Deutsche Rentenversicherung

Posttraumatische Belastungsstörung

Krankheitsbild, Anamnese, Diagnostik, Therapie, Krankheitsverlauf und Prognose
Stand: 02.05.2023

Störungsspezifische Beschreibung

Eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist eine psychoreaktive Störung i. S. einer spezifischen Traumafolgestörung. Sie entsteht als psychische Reaktion auf das direkte Erleben oder Beobachten eines Ereignisses oder einer Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaßes (Trauma) nach einer Latenz von wenigen Wochen bis Monaten.

Beispiele für auslösende Situationen

  • Folter,
  • Terroranschläge,
  • Vergewaltigung,
  • Naturkatastrophen,
  • schwere Unfälle oder
  • das Miterleben des gewaltsamen Todes anderer

Je nach zeitlicher Dimension kann unterschieden werden in:

  • kurzdauernde, singuläre Ereignisse, die durch ihre Plötzlichkeit, Überraschung und akute Lebensgefahr gekennzeichnet sind (z. B. Natur- oder technische Katastrophen, Unfälle, kriminelle Gewalterfahrungen) und
  • länger dauernde oder sich wiederholende Traumata, deren weiterer Verlauf nicht vorhersehbar ist (z. B. Geiselhaft, mehrfache Folter, wiederholte Gewalterfahrungen in Form von Missbrauch und Misshandlungen, Kriegsgefangenschaft, Konzentrationslagerhaft).
  • Bei einer Traumatisierung über einen längeren Zeitraum ist es hierbei entscheidend, dass es umschriebene einzelne Ereignisse gibt, die das Traumakriterium erfüllen. Die Kumulation sogenannter "Mikrotraumen" erfüllt nicht die Definition einer PTBS.
  • Die Betroffenen erleben Gefühle existenzieller Ängste und Schutzlosigkeit und erleiden in Ermangelung subjektiver Bewältigungsmöglichkeiten Kontrollverlust und Hilflosigkeitserleben.

Symptomatik

Die Kernsymptomatik einer PTBS besteht nach ICD-10:

  • im Wiedererleben der traumatischen Ereignisse in der Gegenwart (in Form sich aufdrängender Erinnerungen, Albträume) oder einem intensiven Stresserleben in Situationen, die dem traumatischen Ereignis ähneln oder an dieses erinnern
  • in der Vermeidung von internen (z. B. Gedanken, Gefühle) oder externen Reizen (z. B. Aktivitäten, Situationen, Personen, Objekte), die an das Trauma erinnern könnten bis hin zur Entwicklung phobischen Verhaltens
  • in einer vegetativen Übererregbarkeit in Form von Schlafstörungen, Konzentrationsproblemen, erhöhter Reizbarkeit oder gesteigerter Schreckreaktion/erhöhter Wachsamkeit durch das anhaltende Gefühl/die subjektive Wahrnehmung einer erhöhten Bedrohung
  • es bestehen häufig Gefühle des "Betäubtseins" und der emotionalen Stumpfheit
  • oft liegen zusätzlich auch Angst, Depression, somatoforme Störungen, Substanzmissbrauch, Schlaf- und Konzentrationsstörungen oder Suizidgedanken vor


Das Konzept der KPTBS (Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung) nach ICD-11 stellt insofern eine Ergänzung des posttraumatischen Diagnosespektrums dar, als dass hierbei solche Entwicklungen besser berücksichtigt werden, denen lang andauernde und sich wiederholende Traumatisierungen mit entsprechenden Implikationen für die Persönlichkeitsentwicklung zugrunde liegt.

Die KPTBS ist eine Störung, die sich entwickeln kann, nachdem man einem Ereignis oder einer Reihe von Ereignissen extrem bedrohlicher oder schrecklicher Natur ausgesetzt war. Dies sind meist lang anhaltende oder sich wiederholende Ereignisse, denen man nur schwer oder gar nicht entkommen kann.

Häufige Beispiele sind:

  • andauernder sexueller Missbrauch oder körperliche Misshandlung in Kindheit und Jugend
  • lang anhaltende häusliche Gewalt
  • Menschenhandel
  • sexuelle Ausbeutung
  • kriegerische Auseinandersetzungen
  • Folter
  • Völkermord
  • Zwangsarbeit
  • andere Formen schwerer politischer/organisierter Gewalt

Alle diagnostischen Voraussetzungen für eine PTBS sind erfüllt. Die Symptomatik der KPTBS umfasst über die bei der klassischen PTBS genannten Kernsymptome (Wiedererinnerung, Vermeidung, Übererregung) hinaus zusätzlich drei weitere Symptomgruppen, die hinsichtlich der sozialen Anpassungsfähigkeit und der beruflichen Leistungsfähigkeit relevant sind:

Tabelle: Zusätzliche Symptomgruppen für die neue Diagnose Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung (KPTBS) nach ICD-11
tiefgreifende und anhaltende Probleme der Affekt- und Impulsregulationnegatives SelbstkonzeptProbleme in zwischenmenschlichen Beziehungen
  • verstärkte emotionale Reaktivität
  • beeinträchtigte Selbstwahrnehmung wie die Überzeugung, minderwertig, unterlegen oder wertlos zu sein
  • Schwierigkeiten, nahe Beziehungen aufzubauen und aufrecht zu erhalten
  • Affektverflachung
  • Schuld- und Schamgefühle
  • allgemein misstrauische Grundhaltung
  • gewalttätige Durchbrüche
  • mangelnde Selbstfürsorge
  • instabile Beziehungen
  • selbstschädigende Verhaltensweisen wie Selbstverletzung oder Substanzkonsum dienen häufig der Emotionsregulation
  • Depersonalisationserleben
  • sozialer Rückzug
  • persistierende dysphorisch-depressive Verstimmungen, die nicht selten mit latenter chronischer Suizidalität und teils schweren Selbstverletzungen einhergehen können.
Quelle: Eigene Darstellung, Deutsche Rentenversicherung Bund

Diese Symptome führen zu erheblichen Beeinträchtigungen in persönlichen, familiären, sozialen, schulischen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen.

Im Konzept der KPTBS wurde berücksichtigt, dass häufig Symptommuster entstehen, die i. d. R. einen höheren therapeutischen Aufwand nach sich ziehen.

Bis zum endgültigen Inkrafttreten der ICD-11 stehen i. R. von Begutachtungen für die Kodierung als annähernd vergleichbare Diagnosen die F62.0 (andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung) oder die F43.8 (sonstige Reaktionen auf schwere Belastung) der ICD-10-Klassifikation zur Verfügung.

Die "andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung" ist durch die Auswirkungen einer anhaltenden oder wiederholten Traumatisierung auf eine i. d. R. bereits entwickelte Persönlichkeit charakterisiert. Für das Vorliegen der Diagnose muss die auf das traumatische Ereignis folgende Persönlichkeitsänderung wenigstens seit zwei Jahren bestehen.

Diagnose

Die Diagnose für dieses Störungsbild kann nur vergeben werden, wenn die nach einem kritischen Lebensereignis entwickelten Symptome nicht besser durch irgendeine andere Störung erklärt werden können.

Hinweis zur ICD-11

Die "Komplexe posttraumatische Belastungsstörung" (KPTBS) wird i. R. der ICD-11-Einführung zusätzlich als im Versorgungssystem anerkannte Diagnose eingeführt.

Diagnostische Kriterien nach ICD-11

  • Maladaptive Reaktion auf einen einzelnen oder mehrere psychosoziale Stressoren, die innerhalb eines Monats auftritt
  • Präokkupation mit dem Stressor oder dessen Konsequenzen (z. B. wiederkehrende beunruhigende Gedanken, ständiges Grübeln)
  • Fehlanpassung an den Stressor (was erhebliche Beeinträchtigungen in persönlichen, familiären, sozialen, schulischen, beruflichen o. a. wichtigen Funktionsbereichen verursacht)
  • Die Symptome erfüllen nicht die Kriterien einer anderen psychischen Störung
  • Die Symptome bestehen üblicherweise nicht länger als 6 Monate nach Ende der Belastung, es sei denn der Stressor hält länger an

 

Anamnese

  • Störungsspezifische Beschreibung der Symptome
  • Nutzung von Therapieoptionen:
    • Psychotherapeutische Behandlungen (ambulant und/oder stationär)
    • Medikamentöse Behandlungen

Anbei finden Sie einen Link zu einem Muster für die Anamneseerhebung. Die dort gelisteten Punkte geben Hinweise auf eine vollständige Anamnese, müssen aber nicht bei jedem Krankheitsbild einzeln aufgeführt werden.

  
  

Diagnostische Maßnahmen

  • für die Diagnosestellung nach ICD-10 sind die dort definierten Kriterien relevant (s. unter 1.)
  • prädisponierende Faktoren wie bestimmte z. B. zwanghafte oder asthenische Persönlichkeitszüge oder psychische Erkrankungen in der Vorgeschichte können die Schwelle für die Entwicklung dieses Syndroms senken und seinen Verlauf erschweren, die letztgenannten Faktoren sind aber weder notwendig noch ausreichend, um das Auftreten der Störung zu erklären;
  • zeitliche Entwicklung der PTBS nach Klassifikationen

Quelle:1. ICD-10 GM Version 2024; 2. Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Störungen – Teil I, Kapitel 4.2.4 Entwicklung der PTBS, AWMF-Registernummer 051-029, Klasse: S2k Erstveröffentlichung: 04/2012, Überarbeitung von: 12/2019.
Tabelle: Zeitliche Entwicklung der PTBS nach Klassifikationen
ICD-10DSM-5
  • die Störung folgt dem Trauma mit einer Latenz von Wochen bis Monaten (doch selten mehr als 6 Monate nach dem Trauma)
  • Die Diagnose PTBS ist nach DSM-5 nur dann zu stellen, wenn die Symptomatik mindestens über 1 Monat oder länger andauert
  • I.d.R. tritt eine PTBS innerhalb von 3 Monaten nach dem schädigenden Ereignis ein, es kann aber im Einzelfall "Monate oder Jahre" dauern, bis das für eine Diagnostizierung erforderliche Vollbild vorliegt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Betroffenen bis dahin psychisch gesund sind.

Klinischer Untersuchungsbefund

Testpsychologische Diagnostik

  • zur Diagnosesicherung können strukturierte Interviews (z. B. SKID, CIDI, bei speziellen traumabezogenen Fragestellungen auch CAPS) eingesetzt werden
  • zur Erfassung der Symptomausprägung sind standardisierte Fragebögen wie z. B. die deutsche Fassung der Impact of Event Scale (IES-R) geeignet
  • Tests sind zusätzliche Hilfen, ersetzen die Exploration aber nicht

Differenzialdiagnostik

PTBS

Die PTBS ist nur eine von mehreren Reaktionsformen auf eine schwere Belastung - differenzialdiagnostisch müssen andere psychische Störungen, die ereignisreaktiv im Gefolge von Unfall- o. a. Schädigungsereignissen auftreten können, als psychopathologische Traumafolgen in Erwägung gezogen werden.

Hierzu zählen:

  • depressive Episoden
  • Angststörungen, die über eine Anpassungsstörung hinausgehen
  • dissoziative und somatoforme Störungen
  • Zwangsstörungen
  • Abhängigkeitserkrankungen
  • Essstörungen
  • psychotische Störungen

KPTBS

Differentialdiagnostisch ist die KPTBS abzugrenzen von u. a.

  • der Borderline-Persönlichkeitsstörung
  • dissoziativen Störungen
  • psychotischen Erkrankungen

PTBS vs. KPTBS

Die Traumakriterien der PTBS und der KPTBS unterscheiden sich in Hinblick auf Dauer und Häufigkeit der Traumaexposition voneinander:

  • die Ereignisdefinition bei der KPTBS hebt auf lang andauernde repetitive interpersonelle Traumatisierungen ab

Über die Kernsymptome der PTBS hinaus liegen bei der KTBS außerdem weitere Symptome vor:

  • tiefgreifende Probleme der Affekt- und Impulsregulation
  • ein negatives Selbstkonzept
  • Probleme in zwischenmenschlichen Beziehungen
  • die PTBS-Kernsymptome selbst müssen jedoch nach dem Trauma nachweisbar gewesen sein

Komorbiditäten

  • die Komorbidität von PTBS und anderen psychischen Störungen gilt als hoch, deshalb müssen auch andere psychische Störungen in Erwägung gezogen werden
  • wenn eine PTBS in höherem Erwachsenenalter auftritt, so geschieht dies meist in Begleitung von somatischen Erkrankungen
  • diese ziehen auch an anderer Stelle eine erhöhte Inanspruchnahme des Gesundheitswesens nach sich, wobei häufig die somatische Behandlung im Vordergrund steht und die PTBS nicht behandelt oder gar nicht erkannt wird
  • etwa 15% aller Patient*innen nach Myokardinfarkt leiden an einer komorbiden PTBS oder Anpassungsstörung. Auch bei anderen schweren / lebensbedrohlichen Erkrankungen kann eine PTBS als Folge entstehen. V. a. wenn das auslösende Trauma im Bereich der Herzerkrankung/deren Behandlung liegt, führt das daraus resultierende Vermeidungsverhalten zu negativen Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf

 
 

Therapieoptionen

Medikamentöse Behandlung

  • an der eher zurückhaltenden Beurteilung der Pharmakotherapie bei der Behandlung der PTBS hat sich in den letzten Jahren wenig geändert – die Studienlage zum Einsatz von Psychopharmakotherapie bei PTBS ist nach wie vor uneinheitlich
  • bisherige Studien zu unterschiedlichen Antidepressiva legen nahe, dass nicht ganze Substanzklassen Wirkung zeigen, sondern einzelne Substanzen
  • in Deutschland sind nur die selektiven Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) Paroxetin und Sertralin für die Behandlung der PTBS zugelassen
  • komorbide Störungen (z.B. depressive Störungen) können zusätzlich eine Psychopharmakotherapie bedingen

Psychotherapeutische Behandlung

Bei manifester posttraumatischer Belastungsstörung kommen verschiedene psychotherapeutische Interventionen sowohl in kompensatorischer (nicht-traumafokussierte Interventionen) als auch in trauma-bearbeitender Form (traumafokussierte Verfahren = Behandlungsmethode der ersten Wahl) zum Einsatz, die in kontrollierten Therapiestudien untersucht worden sind.

Traumafokussierte und gut untersuchte Verfahren sind z. B.:

 
traumafokussierte Kognitive Verhaltenstherapie (TF-KVT)Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR)
  • Ziel: Angstreaktionen reduzieren und die traumatische Gedächtnisstruktur reorganisieren
  • Das EMDR ("Eye-movement desensitization and reprocessing") stellt eine Behandlungsmethode dar, die eine imaginäre Exposition der traumatischen Erinnerung mit bihemisphärischer Stimulierung in Form von Augenbewegungen, Berührungsreizen oder auditiven Reizen kombiniert
  • Module der Therapie:
    • Psychoedukation
    • Angstmanagement Exposition in sensu und ggf. in vivo
    • kognitive Umstrukturierung
  • Nicht-traumafokussierte Interventionen sind Therapieansätze, deren Schwerpunkt nicht auf der Verarbeitung, der Erinnerung an das traumatische Ereignis oder seiner Bedeutung liegt, sondern auf der Vermittlung von Fertigkeiten der Emotionsregulation, Fertigkeiten des Umgangs mit posttraumatischen Belastungssymptomen, Fertigkeiten zur Lösung aktueller Probleme.
  • Beim Vollbild einer PTBS ist die Wirksamkeit traumafokussierter Interventionen (s. o.) höher als die von unspezifischer Psychotherapie. Von einer Ausschöpfung der therapeutischen Möglichkeiten kann ausgegangen werden, wenn traumaspezifische Interventionen zur Anwendung kamen

 

Krankheitsverlauf und Prognose

  • gewöhnlich verläuft die PTBS unter geeigneter Therapie in einem Zeitraum von 1-2 Jahren regredient mit abnehmender funktioneller Beeinträchtigung
  • ca. ein Vietel bis ein Drittel der Betroffenen entwickelt eine chronische Störung, die über viele Jahre anhalten kann
  • ist dies der Fall und es wird eine zunehmende Beeinträchtigung geltend gemacht, gilt es herauszuarbeiten, welche die Störung aufrechterhaltenden Faktoren vorliegen, z. B.:
    • Fehlen geeigneter Therapie
    • Reaktivierung / Retraumatisierung
    • Wegfall von Kompensationsfaktoren
    • Bedeutung trauma-unabhängiger Kontextfaktoren
    • Persönlichkeitseigenschaften
    • Vorerkrankungen
  • interpersonelle Traumen, z. B. Vergewaltigungen, können mit einer höheren PTBS-Inzidenz einhergehen und eher chronifizieren
  • Verlauf der PTBS nach Klassifikationen

Quelle:1. ICD-10 GM Version 2024; 2. Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Störungen – Teil I, Kapitel 4.2.5 Verlauf und Risikofaktoren der PTBS, AWMF-Registernummer 051-029, Klasse: S2k Erstveröffentlichung: 04/2012, Überarbeitung von: 12/2019.
Tabelle: Verlauf der PTBS nach Klassifikationen
ICD-10DSM-5
  • der Verlauf ist wechselhaft, in der Mehrzahl der Fälle kann jedoch eine Heilung erwartet werden.
  • es kommt in der Hälfte der Fälle innerhalb von 3 Monaten zu einer vollständigen Remission der PTBS-Symptome.
  • in wenigen Fällen nimmt die Störung über viele Jahre einen chronischen Verlauf und geht dann in eine andauernde Persönlichkeitsänderung über.
  • allerdings bleibt bei vielen anderen Betroffenen die Symptomatik über mehr als 12 Monate nach dem Trauma bestehen (teils über Jahrzehnte).
  • darüber hinaus ist im Verlauf einer PTBS in manchen Fällen eine wechselnde Zu-/Abnahme der Symptome zu erkennen.

Versorgung

Tabelle: Typische therapeutische Probleme nach Versorgungsebene
primärärztliche Versorgungsebenefachpsychotherapeutische Versorgungsebene(teil)stationäre Versorgungsebene
  • oftmals sind im Versorgungsalltag bis zu Beginn einer traumafokussierten Therapie längere Zeiträume zu überbrücken
  • komorbide Störungen, komplexe Traumafolgestörungen, komplexe soziale / juristische Problemlagen (Elternschaft, Arbeitsplatzunsicherheit, laufende Anträge, Gerichtsverfahren etc.) sowie Alltagsbelastungen, die die Patient*innen wiederholt destabilisieren, stellen eine Herausforderung für die psychotherapeutische Behandlung dar
  • durch Druck von Kostenträgerseite entstehen ggf. Herausforderungen, insbesondere, wenn unrealistische Zeitvorgaben oder wiederholte, kurzzeitige Kostenzusagen zu einem therapiehinderlichen Mangel an Sicherheitsgefühl führen
  • herausfordernd gestaltet sich die Versorgung von Patient*innen, die an komplexen und trotz vielfacher Bemühungen nicht gebesserten Beschwerden leiden
  • Probleme bei der Kostenerstattung einzelner unterstützender Verfahren und Maßnahmen (z. B. bei Arbeitsunfall als Trauma) erschweren multimodales Arbeiten
  • da patientenseitig, v. a. im Falle komplexer Traumafolgestörungen, häufig hohes Misstrauen besteht, können Behandler*innenwechsel und (zu) kurze stationäre Aufenthalte den Aufbau von Bindung/Vertrauen erschweren, deshalb sollten Therapieunterbrechungen (z. B. durch Urlaube, Intervalltherapie, Vorgaben der Kostenträger etc.) Ausnahmen bleiben oder gut vorbesprochen werden
  • durch die i. R. der oft dysfunktionalen Beziehungsgestaltung auftretenden Konflikte stellt diese Patient*innengruppe eine Herausforderung für Hausärzt*innen / Praxisteams dar
  • eine Schwierigkeit kann in fortbestehendem Täterkontakt (beispielsweise durch Umgang der Kinder mit dem gewalttätigen früheren Partner) bestehen
  • ambivalente Motivation der Patient*innen kann die Arbeit erschweren
  • diese u. a. Problemlagen können es ggf. erschweren, den "richtigen" Zeitpunkt für eine traumafokussierte Arbeit zu finden
  • bereits eine Unterbringung in Mehrbettzimmern kann für Patient*innen nach wiederholten interpersonellen Traumaerfahrungen eine so große Belastung bedeuten, dass ein Therapiefortschritt gefährdet werden kann
  • bei Patient*innen nach institutioneller Traumatisierung (z. B. Heimunterbringung, politische Inhaftierung) kann das stationäre Setting eine Überforderung darstellen, sodass eine teilstationäre Therapie eine Alternative sein kann. In dem Fall ist zu dokumentieren, dass hieraus keineswegs eine geringe Behandlungsmotivation oder Krankheitsschwere abgeleitet werden kann

Prognose

  • die Prognose der PTBS ist bei frühzeitiger Intervention und adäquater Therapie oft günstig
  • auch nach längerem Verlauf können mit trauma-spezifischer Therapie noch gute Ergebnisse erzielt werden, wenn diese bisher nicht zum Einsatz kamen
  • die PTBS kann einen chronischen Verlauf nehmen und in eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung (F62.0 nach ICD-10) übergehen - letztere ist auch differenzialdiagnostisch in Erwägung zu ziehen. Die F62.0 kann nach endgültigem Inkrafttreten der ICD-11 durch die Diagnose KPTBS abgelöst werden