Deutsche Rentenversicherung

Anpassungsstörungen

Sozialmedizinische Beurteilung
Stand: 02.05.2023

Sozialmedizinische Beurteilung

  • Die sozialmedizinische Beurteilung erfolgt auf Grundlage der vorhandenen Befunde inklusive einer detaillierten Erfassung des Tagesablaufes. Die Sachaufklärung dient entsprechend der ICF vornehmlich der Klärung der Funktionsstörungen und der damit verbundenen Störungen auf der Ebene der Aktivitäten sowie den daraus resultierenden Einschränkungen in Bezug auf die Teilhabe. Sie umfasst ebenso die Kontextfaktoren.
  • Die Sachaufklärung soll so ausgerichtet sein, dass eine Aussage über das quantitative und qualitative Leistungsvermögen getroffen werden kann.
  • Sozialmedizinisch relevant sind v. a.:
    • Anpassungsstörungen, die länger (mehr als sechs Monate) andauern
    • Anpassungsstörungen im Kontext von gravierenden körperlichen Erkrankungen, schwer oder gar nicht veränderbaren Lebenssituationen, anhaltenden psychosozialen Belastungen wie beispielsweise Langzeitarbeitslosigkeit.
  • Durch die individuelle Symptomatik, die fortwährende Beschäftigung mit dem auslösenden Ereignis und durch das Gefühl, mit den alltäglichen Gegebenheiten nicht mehr zurecht zu kommen, können soziale Funktionen und Leistungen vorübergehend in unterschiedlicher Ausprägung beeinträchtigt sein.
  • Anpassungsstörungen können zu wiederholter oder längerer Arbeitsunfähigkeit führen.
  • Hinsichtlich Aktivität und Teilhabe der Betroffenen ist der Mechanismus der Vermeidung (z. B. nicht über assoziierte Ereignisse/Personen sprechen, um sich aufdrängende Gefühle und Gedanken zu vermeiden) relevant
    • Folge dieses Mechanismus ist eine Einschränkung des Lebens- und Gestaltraums, was zu starker Traurigkeit, Angst oder Reizbarkeit mit ggf. heftigen Gefühlsausbrüchen führen kann, dies wiederum kann Konfliktpotential bergen.
  • Der sozialmedizinische Verlauf bei einer Anpassungsstörung kann ähnlich beeinträchtigt sein wie bei einer depressiven Störung.



Grundlagen der sozialmedizinischen Beurteilung

Hierzu zählen:

  • Diagnosen
  • Beschreibung der Funktionsstörungen und daraus resultierende Beeinträchtigungen der Aktivitäten
  • Verbindung von Querschnitts- und Längsschnittverlauf
  • Ausschöpfung therapeutischer Optionen
  • Krankheitsbewältigung
  • Beschwerdenvalidierung
  • Verbindung von Funktionsstörung, Beeinträchtigung von Aktivitäten mit dem Arbeits- und Sozialleben
  • Kriterien zur sozialmedizinischen Prognosebeurteilung

Nähere Informationen zu den o.g. Punkten erhalten Sie auf der Seite "Leitfaden für die Erstellung eines sozialmedizinischen Gutachtens".


 

Medizinische Rehabilitation

Die Einschätzung von Rehabilitationsbedarf, Rehabilitationsfähigkeit, Rehabilitationsprognose erfolgt unter Berücksichtigung der unter Grundlagen der sozialmedizinischen Beurteilung genannten Punkte. Für die Bewilligung einer psychosomatischen Rehabilitation ist die abgeschlossene fachspezifische Diagnostik sowie eine vorausgegangene störungsspezifische Behandlung Voraussetzung. Rehabilitationsbedarf liegt dann vor, wenn die fachärztliche / psychotherapeutische leitliniengerechte störungsspezifische Behandlung nicht ausreichend und eine multimodale interdisziplinäre gruppenorientierte Behandlung einer medizinischen Rehabilitation (§ 10 SGB VI) erforderlich ist.

Rehabilitationsbedarf

  • Wenn trotz adäquater ambulanter und ggf. auch stationärer kurativer Behandlung einer Anpassungsstörung gravierende Teilhabeeinbußen mit erheblicher Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit bestehen, sollte die Durchführung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation erwogen werden, um:
    • eine Ausweitung und Chronifizierung der psychosozialen Beeinträchtigungen zu vermeiden
    • die Krankheitsbewältigung zu unterstützen
    • das Leistungsvermögen zu stabilisieren
  • Rehabilitationsbedarf besteht in Abhängigkeit von:
    • Dauer und Ausprägung der Anpassungsstörung
    • der ggf. auslösenden somatischen Erkrankung
    • der psychosozialen Belastung
    • der ggf. vorliegenden komorbiden psychischen Störung

Rehabilitationsfähigkeit

Die Rehabilitationsfähigkeit bei Anpassungsstörungen ist in der Regel gegeben, wenn folgende Aspekte erfüllt sind:

  • keine Symptomausprägung der Störung, die die Rehabilitationsleistung stark beeinträchtigt
  • hinreichende psycho-mentale Belastungsfähigkeit
  • keine akute psychotische Symptomatik
  • keine gravierende Suchtmittelproblematik
  • keine stärkeren kognitiven Störungen
  • keine akute Suizidalität
  • keine Fremdgefährdung
  • hinreichende Gruppenfähigkeit
  • ausreichende Motivation zur Teilnahme an der Rehabilitation.

An Anpassungsstörungen erkrankte Menschen mit einem hohen Bedarf an Einzelpsychotherapie, aufgehobener Gruppenfähigkeit, akuter Suizidalität können in einer Rehabilitationseinrichtung nicht hinreichend behandelt werden. In diesem Fall ist die Notwendigkeit einer stationären psychiatrisch-psychotherapeutischen Krankenhausbehandlung zu prüfen.

Rehabilitationsprognose

Die Einschätzung der Rehabilitationsprognose zielt darauf ab, ob durch die medizinische Rehabilitation

  • bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit abgewendet werden kann oder
  • bei bereits eingetretener Minderung der Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation wesentlich gebessert oder wiederhergestellt
  • oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann.

 

Eine positive Rehabilitationsprognose ist gegeben, wenn

  • die Einschätzung besteht, dass die Störungen der Aktivitäten durch die rehabilitative Maßnahme veränderbar sind.
  • trotz der Störungen der Aktivitäten das Rehabilitationsziel (einer positiven Beeinflussung der Erwerbsfähigkeit) der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht werden kann.
  • Kompensationsmöglichkeiten zum Ausgleich der Störung der Teilhabe hinreichend umsetzbar sind.



Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben stellen den Bereich der Leistungen zur Teilhabe dar, der die Leistungen zur Erhaltung oder zur Erlangung eines Arbeitsplatzes, zur beruflichen Anpassung, Berufsvorbereitung, Fort- und Weiterbildung, Ausbildung und Qualifizierung sowie finanzielle Hilfen umfasst.

Nur in seltenen Einzelfällen stellen Anpassungsstörungen eine Indikation für die Durchführung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben dar:

  • Diese kann beispielsweise erforderlich sein, wenn Umstände aus dem beruflichen Umfeld einen maßgeblichen Anteil an der Entstehung und Aufrechterhaltung der Anpassungsstörung haben und die Erwerbsfähigkeit durch eine innerbetriebliche Umsetzung oder eine Weiterqualifizierung erhalten werden kann
  • Dabei ist allerdings zu beachten, dass die individuelle Vulnerabilität bei der Entstehung einer Anpassungsstörung definitionsgemäß eine größere Rolle spielt als bei der PTBS, so dass sorgfältig eingeschätzt werden muss, ob eine berufliche Veränderung letztlich zielführend sein kann oder ob damit zu rechnen ist, dass sich auch in der neuen Tätigkeit bzw. am neuen Arbeitsplatz eine ähnliche Entwicklung wiederholen könnte

Nicht selten hegen Versicherte mit Anpassungsstörungen unrealistische Erwartungen bezüglich der Verbesserung ihrer Situation durch einen Tätigkeitswechsel, v. a. dann, wenn diese Erwartungen nicht ausreichend – beispielsweise i. d. R. einer ambulanten Psychotherapie – reflektiert wurden.



Leistungsvermögen

  • Anpassungsstörungen können zwar zu wiederholter oder längerer Arbeitsunfähigkeit führen, eine erhebliche Beeinträchtigung der quantitativen Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben resultiert jedoch allein aus einer Anpassungsstörung i. d. R. nicht, es sei denn, es kommt zur Chronifizierung mit Übergang zu einer anderen psychischen Erkrankung (z. B. Depression).
  • Wenn eine Anpassungsstörung mit der Entwicklung einer psychischen Komorbidität, beispielsweise einer depressiven Störung oder einer Angststörung, verbunden ist, kann aufgrund dieser eine Einschränkung des Leistungsvermögens auch im quantitativen Bereich resultieren.

Auswirkung der Beeinträchtigung der Aktivitäten auf das Leistungsvermögen

  • Zuletzt ausgeübte Tätigkeit
  • Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
  • Beruf

Desweiteren zählen dazu:

  • Qualitatives Leistungsvermögen
  • Quantitatives Leistungsvermögen
  • Voraussichtliche Dauer der Leistungseinschränkung

Nähere Informationen zu den o. g. Punkten erhalten Sie auf der Seite "Leitfaden für die Erstellung eines sozialmedizinischen Gutachtens".