Sozialmedizinische Beurteilung
- die sozialmedizinische Beurteilung erfolgt auf Grundlage der vorhandenen Befunde inklusive einer detaillierten Erfassung des Tagesablaufes; die Sachaufklärung dient entsprechend der ICF vornehmlich der Klärung der Funktionsstörungen und der damit verbundenen Störungen auf der Ebene der Aktivitäten sowie den daraus resultierenden Einschränkungen in Bezug auf die Teilhabe. Sie umfasst ebenso die Kontextfaktoren
- die Sachaufklärung soll so ausgerichtet sein, dass eine Aussage über das quantitative und qualitative Leistungsvermögen getroffen werden kann
- mit einer Retraumatisierung im Rahmen der Begutachtung ist i. d. R. nicht zu rechnen, sofern eine für den Probanden als sicher erlebte Gesprächsatmosphäre geschaffen und auf eine detaillierte Erfragung der traumatischen Erfahrung/en verzichtet wird. Eine entsprechend sensible Gesprächsführung ist zu empfehlen
- bei Hinweisen auf das Vorliegen einer PTBS sollte sich der/die Gutachter/in immer selbst von der Erfüllung der diagnostischen Kriterien anhand des psychischen Befundes überzeugen und eine vorbestehende einschlägige Diagnose nicht unkritisch übernehmen
- eine reine Erlebnisschilderung des Probanden ohne entsprechende Schilderung einer spezifischen PTBS-Symptomatik kann die Diagnose einer PTBS nicht begründen
- liegt der Entwicklung der PTBS ursächlich beispielsweise ein Gewaltverbrechen oder ein Unfall zu Grunde, kann die Zuständigkeit eines anderen Leistungsträgers gegeben sein, wie z. B. die Landesämter i. R. des sozialen Entschädigungsrechts (Bundesversorgungs-, Häftlings-, Opferentschädigungs-, Soldatenversorgungs-, Zivildienstgesetz, Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz) oder die gesetzliche Unfallversicherung
- für die Beurteilung der funktionalen Gesundheit ist das Klassifikationssystem der ICF maßgeblich
Grundlagen der sozialmedizinischen Beurteilung
Hierzu zählen:
- Diagnosen
- Beschreibung der Funktionsstörungen und daraus resultierende Beeinträchtigungen der Aktivitäten
- Verbindung von Querschnitts- und Längsschnittverlauf
- Ausschöpfung therapeutischer Optionen
- Krankheitsbewältigung
- Beschwerdenvalidierung
- Verbindung von Funktionsstörung, Beeinträchtigung von Aktivitäten mit dem Arbeits- und Sozialleben
- Kriterien zur sozialmedizinischen Prognosebeurteilung
Nähere Informationen zu den o.g. Punkten erhalten Sie auf der Seite "Leitfaden für die Erstellung eines sozialmedizinischen Gutachtens".
Medizinische Rehabilitation
Die Einschätzung von Rehabilitationsbedarf, Rehabilitationsfähigkeit, Rehabilitationsprognose erfolgt unter Berücksichtigung der unter Grundlagen der sozialmedizinischen Beurteilung genannten Punkte. Für die Bewilligung einer psychosomatischen Rehabilitation ist die abgeschlossene fachspezifische Diagnostik sowie eine vorausgegangene störungsspezifische Behandlung Voraussetzung. Rehabilitationsbedarf liegt dann vor, wenn die fachärztliche / psychotherapeutische leitliniengerechte störungsspezifische Behandlung nicht ausreichend und eine multimodale interdisziplinäre gruppenorientierte Behandlung einer medizinischen Rehabilitation (§ 10 SGB VI) erforderlich ist.
Rehabilitationsbedarf
- kann bestehen bei Menschen, die beispielsweise nach der Akutbehandlung einer PTBS weiterhin Symptome aufweisen
- bei Chronifizierung einer PTBS und damit einhergehenden Persönlichkeitsveränderungen (die Erwerbsfähigkeit kann dann insbesondere durch Störungen der Affektivität und des Antriebs sowie durch Vermeidungsverhalten/sozialen Rückzug erheblich gefährdet oder gemindert sein)
Rehabilitationsfähigkeit
Die Rehabilitationsfähigkeit ist bei der posttraumatischen Belastungstörung in der Regel gegeben, wenn folgende Aspekte erfüllt sind:
- hinreichende psycho-mentale Belastungsfähigkeit
- keine akute psychotische Symptomatik
- keine gravierende Suchtmittelproblematik
- keine stärkeren kognitiven Störungen
- keine akute Suizidalität
- keine Fremdgefährdung
- hinreichende Gruppenfähigkeit
- keine Symptomausprägung der Störung, die die Rehabilitationsleistung stark beeinträchtigt
- ausreichende Motivation zur Teilnahme an der Rehabilitation
An einer PTBS erkrankte Menschen mit einem hohen Bedarf an Einzelpsychotherapie, aufgehobener Gruppenfähigkeit, akuter Suizidalität können in einer Rehabilitationseinrichtung nicht hinreichend behandelt werden. In diesem Fall ist die Notwendigkeit einer stationären psychiatrisch-psychotherapeutischen Krankenhausbehandlung zu prüfen.
Eine anhaltende schwere Dissoziationsneigung, mangelnde Affekttoleranz, unkontrolliertes autoaggressives Verhalten oder mangelnde Distanzierungsfähigkeit vom traumatischen Ereignis oder Suchtverhalten können die Rehabilitationsfähigkeit einschränken.
Rehabilitationsprognose
Die Einschätzung der Rehabilitationsprognose zielt darauf ab, ob durch die medizinische Rehabilitation
- bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit abgewendet werden kann oder
- bei bereits eingetretener Minderung der Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation wesentlich gebessert oder wiederhergestellt
- oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann.
Eine positive Rehabilitationsprognose ist gegeben, wenn
- die Einschätzung besteht, dass die Störungen der Aktivitäten durch die medizinische Rehabilitation veränderbar sind.
- trotz der Störungen der Aktivitäten das Rehabilitationsziel (einer positiven Beeinflussung der Erwerbsfähigkeit) der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht werden kann.
- Kompensationsmöglichkeiten zum Ausgleich der Störung der Teilhabe hinreichend umsetzbar sind.
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
- Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben stellen den Bereich der Leistungen zur Teilhabe dar, der die Leistungen zur Erhaltung oder zur Erlangung eines Arbeitsplatzes, zur beruflichen Anpassung, Berufsvorbereitung, Fort- und Weiterbildung, Ausbildung und Qualifizierung sowie finanzielle Hilfen umfasst.
- Insbesondere bei einer anhaltenden oder wiederholten Reaktivierung der Symptomatik durch berufliche Gegebenheiten, d. h., wenn das traumatisierende Ereignis, wie z. B. ein Überfall oder schwerer Unfall, in engem Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz oder der beruflichen Tätigkeit steht, kann eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich werden. Dabei kann es sich z. B. um die Unterstützung einer innerbetrieblichen Weiterqualifizierung und Umsetzung handeln.
Leistungsvermögen
- Eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung oder eine KPTBS müssen aufgrund ihrer variablen Ausprägung nicht zwingend zu einer Minderung des Leistungsvermögens im Erwerbsleben führen, es sind immer die Beeinträchtigungen der Fähigkeiten im Einzelfall zu beurteilen.
- Meist bestehen bei einer PTBS lediglich vorübergehende qualitative Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben, v. a. bei Konfrontation mit angstbesetzten Situationen und Orten.
- Eine dauernde Minderung der quantitativen Leistungsfähigkeit ist bei der PTBS i. d. R. nicht zu erwarten.
- Bei einer Chronifizierung und damit einhergehendem sozialen Rückzug, Antriebsmangel und Persönlichkeitsveränderung kann auch das quantitative Leistungsvermögen erheblich beeinträchtigt sein.
Auswirkung der Beeinträchtigung der Aktivitäten auf das Leistungsvermögen
- Zuletzt ausgeübte Tätigkeit
- Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
- Beruf
Desweiteren zählen dazu:
- Qualitatives Leistungsvermögen
- Quantitatives Leistungsvermögen
- Voraussichtliche Dauer der Leistungseinschränkung
Nähere Informationen zu den o. g. Punkten erhalten Sie auf der Seite "Leitfaden für die Erstellung eines sozialmedizinischen Gutachtens".