursache wie z. B. Trauma, Gicht)
    • Differenzierung: Schwellung (RA verdächtig) oder knöcherne Auftreibung/Deformierung?
    • polyartikuläres, symmetrisches Verteilungsmuster in den Prädilektionsregionen (HG, MCP, PIP, MTP)
  • Gelenksteife
    • insbes. Morgensteife 60 Min
  • Bewegungseinschränkung (nicht durch andere Ursachen bedingt)
  • Allgemeines Krankheitsgefühl
    • bis hin zu subfebrilen Temperaturen
  • extraartikuläre Manifestationen
    • z. B. Hautveränderungen (z. B. Psoriasis), Augenentzündung (z. B. Skleritis, Vaskulitis, Rheumaknoten)
Quelle: Interdisziplinäre Leitlinie Management der frühen rheumatoiden Arthritis, 4. überarbeitete und erweiterte Auflage, https://dgrh.de/dam/jcr:4eeb1cfe-85ec-4d40-822c-b5755d628fce/Leitlinienbericht_S3LL-eRA.pdf, letzter Aufruf: 16.06.2025.

Typische Erstmanifestationen können sein:

  • Monoarthritis des Knie-, Hand-, Schulter- oder des Sprunggelenks
  • Polymyalgia rheumatica-ähnliches Erscheinungsbild mit Beteiligung des Schulter- und Hüftgürtels (vorwiegend ältere Patienten)
  • Palindromischer Rheumatismus: Wiederkehrende Anfälle von Gelenk- und Sehnenscheidenschmerzen mit Schwellungen
  • Gelenkschwellung (noch) ohne chronische Gelenkschäden
  • Manifeste rheumatoide Arthritis mit proliferativer Synovitis, bei minimaler Schmerzhaftigkeit

Apparative Diagnostik

 
 

Labor

  • In der Frühphase bieten entzündlich-rheumatische Erkrankungen kein eindeutig diagnosespezifisches Laborprofil. Patienten mit einer aktiven RA weisen meist unspezifische serologische Entzündungszeichen [Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG), C-reaktives Protein (CRP)] auf, die dann auch gut die Krankheitsaktivität widerspiegeln.
    • Eine gesteigerte sog. Akut-Phase-Reaktion (meist erfasst durch ein erhöhtes CRP) korreliert dabei auch mit einem progressiv destruierenden Verlauf der Erkrankung. Beim Fehlen solcher unspezifischer Entzündungszeichen ist eine RA eher unwahrscheinlich, aber gerade zu Erkrankungsbeginn auch nicht ausgeschlossen.
  • Zu den spezifische zählen Antikörper gegen (cyclische) citrullinierte Peptide (CCP-AK) und IgM-Rheumafaktoren (RF):
    • IgM-Rheumafaktoren (RF) finden sich bei ca. 65-80 % der RA-Patienten, aber auch bei anderen rheumatischen Erkrankungen und in bis zu 5 % auch bei Gesunden, der Nachweis von RF ist also nur hinweisend, nicht jedoch beweisend für das Vorliegen einer RA
    • CCP-AK sind für die Diagnose der RA vergleichbar sensitiv wie der RF, sie sind aber mit über 95 % deutlich spezifischer als der (IgM-) Rheumafaktor und weisen auf einen schwereren, insbesondere erosiv-destruierenden Verlauf hin. Bei Rauchern kann der CCP-AK-Status falsch positiv sein.

      Antikörper gegen citrullinierte Peptide/Proteine (CCP-AK) fassen Antikörper gegen cyclisches Citrullin (CCP), mutiertes (MCV) und nicht mutiertes citrulliniertes (Sa) Vimentin sowie gegen citrulliniertes Fibrinogen zusammen.

      Eine Änderung des CCP-AK-Status ist bei etablierter Erkrankung selten, eine Titer-Bestimmung eignet sich daher also nicht als Verlaufsparameter zur Aktivitätsbeurteilung der RA.

 

Die Bestimmung weiterer Auto-Ak (z. B. antinukleäre Antikörper, ANA) dient der Differentialdiagnose ähnlich verlaufender rheumatischer Erkrankungen (z. B. Kollagenosen), siehe Diagnostische Maßnahmen > Fachspezifischer Untersuchungsbefund.

 

Tabelle: Laboruntersuchungen
Blutsenkung (BSG)häufig erhöht bei (unbehandelter) RA, unspezifisch (auch bei Anämien, anderen entzündlichen Erkrankungen)
C-reaktives Protein (CRP)quantitativ genauer und schneller im Verlauf als die BSG, reflektiert besser die sog. Akut-Phase-Reaktion (Krankheitsaktivität), genauso unspezifisch wie die BSG
Blutbildbei länger dauernder aktiver Erkrankung: Entzündungsanämie (normochrom oder hypochrom, normozytär), Thrombozytose
IgM-Rheumafaktor (RF)positiv bei 65-80 % der RA-Patienten; 55-85 % bei ERA. Spezifität ca. 80 %, da auch bei Kollagenosen, Virushepatitiden, Malignomen und (selten) auch bei Normalpersonen nachweisbar
Antikörper gegen citrullinierte Proteine/Peptide (ACPA)hochspezifisch für die RA (> 95 %) und dabei genauso sensitiv (64-86 %) wie der Rheumafaktor. Kann schon vor klinischer Manifestation einer RA positiv sein und ist bei Vorliegen einer frühen Arthritis hoch-prädiktiv für einen chronischen (RA) und prädiktiv für einen erosiven Verlauf.
Ausschluss einer Hämaturie, Proteinurie als Hinweis für andere Erkrankungen (z. B. Kollagenosen)
differentialdiagnostischer Hinweis für Kollagenosen (z. B. systemischer Lupus erythematodes, SLE), schwach positiv auch bei der RA oder Normalpersonen
differentialdiagnostischer Hinweis für Vaskulitiden (z. B. Granulomatose mit Polyangiitis)
differentialdiagnostischer Hinweis für Spondyloarthritiden
Abgrenzung zur polyartrikulären Gicht (selten) und infektiösen Arthritiden (meist einzelne, große Gelenke)
Richtungsweisende Laborbefunde für die RA sind: Erhöhte BSG, erhöhtes CRP, Nachweis von Rheumafaktoren und/oder Nachweis von Antikörpern gegen citrullinierte Peptide (ACPA/CCP-AK).
Quelle: Interdisziplinäre Leitlinie Management der frühen rheumatoiden Arthritis, 4. überarbeitete und erweiterte Auflage, https://dgrh.de/dam/jcr:4eeb1cfe-85ec-4d40-822c-b5755d628fce/Leitlinienbericht_S3LL-eRA.pdf, letzter Aufruf: 16.06.2025.

Weitere apparative Diagnostik

  • EMG/ENG bei begleitenden peripheren Kompressionssyndromen (Kapitaltunnelsyndrom, Ulnaris-Syndrom, etc.), siehe Diagnostische Maßnahmen > Fachspezifischer Untersuchungsbefund.
  • Bildgebende Verfahren:
    • Arthrosonographie als Goldstandard zur Befundung der Weichteile und Gelenke: Gelenk-, Bursaerguss oder Synovialitis
    • Konventionelles Röntgen: Hände in zwei Ebenen (dorsal, palmar), 25° Supination oder 45° Pronation (dorsovolare Aufnahme): typische radiologische Befunde, vor allem im Bereich der Hände: gelenknahe Entkalkungen oder Erosionen, subchondrale (bzw. gelenknahe) Osteoporose, Destruktionen des umliegenden Knochens, Ankylosen und Gelenkfehlstellungen (Knopflochdeformität, Schwanenhalsdeformität, Ulnardeviation)
    • Magnetresonanztomographie (MRT): Weichteilprozesse: Aktivität eines Pannusgewebes, frühe Knochenödeme, frühe Erosionen
    • Computertomographie (CT):
      • HR-CT: Verdacht auf interstitielle Lungenerkrankung als pulmonale Manifestation
      • knöcherne Veränderungen, insbes. obere HWS
    • Szintigraphie mit 99mTc-Phosphonat:
      • Weichteilszintigraphie (frühe Aufnahme): Verteilungsmuster der Entzündungsaktivität der verschiedenen Gelenke, insbes. bei Bursitiden, Baker-Zysten und im Bereich der Schulter- und Hüftgelenke
      • Skelettszintigraphie (späte Aufnahme): Differentialdiagnostik unklarer Arthralgien / Arthritiden

 

Tabelle: Bildgebung
RöntgenBei klinischem Verdacht auf eine RA dorsovolare Aufnahmen (ggf. Schrägaufnahmen) von beiden Händen und Füßen als Ausgangsbefund für die weitere Verlaufsbeurteilung.
Sonographie

Nachweis von Gelenkergüssen, synovialer Proliferation, Tenovaginitiden, Erosionen. Im Powerdoppler Nachweis einer vermehrten Vaskularisation der Synovialis.

In der Hand des erfahrenen Untersuchers vor allem aufgrund ihrer Verfügbarkeit und einfacheren Durchführbarkeit eine wichtige Ergänzung des klinischen Befundes.

MRTHochsensitive und hochauflösende Bildgebung zu Struktur und Funktion von Knochen, Gelenken, Sehnen und Muskeln.
Quelle: Interdisziplinäre Leitlinie Management der frühen rheumatoiden Arthritis, 4. überarbeitete und erweiterte Auflage, https://dgrh.de/dam/jcr:4eeb1cfe-85ec-4d40-822c-b5755d628fce/Leitlinienbericht_S3LL-eRA.pdf, letzter Aufruf: 16.06.2025.

Gelenkpunktion mit Synovialanalyse bei V.a. septische Arthritis und zum Ausschluss von Differenzialdiagnosen wie Kristallarthropathien: Typische Befunde: Gelblich-trübes, steriles Punktat durch Leukozytose (5.000–50.000 / μL) mit hohem Anteil von Granulozyten und Rhagozyten

 

Röntgenuntersuchungen sind nicht erforderlich, wenn

  • die klinischen Befunde die Einschränkungen ausreichend dokumentieren und es erlauben, eine entsprechende Funktionsdiagnose zu stellen,
  • aus den überlassenen medizinischen Unterlagen der Umfang der Funktionsdefizite bereits erkennbar ist,
  • die Beurteilung der Leistungsfähigkeit schon durch den klinischen Befund erfolgen kann oder
  • keinerlei Hinweise auf eine organbezogene Leistungseinschränkung bestehen.

 

Im Rahmen der Diagnosestellung und auch zur Verlaufsbeurteilung sind die ACR / EULAR-Klassifikationskriterien (ACR - American College of Rheumatology / EULAR - European League Against Rheumatism) anzuwenden (Tabelle Klassifikationskriterien des ACR und der EULAR). Hierfür muss eine klinisch gesicherte Synovitis an mindestens einem Prädilektionsgelenk vorliegen ohne Hinweise auf eine andere Ursache der Synovitis (z. B. im Rahmen degenerativer Gelenkaffektionen).

 

Die Diagnose setzt sich vorrangig zusammen aus dem klinischen Erscheinungsbild, hinweisenden Laborwerten sowie dem Nachweis typischer radiologischer Veränderungen:

  • Symmetrischer Schwellung und Schmerzen der kleinen Gelenke von Händen und Füßen, dabei treten die Gelenkssymptome typischerweise seitengleich auf mit Druckschmerzhaftigkeit, Rötung, Schwellung, Überwärmung und Bewegungseinschränkungen der betroffenen Gelenke; typisch für die etablierte RA ist ein polytopes ( drei Gelenke) und symmetrisches Befallsmuster, die mit zunehmender Anzahl betroffener Gelenke immer wahrscheinlicher wird, siehe Diagnostische Maßnahmen > Fachspezifischer Untersuchungsbefund.
  • Typische Blutveränderungen unspezifische serologische Entzündungszeichen wie Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) und C-reaktives Protein (CRP), Antikörpern gegen citrullinierte Peptide/Proteine (CCP-AK), Rheumafaktor (RF-Antikörper), siehe Diagnostische Maßnahmen > Apparative Diagnostik > Labor.
  • Radiologisch nachweisbare Veränderungen der betroffenen Gelenke vor allem im Bereich der Hände: gelenknahe Entkalkungen, subchondrale (bzw. gelenknahe) Osteoporose, Destruktionen des umliegenden Knochens, Ankylosen und Gelenkfehlstellungen (Knopflochdeformität, Schwanenhalsdeformität, Ulnardeviation), siehe Diagnostische Maßnahmen > Apparative Diagnostik > weitere apparative Diagnostik.

 

Beurteilung der ACR / EULAR-Klassifikationskriterien

  • In Kategorie I wird die Anzahl der geschwollenen oder druckschmerzhaften Gelenke erfasst und in der Kategorie II die rheumaspezifischen Laborparameter RF und ACPA.: Treffen in den Kategorien jeweils mehrere Antworten zu, ist hier nur die Antwort mit dem höchsten Wert anzugeben.
  • In der Kategorie III sind die unspezifischen Entzündungsparameter Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) und C-reaktives Protein (CRP) angegeben, dabei wird jeweils der höchste Wert eingetragen.
  • In der IV. Kategorie wird die Symptomdauer erfasst. Besteht die Symptomatik schon länger als 6 Wochen, ist eine 1 anzugeben, anderenfalls eine 0.

 

Sind alle Angaben erfolgt, so wird die Summe aus dem jeweils höchsten Wert der Kategorien I bis IV gebildet. Eine Summe von 6 Punkten bedeutet, dass eine hinreichend gesicherte Diagnose einer rheumatoiden Arthritis vorliegt. Maximal können 10 Bewertungspunkte erreicht werden.

 

Tabelle: Klassifikationskriterien des American College of Rheumatology und der European League Against Rheumatism
(ACR/EULAR-Kriterien, 2010)
KriteriumPunkte
Syn­ovialitis (An­zahl betroffener Gelenke)
1 mit­tel­großes oder großes Gelenk0
2–10 mit­tel­große oder große Gelenke1
1–3 kleine Gelenke12
4–10 kleine Gelenke13
> 10 Gelenke, davon mindestens 1 kleines Gelenk15
Syn­ovialitis (Dauer)
 6 Wo­chen0
> 6 Wo­chen1
labor­chemischer Test auf Rheumafaktor und Anti-CCP-Antikör­per
negativ0
 1 Test positiv, Ti­ter < 3 UL2
 1 Test positiv, Ti­ter  3 UL3
Akute-Phase-Re­ak­ti­on
BSG und CRP norm­wertig0
BSG und CRP er­höht1
  • Ge­samt­punk­wert 6 spricht für das Vor­liegen ei­ner rheumatoi­den Ar­thritis.
  • 1un­ter Aus­schluss der Finger- und Zehe­n­end­gelenke, Groß­zehen­grund­gelenke und Dau­men­sattel­gelenke (ty­pische Lo­kali­sationen aktivierter Ar­throse)
Quelle: Psychrempel Online, https://www.pschyrembel.de/ACR-Kriterien/K01LQ, Aufruf: 06.05.2025.

Sonderformen der rheumatoiden Arthritis

  • Caplan-Syndrom: Mischbild aus RA und Pneumokoniose
  • Felty-Syndrom: schwere Form der RA mit Neutropenie und Splenomegalie
  • Juvenile idiopathische Arthritis mit Manifestation im Kindes- und Jugendalter

Differenzialdiagnostik

Viele Krankheiten können einer rheumatoiden Arthritis ähneln. Der Differentialdiagnose rheumatischer Erkrankungen mit ähnlichem Verlauf (z.B. Kollagenosen) dient die Bestimmung weiterer Auto-Ak (z. B. antinukleäre Antikörper, ANA).

Als wichtigste, da häufigste, Differentialdiagnosen gelten die reaktivierte Arthrose, die Psoriasis-Arthritis und die Gicht, darüber hinaus kommen in Frage:

  • Kalziumpyrophosphat-Arthritis
  • Systemischer Lupus erythematodes
  • Polyarteriitis nodosa, systemische Sklerose, Dermatomyositis oder Polymyositis
  • Überlappungssyndrom (Overlap-Syndrom) auf dem Gebiet der Rheumatologie: Mischkollagenose (Mixed Connective Tissue Disease), Antisynthetasesyndrom
  • Sarkoidose
  • Morbus Whipple
  • Spondyloarthritis / ankylosierende Spondylitis
  • Osteoarthritis

Krankheitsaktivität

Folgende Scores dienen der Beurteilung der Krankheitsaktivität bei rheumatoider Arthritis:

  • DAS 28 (Disease Activity Score 28): Der DAS 28 ist am weitesten verbreitet und dient auch der Verlaufsbeurteilung.
    • Anzahl der druckschmerzempfindlichen und geschwollenen Gelenke (ebenfalls 28 Referenzgelenke)
    • Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit
    • Beurteilung der Krankheitsaktivität durch den Patienten ein (0 bis 100 mm VAS [Visuelle Analog-Skala])
    • Der DAS28 wird dann nach einer Formel berechnet:
      • Werte zwischen 0 und 3,2 bedeutet eine fehlende bis geringe Krankheitsaktivität
      • Werte zwischen 3,2 und 5,1 für eine mittlere Krankheitsaktivität
      • Werte über 5,1 für eine hohe Krankheitsaktivität.
      • Therapeutisch angestrebt wird ein Wert zwischen 0 und 3,2

  • CDAI (Clinical Disease Activity Index): In den CDAI fließt die Anzahl der geschwollenen und druckschmerzhaften Gelenke ein
    • es werden je 28 Gelenke erfasst; max. 56 Punkte),
    • Gesamteinschätzung der Erkrankung durch Patient*in (max. 10 Punkte für sehr schlecht) plus
    • Gesamteinschätzung durch den Untersucher (max. 10 Punkte für sehr schlecht) ein. Eine Remission ist definiert als ein CDAI <2,8.

  • SDAI (Simple Disease Activity Index):
    • es werden 28 Gelenke erfasst
    • Beurteilung der Krankheitsaktivität durch Patient*in
    • Beurteilung der Krankheitsaktivität durch Arzt/Ärztin
    • Messung des C-reaktiven Proteins (CRP).
    • Er reicht von 0,1 bis 86,0 Punkten. Eine Remission liegt bei ≤3,3 Punkten vor

  • Boolsche Definition (Remission): Es werden vier Krankheitsaktivitätsvariablen hinzugezogen, die alle zutreffen müssen:
    • Anzahl geschwollener Gelenke ≤1,
    • Anzahl druckdolenter Gelenke ≤1,
    • CRP ≤1 mg/dl
    • Einschätzung der Krankheitsaktivität durch den Patienten ≤1 (auf einer Skala von 0 bis 10)

 
 

Therapie

Grundsätzliches Therapieregime

  • Behandelt wird physiotherapeutisch, pharmakologisch und in schweren Fällen operativ.
  • Ein früher Therapiebeginn verbessert die Prognose deutlich.
  • Derzeit existieren keine zuverlässigen Biomarker als Entscheidungshilfe in der alltäglichen Praxis für Therapieentscheidungen. Diese sollten daher unter der Berücksichtigung von vorangegangenen Therapien, Krankheitsaktivität, Funktionsstatus, dem Vorliegen von Gelenkserosionen, sozialen Aspekten Sicherheitsaspekten (privat wie beruflich), Komorbiditäten und des individuellen Patientenwillens getroffen werden.
  • Mit Hilfe der aktuell gültigen ACR-/EULAR- Klassifikationskriterien gelingt eine frühzeitigere Detektion und die zuverlässige Umsetzung des Treat-to-Targets (T2T) - Konzepts zur Erlangung einer Remission.
  • Alle Patienten sollten von Beginn an bedarfsgerecht, in Form einer koordinierten, multidisziplinären Behandlung versorgt werden.
  • Die Krankheitsaktivität soll regelmäßig mithilfe eines Kompositscores (z.B. DAS 28, SDAI oder CDAI) erfasst und dokumentiert werden (s. Diagnostische Maßnahme > Krankheitsaktivität) Ergänzend können zur Beurteilung der Krankheitsaktivität bildmorphologische Verfahren (z. B. Sonografie) eingesetzt werden.
  • Zur Beurteilung des Langzeit-Outcomes eignen sich die regelmäßige Erfassung des Funktionsstatus und die radiologische Progression.
  • Moderne Therapiestrategien mit krankheitsmodifizierenden Medikamenten (Disease modyfying antirheumatic drugs, DMARDs) haben die therapeutische Beeinflussbarkeit der RA in neuerer Zeit stark verändert. Dieser Fortschritt zeigt sich in einer geringeren radiologischen Progression, aber auch in einer verbesserten Funktionsfähigkeit der Betroffenen.

Medikamentöse Behandlung

 

Antirheumatika - DMARDs

Unter DMARDs wird eine Gruppe von Medikamenten zusammengefasst, die krankheitsmodifizierende und antiinflammatorische Eigenschaften besitzen. Sie sollen anders als eine symptomatische Therapie (wie z.B. mit Antiphlogistika (NSAR)) einer Gelenkzerstörung vorbeugen bzw. diese verzögern und somit die Gelenkfunktion möglichst lange erhalten. Die klinisch erkennbare Wirksamkeit nahezu aller zur Verfügung stehender Substanzen tritt dabei verzögert ein (4 - 16 Wochen).

Zur Gruppe der DMARDs gehören (s. weiter unten aufgeführte Tabelle):

  • csDMARDs: konventionelle synthetische DMARDs:
    • Methotrexat (MTX) ist die Standard-Basistherapie bei der rheumatoiden Arthritis
    • Leflunomid
    • Sulfasalazin
    • Hydroxychloroquin

  • tsDMARDs: zielgerichtete synthetische DMARDs:
    • JAK-Inhibitoren wie Tofacitinib oder Baricitinib, neuer: Upadacitinib,(Rinvoq), Filgotinib (Jyseleca)
       
  • bDMARDs: biologische DMARDs unterschieden in:
    • boDMARDs: Originalpräparate
    • bsDMARDs: Biosimilars
    • TNFα-Antagonisten wie Etanercept, Infliximab, Adalimumab, Golimumab
    • Certolizumab-Pegol (Fab-Fragment eines monoklonalen Antikörpers gegen TNFα)
    • Anti-IL6-Rezeptor-Antikörper: Tocilizumab oder Sarilumab
    • Anti-CD20-Antikörper: Rituximab
    • Anti-IL1-Rezeptor-Antagonisten: Anakinra
    • CTLA-4-IgG-Fusionsproteine: Abatacept

 

Die häufigsten unerwünschten Wirkungen sowie die Anforderungen an die Therapieüberwachung sind in den Therapieüberwachungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) zusammengefasst.

 

Tabelle: Disease Modifying Antirheumatic Drugs (DMARDs)

Wirkstoff

Klasse

Präparate/Handelsnamen

Abatacept

bDMARD

Orencia (boDMARD)

Adalimumab

bDMARD

Humira (boDMARD), Amgevita (bsDMARD), Hulio (bsDMARD), Hyrimoz (bsDMARD) Imraldi (bsDMARD)

Anakinra

bDMARD

Kineret, (boDMARD)

Certolizumab

bDMARD

Cimzia (boDMARD)

Etanercept (bDMARD)

bDMARD

Enbrel (boDMARD), Benepali (bsDMARD), Erelzi (bsDMARD)

Golimumab (bDMARD)

bDMARD

Simponi (boDMARD)

Infliximab (bDMARD)

bDMARD

Remicade (boDMARD), Flixabi (bsDMARD), Inflectra (bsDMARD), Remsima (bsDMARD)

Rituximab

bDMARD

Mabthera (boDMARD), Rixathon (bsDMARD), Truxima (bsDMARD)

Sarilumab (bDMARD)

bDMARD

Kevzara (boDMARD)

Tocilizumab

bDMARD

Ro-Actemra (boDMARD)

Azathioprin

csDMARD

Azafalk, Azaimun, Azamedac Aza-Q, Azathioprin, Colinsan, Imurek

Cyclosporin

csDMARD

Cicloral, Ciclosporin, Immunosporin, Sandimmun

Hydroxychloroquin Chloroquin (Antimalariamittel)

csDMARD

Quensyl

Resochin, Weimerquin

Leflunomid

csDMARD

Arava, Leflunomid

Methotrexat (MTX)

csDMARD

Lantarel, Metex, Methotrexat, MTX

Sulfasalazin

csDMARD

Azulfidine, Colo-Pleon, Pleon, Sulfasalazin

Baricitinib

tsDMARD

Olumiant

Tofacitinib

tsDMARD

Xeljanz

Quelle: Abgewandelte Tabelle aus Interdisziplinäre Leitlinie Management der frühen rheumatoiden Arthritis, 4. überarbeitete und erweiterte Auflage, https://dgrh.de/dam/jcr:4eeb1cfe-85ec-4d40-822c-b5755d628fce/Leitlinienbericht_S3LL-eRA.pdf, letzter Aufruf: 16.06.2025.

Therapieregime DMARDs

  • Sobald die Diagnose einer RA gestellt ist, sollte eine Therapie mit DMARD begonnen werden mit dem therapeutischen Ziel, eine Remission zu erreichen und zu erhalten!
    • Wenn dieses Ziel nach drei (spätestens sechs) Monaten nicht erreicht werden kann, sollte das Therapieregime entsprechend geändert werden
  • Methotrexat soll als erstes csDMARD in der Monotherapie eingesetzt werden
  • Bei Nicht-Erreichen des Therapieziels unter optimierter Standardtherapie soll die Therapie eskaliert werden.
    • Bei Fehlen von ungünstigen Prognosefaktoren und moderater Krankheitsaktivität kann eine Kombination mehrerer csDMARDs eingesetzt werden.
    • Bei hoher Krankheitsaktivität und/oder Vorliegen ungünstiger Prognosefaktoren soll die Kombination eines csDMARD (in der Regel MTX) mit einem bDMARD oder tsDMARD zum Einsatz kommen.
    • Bei Verfehlen des Therapieziels oder Unverträglichkeiten der ersten bDMARD- Therapie soll der Wechsel auf ein alternatives bDMARD oder auf ein tsDMARD erfolgen, ein nochmaliger Wechsel ohne Änderung des Wirkprinzip ist nicht sinnvoll.
    • Wird die Therapie nach csDMARDs mit einem tsDMARD begonnen, sollte bei Nichtansprechen auf ein bDMARD gewechselt werden.
  • Jede bDMARD- und ts-DMARD-Therapie soll möglichst mit MTX kombiniert werden.
  • Unter immunsuppressiver Therapie soll das erhöhte Infektionsrisiko der Patienten beachtet werden. Zur Behandlung eines Patienten mit RA gehört ein ausreichender Impfschutz gemäß aktuellen STIKO-Empfehlungen.
  • Bis zum Erreichen der Wirkung einer csDMARD-Therapie soll die Krankheitsaktivität mit einer Glukokortikoid-Therapie (Zieldosis initial möglichst 30 mg Prednisolon-Äquivalent/d) für drei bis sechs Monate unterdrückt werden.
    • Eine zusätzliche intraartikuläre Glukokortikoid-Gabe kann sinnvoll sein.
    • Bei begleitender Glukokortikoidtherapie sollten Maßnahmen zur Osteoporoseprophylaxe eingeleitet werden (siehe aktuelle DVO-Leitlinie, letzter Aufruf: 04.06.2025)
  • Wenn die Therapie deeskaliert werden soll, muss nach erfolgtem Ausschleichen der Glukokortikoidmedikation eine anhaltende Remission ("sustained remission") über mindestens 6 Monate bestehen.

 

Symptomatische analgetische Therapie

  • Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR)
    • NSAR werden begleitend symptomatisch aufgrund ihrer schmerzlindernden Wirkung eingesetzt. Die am häufigsten eingesetzten nicht-selektiven NSAR sind Diclofenac, Ibuprofen und Naproxen. Von den selektiven COX-2 (Cyclooxygenase-2)-Hemmern (Coxiben) sind gegenwärtig Celecoxib und Etoricoxib in Deutschland zugelassen.

 

Nicht-medikamentöse Interventionen in der multidisziplinären Behandlung

Für die Therapiesteuerung sind die Krankheitsaktivität, das Krankheitsstadium des Patienten, das Ausmaß der körperlichen Einschränkungen und die Prognose maßgeblich.

Physiotherapie

Unter dem Oberbegriff Physiotherapie findet sich also einerseits die Krankengymnastik (dem Physiotherapeuten vorbehalten, z.B. Manuelle Therapie, Bobath oder Vojta) als auch die Physikalische Therapie (den Physiotherapeuten und Masseuren gleichberechtigt vorbehalten, z.B. Massagen, Elektrotherapie, Hydrotherapie (Bäder) sowie Thermotherapie (Kälte-/Wärmeanwendungen)).

Die Physiotherapie als Einzeltherapie ist ein wesentlicher Bestandteil der Behandlung von Patienten mit RA mit folgenden Behandlungszielen:

  • Verbesserung der Beweglichkeit, der Durchblutung sowie des Stoffwechsels der Gelenke
  • Entspannung und Kräftigung der Muskulatur
  • Vorbeugung und Korrektur von Fehlstellungen
  • Schmerzlinderung
  • Funktionsverbesserung der Kraft, Beweglichkeit und Koordination

 

Die Tätigkeitsschwerpunkte der physikalischen Therapie in der Behandlung rheumatischer Erkrankungen sind:

  • Schmerzlinderung
  • Entzündungsdämpfung
  • Funktionsverbesserung (Kraft, Beweglichkeit, Koordination), Muskeldetonisation
  • Vor- und Nachbehandlung rheumaorthopädischer Eingriffe

 

Massage

Die Massage beeinflusst den Muskeltonus (klassische Massage) und wirkt reflektorisch (Bindegewebsmassage) auf Funktion und Durchblutung innerer Organe ein. Methodisch lassen sich klassische manuelle Massagen, Reflexzonenmassagen (Bindegewebsmassage), apparative Massagen und die manuelle Lymphdrainage unterscheiden.
Bei akuten Gelenkentzündungen dürfen diese Regionen nicht behandelt werden.

 

Wärmetherapie

Therapeutisch erwünschte Wärmewirkungen sind eine Schmerzlinderung, antiphlogistische Effekte, eine Muskeldetonisation, eine verbesserte Dehnbarkeit bindegewebiger Strukturen und eine Durchblutungssteigerung. Bei milden systemischen Überwärmungsmaßnahmen (Hyperthermie) sind zusätzliche immunstimulierende Effekte möglich.

Bei hoher Krankheitsaktivität (z. B. im akuten Krankheitsschub) sollten Wärmeanwendungen nach individueller Entscheidung sehr zurückhaltend eingesetzt werden.

  • warme Peloide (Fango, Moor, Torf, Schlick etc.)
  • andere Wärmeträger (Paraffin, Gelpackungen, Heißluft etc.)
  • Hochfrequenztherapie (Tiefenwirkung)
  • Ultraschallbehandlungen (Tiefenwirkung)
  • Infrarot, Rotlicht

 

Kältetherapie

Durch Kältezufuhr (Wärmeentzug) wird dem Organismus lokal thermische Energie entzogen. Dadurch entsteht eine Reduktion des Stoffwechsels und der Durchblutung in der behandelten Region. Eine Sonderform ist die Kryotherapie, bei der Temperaturen um 0 °C und darunter eingesetzt werden.

Die Kältetherapie umfasst einen großen Temperaturbereich. Milde Formen liegen zwischen Temperaturen unterhalb der Körperfläche und 15 °C (kalte Hydrotherapie). Die intensivere Kryotherapie nutzt Temperaturen um den Gefrierpunkt bis zu ca. -130 °C (Kaltgasverdampfung).

  • kalte Hydrotherapie (nur kurzfristige Gefäßreaktion!)
  • Eis (Bäder, Packungen, Massagen, Abreibungen)
  • nicht verdunstende Flüssigkeiten
  • Kältemanschetten, -bandagen
  • tiefgekühlte Gelbeutel
  • Kaltgas, Kaltluftströmung, Kältekammern
  • thermoelektrische Kühlung

Therapeutisch erwünschte Kältewirkungen sind eine ausgeprägte Schmerzlinderung, antiphlogistische Effekte (vorwiegend bei akuten Entzündungen), Muskeldetonisation (bei längerfristiger Kälte), Ödemhemmung, Blutungsstillung und bei kurzzeitiger Anwendung die Auslösung einer reaktiven Hyperämie.

 

Elektrotherapie

Neben Gleichströmen werden Wechselströme unterschiedlicher Frequenz eingesetzt, die sich in ihren physikalischen und biologischen Effekten unterscheiden.

  • Niederfrequenztherapie
    • In der physikalischen Therapie werden hierunter Gleichstromanwendungen und niederfrequente Wechselstromanwendungen mit Frequenzen bis 1.000 Hz verstanden. Zu den Gleichstromanwendungen zählen die Galvanisation (= einfache Gleichstromanwendung), die Iontophorese (Galvanisation mit Medikamentenzusatz auf den Elektroden) und die hydroelektrischen Bäder (Stangerbad, 2- bzw. 4-Zellenbad). Therapeutisch nutzbare Wirkungen der Gleichstromanwendung sind analgetische und hyperämisierende Effekte. Die Iontophorese nutzt in der Therapie rheumatischer Erkrankungen zusätzlich die Wirkungen von topischen Antirheumatika (z.B. Diclofenac etc.).
  • Mittelfrequenztherapie
    • Der Frequenzbereich liegt zwischen 1.000 und 100 000 Hz. Zur Mittelfrequenztherapie zählen die Interferenzströme, die amplitudenmodulierten Mittelfrequenzströme sowie die direkt an- und abschwellenden Mittelfrequenzströme. Während die beiden erstgenannten ähnliche Wirkungen wie niederfrequente Reizströme aufweisen (Analgesie, Hyperämie), wirkt die direkte Mittelfrequenzstrombehandlung hauptsächlich muskeltonisierend. Die Indikationen entsprechen der Niederfrequenztherapie. Ergänzend kommt die Inaktivitätsatrophie der Muskulatur für die direkte Mittelfrequenztherapie hinzu.
  • Hochfrequenztherapie
    • Die Hochfrequenztherapie liegt im Frequenzbereich über 100 (500) kHz. Zum Einsatz gelangen Kurzwellen (Kondensatorfeld, Spulenfeld), Dezimeter- (selten) und Mikrowellenanwendungen. Die Hochfrequenzbehandlung ist eine ausschließliche Thermotherapie mit vorzugsweiser Tiefenerwärmung (Diathermie).

Bewegungstherapie und Sporttherapie

Bewegungs- bzw. Sporttherapie verfolgt durch die planmäßige, gezielte Anwendung von Bewegungsübungen das Ziel, Schäden am Bewegungsapparat zu begegnen und funktionelle Defizite auszugleichen. Im Rahmen der Sporttherapie werden im Gruppensetting dynamische Trainingsprogramme mit dem Ziel durchgeführt, die negativen Effekte der RA mit muskulärer Kraft, Ausdauer und aerober Kapazität (Belastbarkeit) des Patienten auszugleichen. Zu den wichtigsten Erkenntnissen gehört der nachgewiesene Nutzen kardiovaskulärer Trainingsprogramme bei stabiler rheumatoider Arthritis hinsichtlich der Schmerzreduktion, einer verminderten Anzahl geschwollener Gelenke, einer verbesserten Alltagsfunktion und Lebensqualität ohne unerwünschte Wirkungen wie eine gesteigerte Entzündungsaktivität oder vermehrten Gelenkschwellungen. Im akuten Schub sollten die Patienten ihre bisherige Sportart bzw. Bewegungsangebote schmerzadaptiert weiterführen.

Ergotherapie

In der Therapie werden individuell bedeutsame Alltagshandlungen geübt und ggf. Kompensationsstrategien erlernt, damit der Klient diese (wieder) bestmöglich ausführen kann; Hilfsmittel werden angepasst, der sichere Umgang mit ihnen trainiert und Adaptionen der persönlichen Umwelt (häuslich, ggf. beruflich) vorgenommen.

Individuelle Beratung und Schulung (Arbeitsplatzberatung, Gelenkschulung) gehören bei drohender Einschränkung der Handfunktion, der Alltagsaktivitäten und/oder der beruflichen Tätigkeit zu einer klientenzentrierten, alltags- und betätigungsorientierten Ergotherapie. Ziel ist, Menschen mit früher RA dabei zu unterstützen, ihre Handlungsfähigkeit im Alltag, ihre gesellschaftliche sowie berufliche Teilhabe und ihre Lebensqualität zu erhalten oder zu verbessern.

Komplementäre Verfahren

Die Anwendung spezieller komplementärer Verfahren (Akupunktur, traditionelle chinesische und indische Medizin, Diäten, Phytotherapie, Homöopathie, Mind-Body-Medizin) kann mangels ausreichender Evidenz derzeit nicht empfohlen werden.

Hilfsmittelversorgung

Die internationale Norm ISO 9999 "Hilfsmittel – Klassifikation und Terminologie" (Stand: 2022) definiert Hilfsmittel als "Produkte, welche die Funktionsfähigkeit eines Menschen verbessern und Einschränkungen mindern" und damit die Lebensqualität, Selbstbestimmung und Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen unterstützen und verbessern.

Beispielhaft sind unter "Orthesen und Prothesen" 1.339 Hilfsmittel aufgeführt, unter "Hilfsmittel für Aktivitäten im Haushalt und Teilhabe am häuslichen Leben" 391 und in der Kategorie "Hilfsmittel für Arbeitstätigkeiten und Teilhabe am Arbeitsleben" 1.044.

 

  • Zu "Orthesen und Prothesen" zählen auch orthopädische Schuhversorgungen:
    • Bei anhaltenden Fußbeschwerden unter geringer Krankheitsaktivität ist nach den Hilfsmittelrichtlinien die Verordnung von individuell angefertigten orthopädischen Schuheinlagen bzw. Schuhen durch fachkundige Verordner indiziert.
    • Darüber hinaus erleichtern Gehhilfen wie gut zu greifende Gehstöcke, Gehgestelle und Rollatoren die Fortbewegung inner- und außerhalb der Wohnung.
  • "Hilfsmittel für Arbeitstätigkeiten und Teilhabe am Arbeitsleben" meint beispielsweise Mobiliar und Einrichtungselemente am Arbeitsplatz (spezielle Tastaturen, Schreibhilfen oder Keilkissen für den Schreibtischstuhl, etc.), Hilfsmittel zum Befestigen und Greifen von Gegenständen oder Transport- / Positionierhilfen.
  • Zu den "Hilfsmitteln für Aktivitäten im Haushalt und Teilhabe am häuslichen Leben" zählen auch Griffaufsätze und -verlängerungen für Besteck, Schlüssel, Türklinken, Kugelschreiber und Wasserhähne, um das Greifen oder Bedienen zu erleichtern. Für Menschen mit Bewegungseinschränkungen gibt es auch Kämme, Bürsten und Badeschwämme mit langen Griffen, aber auch spezielle Greifhilfen wie Knöpf- und Reißverschlusshilfen. Verschiedene Arten von Anziehhilfen erleichtern es, Socken, Strümpfe und Hosen anzuziehen.

 

Die Schienenversorgung der Hände bei rheumatoider Arthritis dient sowohl der Erleichterung des Arbeitsalltags als auch der Teilhabe am häuslichen Leben: Schmerzen und Handkraft werden durch Arbeits- und Lagerungsschienen verbessert, der Entwicklung von Deformierungen vorgebeugt. Eine Gelenkschienung kann die lokale Entzündung verringern und schwere Schmerzsymptome oder Symptome von kompressionsbedingten Neuropathien lindern.

 

 

Krankheitsverlauf und Prognose

Die der RA zugrundeliegende Gelenkentzündung führt infolge der fortschreitenden Gelenkzerstörung unbehandelt zur Invalidität, mindestens aber zu schmerzhaften und geschwollenen Gelenken mit daraus resultierenden Funktionseinschränkungen. Prognostisch ungünstig für einen schweren erosiven Verlauf der Erkrankung mit einer rasch fortschreitenden Gelenkszerstörung sind hohe Titer an RF und ACPAs, anhaltend hohe serologische Entzündungszeichen und ein Mitbefall der Halswirbelsäule. In den ersten zehn Jahren der Erkrankung erleiden etwa die Hälfte aller Patienten schwere Einschränkungen ihrer Funktionsfähigkeit, was durch die frühzeitige Anwendung veränderter Therapiekonzepte deutlich minimiert werden kann. Auch ein drohender Verlust sozialer und finanzieller Selbständigkeit stellt für RA-Patienten ein großes Problem dar und erhöht daher die Therapieadhärenz der von RA betroffenen Menschen.

 

Prognostisch ungünstige Faktoren für eine RA sind:

  • höheres Alter bei Beginn der Erkrankung (> 60 Jahre)
  • weibliches Geschlecht: Frauen erleiden eine größere Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit und die krankheitsbedingte Mortalität ist höher
  • fehlende soziale Bezugssysteme, schlechte ökonomische Bedingungen
  • niedriges Bildungsniveau
  • Rauchen
  • positiver Rheumafaktor und/oder Antikörper gegen citrullinierte Peptide/Proteine (CCP-AK)
  • Befall von 20 Gelenken
  • bereits eingetretene knöcherne Destruktion (Erosionen, Knochenödem)
  • Vorhandensein von subkutanen Rheumaknoten
  • verzögerter Therapiebeginn mit krankheitsmodifizierenden Medikamenten (DMARDs)

 

Mindestens 10 % der Patienten sind trotz adäquater Therapie häufig schwer behindert.