Deutsche Rentenversicherung

Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue Syndrom

Sozialmedizinische Beurteilung
Stand: 11.07.2025

Sozialmedizinische Beurteilung

ME/CFS stellt eine erhebliche Herausforderung für die sozialmedizinische Einschätzung dar. Aufgrund der oft fehlenden objektivierbaren Befunde, der fluktuierenden Symptomatik und der teils erheblichen funktionellen Einschränkungen ist eine differenzierte Bewertung notwendig. Die Erkrankung betrifft häufig Menschen im erwerbsfähigen Alter und führt nicht selten zu Arbeitsunfähigkeit, Berufsaufgabe und sozialer Isolation.

Aufgrund der besonderen Krankheitsdynamik sind standardisierte Beurteilungsansätze sorgfältig an das Krankheitsbild anzupassen. Eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit sowie aktuelle Kenntnisse über ME/CFS sind unverzichtbar für eine sachgerechte Einschätzung.

Die sozialmedizinische Beurteilung erfolgt auf Grundlage der vorhandenen medizinischen Befunde - wie bei allen anderen Krankheiten auch - nicht aufgrund der Diagnose ME/CFS. Die Sachaufklärung dient entsprechend dem bio-psychosozialen Modell der WHO vornehmlich der Klärung der Funktionsstörungen und der damit verbundenen Störungen auf der Ebene der Aktivitäten sowie den daraus resultierenden Einschränkungen in Bezug auf die Teilhabe. Sie umfasst ebenso die Kontextfaktoren.

Die Sachaufklärung soll so ausgerichtet sein, dass eine Aussage über das quantitative und qualitative Leistungsvermögen getroffen werden kann. Empfohlen wird eine strukturierte Dokumentation:

  • Erfüllte Diagnosekriterien (CCC, IOM), mit Beschreibung der Hauptsymptome
  • Ausschlussuntersuchungen
  • Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung in Bezug auf Teilhabe und Kontextfaktoren
  • Relevanz der PEM, der dysautonomen und kognitiven Symptome für Alltagsgestaltung
  • Eingeschränkte Belastungstoleranz mit Risiko der Verschlechterung bei Überforderung
  • Welche konkreten Einschränkungen bestehen im Alltag und im Erwerbsleben? Liegt eine befristete oder dauerhafte Erwerbsminderung vor?
  • Welche Möglichkeiten bestehen zur medizinischen Rehabilitation?
  • Ist eine Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) möglich und zumutbar?

Eine Herausforderung bei der sozialmedizinischen Beurteilung stellen die fehlenden Biomarker sowie Untersuchungsbefunde dar, die auf einer subjektiven Einschätzung der Betroffenen beruhen. Aufgabe der Gutachter ist es, die geschilderten Beschwerden entsprechend einzuordnen. Eine Hilfestellung bei der Begutachtung kann die oben benannte Einteilung nach Schweregraden darstellen.

Im Rahmen der Begutachtung im Auftrag der DRV ist es Aufgabe des Gutachters, die Beschwerden so weit wie möglich zu objektivieren und auf Konsistenz zu überprüfen.

Sollte eine ausreichende Objektivierung der Beschwerden bei einer einmaligen ambulanten Begutachtung nicht valide gelingen, so sollte erwogen werden die Begutachtung im stationären Setting mit deutlicher Erweiterung der Befundbasis und Möglichkeiten der Beschwerden Validierung, beispielsweise im Rahmen einer Rehabilitation.)Diese Verfahrensweise kann auch erforderlich sein, z.B. um das Vorhandensein und das Ausmaß einer Symptomverschlimmerung nach Anstrengung (Post-Exertional Malaise, PEM) zu erfassen und diese nachvollziehbar zu dokumentieren.


 

Medizinische Rehabilitation

Bei einem leichten Schweregrad besteht in der Regel Reha-Fähigkeit. Bei einem schwerem Schweregrad ist von fehlender Reha-Fähigkeit auszugehen. Bei moderatem Schweregrad ist eine genaue Analyse der vorliegenden Funktionseinschränkungen erforderlich. So sollte z.B. entsprechend der führenden gesundheitlichen Defizite, welche vorwiegend die kognitiven Fähigkeiten oder die motorischen Aktivitäten beeinträchtigen können, eine infrage kommende Rehabilitationsmaßnahme eingeleitet werden. Voraussetzung ist eine spezialisierte Reha-Einrichtung mit Erfahrung in der Behandlung von ME/CFS oder Post-COVID-Syndrom.


 

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben

Mögliche Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) ergeben sich aus den vorliegenden beruflichen Anforderungen unter Berücksichtigung des quantitativen und qualitativen Leistungsvermögens.


 

Leistungsvermögen

Die Beurteilung des quantitativen und qualitativen Leistungsvermögens erfolgt anhand der konkret vorliegenden Funktionseinschränkungen. Die Beurteilung erfordert immer eine individuelle Analyse der Betroffenen. Eine Dokumentation insbesondere von verzögert oder fluktuierend auftretenden Symptomen wie PEM kann im Rahmen einer mehrwöchigen stationären Rehabilitation häufig konkreter und objektiviert erfasst werden, daher bieten hier Leistungen zur Teilhabe neben den therapeutischen Leistungen auch die Möglichkeit der interprofessionellen, sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung.