Grundlagen der sozialmedizinischen Beurteilung
Die sozialmedizinische Beurteilung erfolgt auf verschiedenen Grundlagen. Hierzu gehören insbesondere die (belastungsabhängigen) Bewegungseinschränkungen unter Berücksichtigung der kompensatorischen Möglichkeiten und therapeutischen Optionen und den daraus resultierenden Auswirkungen bei den Aktivitäten und der Teilhabe. Dabei sind Aktivität und Teilhabe immer in der Beeinflussung der individuellen Kontextfaktoren zu betrachten. Die Sachaufklärung soll so ausgerichtet sein, dass eine Aussage über das quantitative und qualitative Leistungsvermögen getroffen werden kann.
Beschreibung der Funktionsstörungen und daraus resultierende Beeinträchtigungen der Aktivitäten
Eine alleinige biomedizinische Betrachtung einer Erkrankung der unteren Extremitäten und des daraus resultierenden Befundes ist für die Begutachtung von Versicherten nicht ausreichend.
Die Altersstruktur hat erheblich zugenommen und damit auch das Spektrum der Erkrankungen von Knochen, Gelenken und Weichteilen, vor allem in Hinsicht auf die Chronifizierung. Davon sind auch die Erwerbstätigkeit (z. B.: Flexirente), die Selbstversorgung und sämtliche andere Lebensbereiche betroffen. Somit gewinnt der biopsychosoziale Aspekt bei der medizinischen Begutachtung von Extremitätenerkrankungen zunehmend an Bedeutung. Um die Versicherten vollumfänglich zu begutachten, spielt die Kenntnis des gesamten Lebenshintergrundes, vor allem mit Blick auf das berufliche Spektrum innerhalb der persönlichen Alltagsbedingungen, eine wichtige Rolle.
Die Nutzung des ICF bietet eine ergebnisorientierte Möglichkeit, die Auswirkungen einer Schädigung der Extremitäten auf verschiedenen Ebenen zu beschreiben. Der Ausgangspunkt bleibt eine Störung von Struktur und / oder Funktion der Extremität. Dieses Gesundheitsproblem, welches mittels ICD10 bei jedem Menschen gleich kodiert wird, kann sowohl in verschiedenen Stadien als auch im Kontext unterschiedlicher Menschen stark variierende Auswirkungen haben. Deswegen inkludiert die ICF zu den Störungen von Struktur und Funktion auch die dazugehörige Störung von Aktivität und Teilhabe.
Die Teilhabe beschreibt dabei das Einbezogen sein in verschiedenen Situationen wie Freizeit-, Familien- und Arbeitsleben. Da für alle Bereiche die aktive Nutzung der unteren Extremität bedeutsam ist, ist hier eine genaue und differenzierte Betrachtung erforderlich. Gerade die Anpassung und der Ausbau der eigenen Wohnung, des Kraftfahrzeuges und des eigenen Haushaltes nehmen bei Extremitätenverletzungen eine Schlüsselrolle ein, um weiter Teilhabe an einem selbstbestimmten Leben zu haben.
Bei der Betrachtung der Teilhabe müssen die positiven und negativen Aspekte differenziert werden. Positiv wäre beispielsweise, dass trotz einer Amputation mit Prothesenversorgung der Versicherte einen vergleichbar normalen Bewegungsumfang hat und damit beispielsweise weiter seinem sportlichen Hobby nachgehen kann. Negativ wäre eine eingeschränkte Beweglichkeit, beispielsweise aufgrund einer komplikationsbehafteten Prothesenversorgung und damit einhergehend der Verlust der Teilhabe an Sportaktivitäten.
In Zusammenhang mit Erkrankungen der unteren Extremität ergeben sich in Abhängigkeit der speziellen Diagnose deutliche Einschränkungen der körperlichen Funktionen:
- Funktionen der Gelenkbeweglichkeit
- Funktionen der Gelenkstabilität
- Funktionen der Beweglichkeit der Knochen
- Funktionen der Muskelkraft
- Funktionen des MuskeltonusFunktionen der Bewegungsmuster beim Gehen
- Mit den Funktionen der Muskeln und der Bewegung in Zusammenhang stehenden Empfindungen
- Funktionen der Bewegung
Auch die Körperstrukturen können von allgemein anerkannten Normen abweichen:
- Fehlstellung und Fehlhaltung der Gliedmaßen
- Kontrakturen der Gliedmaßen
- Fehlende Gliedmaßen
Beeinträchtigung der Teilhabe und Aktivität
- Beeinträchtigung der Selbstversorgung (Ankleiden, Schuhe anziehen)
- Aufrechterhalten persönlicher Beziehungen / von Sozialkontakten (Eheprobleme)
- Mobilitätsbedingte Einschränkungen (Rückzugstendenzen)
- Beeinträchtigung bei Haus- / Gartenarbeit
- Beeinträchtigung im Arbeitsleben
- Beeinträchtigung im Gemeinschaftsleben
- Beeinträchtigungen in der Freizeitgestaltung
Im zweiten Schritt stehen die Kontextfaktoren. Diese können ebenfalls positive als auch negative Auswirkungen auf die Situation haben. Positiv wäre ein barrierefreier Zugang zum Büro oder die Möglichkeit zum Homeoffice, negativ wäre eine fehlende behindertengerechte Umrüstung des Autos und damit einhergehende Probleme bei der Bewältigung des Arbeitsweges und anderer Aktivitäten, bei fehlenden ÖPV-Möglichkeiten.
Zu den Kontextfaktoren zählen:
- Die Verfügbarkeit von Hilfsmitteln (Gehhilfen, Orthesen, Prothesen)
- Die Möglichkeit, Hilfsmittel am Arbeitsplatz zu integrieren (z. B.: Fahrstühle, barrierefreie Zugänge)
- Die Beschaffenheit des Arbeitsplatzes (ergonomisch angepasst, Sitzschalen, Hocker, Stabilitätsgurte, Winkel-adaptierte Sitzflächen)
- Unterstützung durch Hilfspersonen (Begleitpersonen)
- Zugang zu Dienstleistungen von Verbänden und Vereinen
- Einfügen in die individuellen und gesellschaftlichen Wertevorstellungen zu Gesundheit / Krankheit und damit einhergehend die Leistungsfähigkeit (Ist die Einschränkung sichtbar? – führt dies eher zu Unterstützung oder Stigmatisierung?)
Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Kontextfaktoren sowohl Umweltfaktoren als auch personbezogene Faktoren sind. Hierbei sind Umweltfaktoren wie materielle Möglichkeiten, Sozialstatus oder die Einstellung der direkten Umwelt zur Erkrankung zu beachten und zu erfragen.
Des Weiteren sind die personenbezogenen Faktoren anamnestisch zu eruieren. Dies inkludiert allgemeine und physische Merkmale wie z. B. Alter, Geschlecht oder Gewicht. Diese Faktoren spielen sowohl für die Muskelkraft als auch für die kompensatorischen Möglichkeiten der kontralateralen Extremität eine wichtige Rolle. Mentale Faktoren wie Persönlichkeit und kognitive Leistung beeinflussen stark den Willen trotz einer körperlichen Beeinträchtigung eine adäquate Teilhabe zu erleben. In diesem Zusammenhang ist auch die Einstellung von Gesundheit und Krankheit wichtig, da es gerade optimistischen und extrovertierten Menschen leichter fällt, sich an neue Situationen zu gewöhnen und trotz körperlicher Einschränkungen ihr Leben vollumfänglich anzupassen.
Eine wichtige Aufgabe besteht darin, die Schädigung der Körperfunktionen und die Schädigung der Körperstruktur mit der Beeinträchtigung der Aktivität in Zusammenhang zu bringen. Damit ist gemeint, inwieweit die Versicherten bei der Durchführung ihrer berufsbezogenen Aktivitäten und Freizeitaktivitäten eingeschränkt sind oder in gewissen Lebenssituationen oder Lebensbereichen nicht mehr teilhaben können. Zu berücksichtigen ist dabei das Erleben der Versicherten im Alltag, welches keine Korrelation mit dem bildmorphologischen Befund haben muss. Hier ist darauf zu achten, dass die objektivierbaren Untersuchungsbefunde und das bildmorphologische Material keinen stringenten Hinweis auf die Beeinträchtigung der Teilhabe und Aktivität bieten müssen. Es geht vielmehr darum, möglichst objektiv aus der Zusammenschau aller beschriebenen und beobachteten Tatsachen eine realistische individuelle Einschätzung bezüglich der erlebten Beeinträchtigung der Teilhabe zu treffen.
Die Schädigung oder Beeinträchtigung einer Extremität ist keine statische Diagnose, sondern ein dynamischer Prozess, der durch die fördernde Ausweitung positiver Kontextfaktoren beeinflusst werden kann. Ziel sollte dabei sein, Outcome-orientiert die Funktionsfähigkeit einer Person mit einer Schädigung der Extremität so wieder herzustellen und zu entfalten, wie es von gesunden Menschen erwartet wird.
Der Einsatz der Beine und Füße wird von den Menschen als eine solche bedingungslose Selbstverständlichkeit wahrgenommen, dass Einschränkungen auf diesem Gebiet das Gefühl von Hilflosigkeit auslösen können. Alltägliche Gänge und Erledigungen werden gegebenenfalls nur noch mit Schwierigkeiten verrichtet, Rückzugstendenz können daraus resultieren.
Verbindung von Querschnitts- und Längsschnittverlauf
Bei Verletzungen der unteren Extremität gibt es gute objektivierbare Möglichkeiten, die bestehenden Pathologien mit technischen Verfahren darzustellen. Allerdings steht die sichtbare und objektiv quantifizierbare Veränderung nicht immer in direktem Zusammenhang mit der empfundenen Symptomschwere. Gerade bei chronischen Schmerzsyndromen oder nach Amputationen ist der Verlauf sehr individuell. Deshalb ist es umso wesentlicher, die aktuellen Befunde in einen Verlaufskontext zu setzen und im Rahmen der Gesamtentwicklung der Funktionsstörung zu sehen. Momentaufnahmen können erhebliche Abweichungen zeigen.
Es gilt zu beurteilen, wie sich eine Funktionseinschränkung über Monate bzw. Jahre entwickelt hat und ob es episodisch zu Verschlechterungen kommt.
Bei einer deutlichen Diskrepanz zwischen der Einschränkung des Bewegungsumfanges und der Bildmorphologie sollten auch psychische bzw. psychosomatische Gründe und eine Schmerzchronifizierung in Betracht gezogen werden.
Ausschöpfung therapeutischer Optionen
Es ist zu evaluieren, ob alle Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft wurden. Dies bedeutet, auch nicht medikamentöse Therapieverfahren (z. B. Physiotherapie, Akupunktur, Ergotherapie, Sportgruppen, medizinische Trainingstherapie und Eigenübungen) und bisherige Leistungen zur Teilhabe (z. B. medizinische Rehabilitation) zu dokumentieren und deren Ergebnisse darzulegen. Gerade bei Funktionseinschränkungen der Extremitäten besteht ein großes Potenzial, diese im Rahmen einer qualifizierten Rehabilitation durch Training zu verringern. Weiterhin sind schmerz- und psychotherapeutische Behandlung zu erfragen. Gerade bei Verlust von Extremitäten oder chronischen Schmerzsyndromen ist ein psychotherapeutischer Ansatz zur Verarbeitung der Krankheitssituation von großer Bedeutung. Dabei hat die medizinische Rehabilitation, im Sinne einer optimalen medikamentösen und nichtmedikamentösen Therapiezusammenführung, eine bedeutende Schlüsselrolle und kann somit erhebliche klinische Verbesserungen zutage bringen. Dabei sollte im Nachhinein auf einen Übertrag der erlernten und genutzten Strategien in den Alltag geachtet werden.
Medizinische Rehabilitation
Die Leistungsfähigkeit der unteren Extremität kann sich im Lauf eines Lebens durch Unfall- oder Erkrankungsfolgen, aber auch durch den normalen Alterungsprozess sowie durch übermäßige Beanspruchung verändern. Die Folgen können sich in einer Kraftminderung oder in einer Einschränkung des Bewegungsumfanges oder der Bewegungskoordination zeigen. Es kann auch zu einer schnelleren Ermüdung kommen. Werden diese Einschränkungen ignoriert oder nur durch Medikamenteneinnahme, Schonhaltungen oder Ausweichbewegungen kompensiert, kann dies zu einer Symptomverschlechterung führen oder den Allgemeinzustand zusätzlich reduzieren. Gerade bei chronischen Schmerzsyndromen sollte hier auch an eine Entwicklung von Medikamentenabhängigkeiten und an medikamentöse unerwünschte Begleiteffekte gedacht werden.
Versicherten mit Erkrankungen der unteren Extremitäten sollte eine Rehabilitation angeboten werden, wenn trotz leitliniengerechter fachärztlicher Betreuung, körperliche, soziale und/oder psychische Krankheitsfolgen bestehen, welche die Möglichkeit von normalen Aktivitäten bzw. der Teilhabe an der Gesellschaft behindern.
Der Rehabilitationsbedarf im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung ist gegeben, wenn die Folgen einer Erkrankung der unteren Extremität zu Funktionsstörungen mit einer erheblichen Gefährdung oder einer manifesten Einschränkung der Leistungsfähigkeit im Hinblick auf die Teilhabe am Erwerbsleben geführt haben. Für die Beurteilung des Rehabilitationsbedarfs, ebenso wie für die Beurteilung der Rehabilitationsfähigkeit und -prognose, sind objektivierbare (z. B. Röntgenbilder, CT-Bilder, Ultraschall, Messung des Bewegungsmaßes) und subjektive (beschriebene Schmerzstärke, beschriebene Sensibilitätsstörungen, Angst) Parameter zu berücksichtigen. Dabei sind die Funktionseinschränkungen die ausschlaggebenden Grundlagen.
Da es sich bei Erkrankungen der unteren Extremität um vielfältige Entitäten mit häufig chronischen Verläufen handelt, kann die Indikation zu einer Rehabilitation bei demselben Patienten wiederholt bestehen.
Bei Erkrankung der unteren Extremität besteht Rehabilitationsbedarf, sofern eine oder mehrere der folgenden Voraussetzungen erfüllt sind (unter Berücksichtigung psychosozialer Komorbiditäten):
- Chronifizierung der Schmerzen
- Zunehmendes, therapieresistentes Funktionsdefizit
- Gefährdung der Erwerbsfähigkeit
- Notwendigkeit von rehabilitationsspezifischen nichtmedikamentösen Therapieverfahren, wenn diese ambulant nicht ausreichend sind (Trainingstherapie, Physiotherapie, Schulung, Prothesenanpassung- und Gewöhnung und psychosoziale Hilfen)
Leistungsvermögen
Für das muskuloskelettale System gibt es übergreifend neun Begutachtungskriterien, welche sowohl in das qualitative als auch quantitative Leistungsvermögen einbezogen werden müssen.
1. Stabilität
- Hohe axiale Gewichtsbelastung der unteren Extremität
- Dadurch hohe Relevanz für Knochen-/ Knorpel-/ Gelenk - Veränderungen
2. Beweglichkeit
- Zusammenspiel der Gelenke im Hinblick auf das Einnehmen spezieller Körperhaltungen am Arbeitsplatz.
- Eine ausreichende Funktionalität von Hüft- und Kniegelenken ist auch für sitzende Körperhaltungen zu fordern.
- Ein Extensionsdefizit schränkt das Gangbild ein.
- Bei einer Beugefähigkeit von über 80° ist das Sitzen im Allgemeinen nicht wesentlich eingeschränkt.
- Ein Streckdefizit im Knie kann bis zu 5° gut kompensiert werden, ab 20° kommt es zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Gangabwicklung.
- Eine Beugefähigkeit von 90° im Hüftgelenk und im Kniegelenk reicht für den Einsatz im alltäglichen Leben.
- Bei einer erheblichen Einschränkung der Beugefähigkeit in Hüft- und Kniegelenk gibt es Einschränkungen beim Treppensteigen, bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel sowie beim Einnehmen des tiefen Hocksitzes.
Beim Sprunggelenk ist die Stabilität bedeutsamer als die endgradige Beweglichkeit. - Eine leichte Beeinträchtigung der Dorsalextension im oberen Sprunggelenk von 10° wird gut toleriert, darüber hinaus kann es zu Schwierigkeiten des Abrollvorgangs des Fußes kommen.
- Bis zu 25°-30° Flexion im Sprunggelenk genügen für ein unauffälliges Gangmuster.
Beeinträchtigung im unteren Sprunggelenk führen zur Behinderung der Fußkantung und damit zur Beeinträchtigung beim Gehen auf unebenem Gelände. - Eine Streckbehinderung im Großzehengrundgelenk und auch in den langen Zehengrundgelenken beeinträchtigen das Abrollen des Fußes in der letzten Gangphase.
3. Muskulatur
- Der Muskelumfang ist ein empfindlicher und im Seitenvergleich objektivierbarer Parameter für den zeitlichen Einsatz der betroffenen Extremität.
- Die Tonus-Bestimmung ist immer abhängig von der Mitarbeit des Patienten.
- Auch klinisch deutlich sichtbare Defekte der Oberschenkelmuskulatur, z. B. bei Zustand nach Muskelfaserriss, sind bezüglich der Belastbarkeit in den meisten Fällen irrelevant.
4. Gelenkflächen
- Inkongruenzen sind bei der unteren Extremität aufgrund der hohen axialen Belastung von großer Bedeutung.
- Es kommt zu belastungsabhängigen Schmerzen und zu einem Auftreten bzw. Fortschreiten einer Arthrose.
5. Achsenabweichungen
- Meist idiopathisch oder posttraumatisch.
- Aufgrund der axialen Belastung häufig konsekutiv asymmetrische Gelenksbeanspruchung mit Begünstigung einer sekundären Arthrose.
- Durch resultierende vermehrte muskuläre Kraftanforderung kann es auch gehäuft zu Insertionstendinopathien kommen.
6. Längendifferenzen
Beinlängenunterschiede ab 1 cm sind ausgleichsbedürftig. Sie führen zu einer asymmetrischen Belastung der Iliosakralgelenke und Kompensation der Wirbelsäule und damit zu entsprechenden Schmerzbildern.
Beinlängendifferenzen bis zu 3 cm sind durch entsprechende Schuhzurichtungen problemlos ausgleichbar.
7. Reizzustände
- Zeigen sich durch Funktionseinschränkungen mit Druckschmerzempfindlichkeit der entsprechenden Gelenke, häufige und rezidivierende Schwellungen oder Insertionstendinopathien.
8. Amputationen (s.a. Krankheitsbild "Chronische Schmerzen")
Der Verlust von Teilen der unteren Extremität bringt immer eine deutliche Einschränkung der quantitativen Geh- und Stehleistung mit sich.
Für die gesamte Mobilität ist ein belastbares kontralaterales Bein von Bedeutung.
Gezielte Prothesenanpassung und -schulung hat oberste Priorität.
Sozialmedizinisch sind im Allgemeinen meist nur noch körperlich leichtere Tätigkeiten in überwiegend sitzender Körperhaltung durchzuführen. Dies aber ohne zeitliche Einschränkung.
Bei gleichzeitigem Verlust beider Beine im Oberschenkelbereich verschlechtert sich die Aussicht einer Prothesenanpassung. Dann ist das Ziel ein Rollstuhltraining.
9. Chronisches Schmerzsyndrom der unteren Extremität
Aufgrund der Komplexität dieser eigenen Krankheitsentität wird diese gesondert betrachtet (Entität: Chronische Schmerzen).
Begutachtung der Hüfte und des Oberschenkels
Gravierende Störungen der Hüftgelenksfunktion beeinträchtigen das körperliche Leistungsvermögen und die Gehstrecke.
Eine Gehstrecke von täglich 4 x mindestens 500 m am Stück in jeweils unter 20 Minuten sind eine Mindestleistung dafür, dass der Arbeitsplatz in adäquater Zeit erreicht werden kann.
Der kontralateralen Seite kommt eine große Bedeutung in der Kompensation zu.
Im Allgemeinen sind hinsichtlich des qualitativen Leistungsvermögens vorrangig Tätigkeiten, welche überwiegend im Sitzen durchgeführt werden, gut möglich. Dabei sollten längere Geh- und Stehbelastung vermeiden werden und die Gelegenheit zum Haltungswechsel vorhanden sein. Eine zusätzliche quantitative Limitierung ist bei gleichzeitig bestehender erheblicher Affektion der Rumpfwirbelsäule denkbar, jedoch eher selten.
Die durch degenerative Erkrankungen hervorgerufenen klinischen Beschwerden sind in aller Regel lange Zeit einer konservativen Behandlung zugänglich. Bei deutlicher klinischer Beeinträchtigung und ausgeprägter radiologischer Veränderung bietet der endoprothetische Gelenkersatz eine gute Möglichkeit zur Wiederherstellung einer zumeist schmerzfreien und vollen Funktionalität sowie Belastbarkeit.
Fehlstellungen der Hüfte
Ätiologie
- Angeborene oder eine während des Knochenwachstums erworbene Verbiegung des Oberschenkelhalses
- Häufig bilateral
- Coxa valga > 140°
- Coxa vara < 115°
- Coxa antetorta: Ventralverdrehung des Schenkelhalses in der Transversalebene
Symptome
- Abhängig von den Fehlstellungen (einseitig oder beidseitig): Hinken und gestörte Gangbilder
Therapie
- Umstellungsosteotomie, Totalendoprothese bei fortgeschrittenem Gelenkverschleiß
Qualitative und quantitative Einschränkungen
- In der Regel keine wesentliche Beeinträchtigung des Leistungsvermögens und der Gehstrecke.
- Falls rezidivierende Belastungsbeschwerden vorliegen, sollten keine hüftgelenksbeanspruchenden Bewegungsabläufe durchgeführt werden (langes Stehen und Gehen, häufiges Treppensteigen über mehr als eine Etage oder Gehen auf unebenem Gelände).
Hüftdysplasie
Ätiologie
- Kongenitale Reifungsstörung der Hüftpfanne mit Subluxationsneigung.
- 40-45 % bilateral, meist kombiniert mit einer Coxa valga antetorta.
- Bei Behandlungsbeginn jenseits des ersten Lebensjahres kann eine Gelenksinkongruenz verbleiben.
Symptome
- Spätfolge ist eine Dysplasiekoxarthrose.
Therapie
- Ggf. operative Versorgung mit pfannenverbessernden Eingriffen u. U. verbunden mit Umstellungsosteotomie oder Therapie der Koxarthrose, ggf. Totalendoprothese.
Qualitative und quantitative Einschränkungen
- Abhängend vom Ausmaß der Koxarthrose.
Insertionstendopathien der Glutealmuskulatur
Ätiologie
- Insertionstendopathie im Bereich des Trochanters (durch Verletzungen, Haltungsschäden oder rheumatische Erkrankungen).
Symptome
- Druckschmerz
- Dehnungsschmerz
- Verspannungen
Therapie
- Zunächst konservativ (Sportpause und Krankengymnastik)
- Lokale Infiltration von Kortikoiden möglich
Qualitative und quantitative Einschränkungen
- Im Allgemeinen verbleibt keine wesentliche Einschränkung des Leistungsvermögens.
- Bei chronischen Verläufen sollten hüftgelenksbelastende Bewegungsmuster vermieden werden.
Coxa saltans
Ätiologie
- Idiopathisches Schnappen des Tractus iliotibialis am Trochanter major während der Hüftbeugung.
- Bei chronischen Verläufen Entwicklung einer Bursitis trochanterica.
Symptome
- Schmerzen des Tractus iliotibialis
Therapie
- Lokal physikalisch
- Lokale Infiltration
Qualitative und quantitative Einschränkungen
- Die Bewegungsabläufe, welche zum Tractus Schnappen führen, sollten limitiert werden.
Hüftkopfnekrose
Ätiologie
- Meist kranioventral lokalisierter Knocheninfarkt des Femurkopfes.
- Häufig zeitlich versetzt bilateral auftretend.
- Männer sind häufiger als Frauen betroffen.
- Erkrankungsalter: im 30. bis 50. Lebensjahr
- Auslöser ist häufig eine Durchblutungsstörung der Arteria circumflexa femoris.
- Risikofaktoren: Fettstoffwechselstörungen, Alkohol- und Nikotinabusus, längere systemische Kortikosteroidtherapie, HIV-Infektionen.
Symptome
- Belastungsschmerzen bei noch guter Gelenkfunktion.
- Im Verlauf von 1-2 Jahren Ausbildung einer Arthrose möglich.
Therapie
- Entlastung und Schmerztherapie in frühen Stadien (ARCO-Klassifikation).
- Gelenkerhaltende Operationen sind allenfalls im Frühstadium erfolgreich.
- Medikamentengabe, teilweise im off label use (iloprost) Bisphosphonate.
- Hüfttotalendoprothese in fortgeschrittenen Stadien.
Qualitative und quantitative Einschränkungen
- Das Leistungsvermögen hängt vom Ausmaß der Destruktion des Hüftkopfes und der resultierenden Funktion ab. Unbehandelte, fortgeschrittene Stadien sind mit einem vollständigen Funktionsverlust des Gelenkes verbunden.
Protrusio Acetabuli
Ätiologie
- Idiopathisch: unphysiologisch tief ins kleine Becken hineinragende Hüftpfanne durch Trauma, Koxarthrose, zu tiefe Pfannenposition nach Hüft-TEP-Implantation.
Symptome
- Eingeschränkte Beweglichkeit
- Schmerzen
Therapie
- Zunächst symptomatisch konservativ.
- Im Verlauf Umstellungsosteotomie möglich.
- Revision der Pfannenkomponente nach Hüft-TEP Implantation
Qualitative und quantitative Einschränkungen
- Einschränkung des qualitativen Leistungsvermögens abhängig von der Beweglichkeit und vom Ausmaß einer möglichen Koxarthrose.
Koxarthrose
Ätiologie
- Im jüngeren Lebensalter vor allem posttraumatisch oder sekundär dysplastisch.
- Epiphysiolyse oder Morbus Perthes im Kindesalter
- Femoroacetabuläres Impingementsyndrom
- Im höheren Lebensalter meist idiopathisch.
Symptome
- Trotz auffälligen Röntgenbilds meist lange subjektive Kompensation.
- Belastungsschmerz, ausstrahlend ins Kniegelenk und in die Leistenregion.
- Zunehmende Einschränkung zunächst der Innenrotation, später der Außenrotation, dann Abduktion und Adduktion, zuletzt der Extension.
- Kompensatorische Hyperlordose der Lendenwirbelsäule mit typischem Gangbild.
Therapie
- Zunächst konservativ medikamentös, physikalisch und krankengymnastisch.
- Bei Vorliegen eines Femoroacetabulären Impingementsyndromes (Cam- oder Pincer-Impingement kann im Frühstadium durch einen arthroskopischen Eingriff die Gelenkfunkion verbessert werden
- Bei jüngeren Patienten kann eine intertrochantäre Osteotomie in Erwägung gezogen werden.
- Im Falle fortgeschrittener Destruktionen: Endoprothese des Hüftgelenkes.
Qualitative und quantitative Einschränkungen
- Vermeiden von schweren oder ausschließlich mittelschweren körperlichen Tätigkeiten
- Vermeiden von Heben und Tragen über 10-15 kg
- Vermeiden von Arbeiten in Hock- oder Bückstellung bzw. knieender Körperhaltung
- Vermeiden von Tätigkeiten in Vorbeugehaltung
- Vermeiden von Arbeiten auf unebenen Geländen oder mit häufigen Vibrationen
- Vermeiden von Besteigen von Leitern oder Gerüsten
- Vermeiden von häufigem Treppensteigen
- Vermeiden von ausschließlicher Steh- und Gehbelastung
- Vermeiden von Arbeiten unter Kälte, Nässe und Zugluft
- Im Allgemeinen ist von einem über 6-stündigen Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in überwiegend sitzender Körperhaltung auszugehen.
Zustand nach Frakturen
Z. n. Beckenfrakturen
- Frakturen des Os ileum, Os pubis und Os sacrum heilen meist ohne Folgen für die Beckenstabilität aus.
- Bei Instabilität und Gelenkbeteiligung können operative Maßnahmen erforderlich sein und es können Instabilitäten verbleiben.
- Arbeiten mit längerem Gehen und Stehen sowie Tätigkeiten auf unebenem Gelände können eingeschränkt sein.
Z. n. Femurfrakturen
- Von entscheidender Bedeutung sind nach der knöchernen Ausheilung der Fraktur die muskuläre Funktion und die Funktionalität der angrenzenden Gelenke bei der Möglichkeit einer konsekutiven Arthrose.
- Frakturen des Femurschaftes können zu Verkürzungen und Fehlstellungen führen.
- Eine Verkürzung von bis zu 3 cm ist ausgleichbar und somit selten relevant.
- Ein leichter Achsenfehler von bis zu 15° führt in der Regel zu keiner Leistungsminderung.
- Limitierend ist die Arthrose, die durch die axiale Belastung sowohl in Hüftgelenk als auch Kniegelenk begünstigt werden kann.
- Nach einer Marknagelung kommt es gelegentlich zu Weichteilverknöcherungen oberhalb des Trochanters, welche bei längerem Sitzen zu Schmerzen führen können.
Folgen operativer Eingriffe
- Das Leistungsvermögen nach operativen Eingriffen wird durch die muskuläre Wiederherstellung, die Gelenkstellung und eine mögliche Koxarthrose bestimmt.
- In der Regel besteht nach diesen Eingriffen ein über 6-stündiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Arbeiten mit der Möglichkeit zum Haltungswechsel.
- Qualitative Leistungsminderungen können in Abhängigkeit der Gelenkschäden und Fehlstellungen auftreten.
Endoprothese des Hüftgelenkes
- Postoperative Rehabilitation (Anschlussrehabilitation)
- Für die körperliche Belastbarkeit ist die Funktionalität des Gelenkes entscheidend. Es kann zu Restbeugekontrakturen kommen, seltener zu einer eingeschränkten Außenrotation.
- Eine verbleibende Beinlängendifferenz kann über das Schuhwerk ausgeglichen werden.
- Im Allgemeinen ist ein über 6-stündiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten möglich (Begrenzungen siehe Koxarthrose).
- Rotationsfehler können die Gehfähigkeit beeinträchtigen.
- Tiefes Sitzen aufgrund der Luxationsgefahr vermeiden.
Girdlestone-Hüfte
- Operative Entfernung von Femurkopf und -hals z. B. bei Infektionen.
- Ein Fortbewegen ohne Gehhilfe ist im Allgemeinen über kürzere Strecken möglich.
- Bei persistierender Infektion im Sinne einer Fistelung ist von einem aufgehobenen Leistungsvermögen auszugehen.
- Nach Infektionsberuhigung kann eine Hüft-TEP in Betracht gezogen werden und es sind leichte Tätigkeiten in ganz überwiegend sitzender Körperhaltung noch denkbar.
- Für die Zeit der Girdlestone Situation im Rahmen eines zweizeitigen (septischen) Hüft-TEP Wechsel besteht zwischen den Operationen im Allgemeinen ein aufgehobenes Leistungsvermögens und keine Wegefähigkeit.
Begutachtung von Kniegelenk und Unterschenkel
Gravierende Störung der Kniegelenksfunktion können das körperliche Leistungsvermögen und die Gehstrecke beeinträchtigen.
Eine Gehstrecke von täglich 4 x über 500 m am Stück in jeweils unter 20 Minuten sind eine Mindestleistung dafür, dass der Arbeitsplatz in adäquater Zeit erreicht werden kann.
Der kontralateralen Seite kommt eine große Bedeutung in der Kompensation zu. Im Allgemeinen sind hinsichtlich des qualitativen Leistungsvermögens vorrangig Tätigkeiten, welche überwiegend im Sitzen durchgeführt werden, gut möglich. Dabei sollten längere Geh- und Stehbelastung vermieden werden und die Gelegenheit zum Haltungswechsel vorhanden sein.
Die durch degenerative Erkrankungen hervorgerufenen klinischen Beschwerden sind in aller Regel lange Zeit einer konservativen Behandlung zugänglich. Die operativen Behandlungsstrategien können arthroskopische Knorpelplastiken, Umstellungsosteotomien und endoprothetische Versorgungen sein.
Bei deutlicher klinischer Beeinträchtigung und ausgeprägter radiologischer Veränderung bietet der endoprothetische Gelenkersatz eine gute Möglichkeit zur Wiederherstellung einer vollen und schmerzfreien Funktionalität und auch Belastbarkeit.
Fehlstellungen des Knies
Ätiologie
- Wachstumsstörungen
- Unfälle
- entzündlich-rheumatische Erkrankungen
- Tumore
- Lähmungen
- Übergewicht
- (angeborene) Systemerkrankungen oder Stoffwechselerkrankungen
Symptome
- Schmerzen
- Reizzustände mit Gelenkschwellung, Erguss und / oder Meniskopathie
- Varus- und Valgus-Fehlstellungen mit asymmetrischer axialer Belastung des Kniegelenkes können zur Gonarthrose führen.
Therapie
- Medikamentös und physikalisch.
- Sohlenranderhöhung innen oder außen.
Qualitative und quantitative Einschränkungen
- Wird bestimmt durch bestehende Funktionseinschränkungen und durch eine mögliche Gonarthrose.
Gonarthrose
Ätiologie
- Idiopathisch
- Posttraumatisch
- Entzündlich-rheumatische Genese
- Dispositionelle Veranlagung
- Beinachsenfehler
- traumatische Vorschädigung des Gelenkes
- Übergewicht
- Stoffwechselstörungen
Symptome
- Knieschmerzen beim Treppensteigen und Gehen auf unebenem Gelände und Treppabsteigen
- Verstärkte Beschwerden beim Tragen schwerer Gegenstände.
- Schmerzen, die zu Beginn der Bewegung stark sind, dann nachlassen und bei anhaltender Belastung wieder auftreten.
- Schmerzen hinter der Kniescheibe nach langem Sitzen.
Therapie
- Gelenkerhaltende Therapie, zunächst konservativ.
- Bei frustraner konservativer Therapie, je nach Ausmaß der degenerativen Veränderungen: Arthroskopie mit Knorpelplastik, Knorpeltransplantat, Umstellungsosteotomie oder Endoprothetik.
Qualitative und quantitative Einschränkungen
- Um ein Fortschreiten der Arthrose hinauszuzögern, sollten kniegelenksbelastende Aktivitäten vermieden werden.
- Im Allgemeinen leichte bis mittelschwere Tätigkeiten, überwiegend im Sitzen mit vermeiden von ständiger Geh- und Stehbelastung.
- Vermeiden von Heben und Tragen von Lasten über 10-15 kg.
- Vermeiden von Arbeiten in Bück- oder Hockstellung.
- Vermeiden von Arbeiten im Knien.
- Kein Arbeiten auf unebenem Gelände oder mit häufigen Vibrationen
- Vermeiden von Besteigen von Leitern und Gerüsten.
- kein häufiges Treppensteigen.
- Vermeiden von Exposition von Zugluft, Kälte oder Nässe.
- Bei dekompensierten Beschwerdebildern besteht eventuell auch eine quantitative Leistungseinschränkung.
Meniskusläsionen
Ätiologie
- Überwiegend degenerativ
- selten traumatisch
Symptome
- Belastungsabhängiges Schmerzbild
- Reizzustände mit Ergussbildung
- Gelenkblockaden
Therapie
- Arthroskopisch
Qualitative und quantitative Einschränkungen
- Zunächst keine Einschränkung, lange Zeit gut kompensierter Zustand.
- Später kann eine mögliche Gonarthrose den Verlauf bestimmen.
Retropatellararthrose
Ätiologie
- Idiopathisch
- bei Beinachsenfehlern
- posttraumatisch
Symptome
- Belastungsabhängige Schmerzen
- Krepitation
Therapie
- Konservativ: z. B. Orthese, ggf. Korrektur OP, Knorpel OP, Patellofemoraler
- Gelenkersatz
Qualitative und quantitative Einschränkungen
- Vermeiden von ausschließlicher Steh- und Gehbelastung.
- Vermeiden von Arbeit auf unebenem Gelände.
- Vermeiden von häufigem Treppensteigen.
- Vermeiden von Besteigen von Leitern oder Gerüsten.
- Vermeiden von Hockstellung.
- Vermeiden von Arbeiten unter Kälte, Nässe oder Zugluft.
- Vermeiden von häufigem Wechsel zwischen Stehen und Sitzen.
- Tragen von flachem Schuhwerk empfohlen.
- Die Gehstrecke und Treppensteigen können bei ausgeprägter degenerativer Veränderung eingeschränkt sein.
Patellainstabilität
Ätiologie
- Angeborene Fehlform oder Banddeformitäten.
- Posttraumatisch nach diversen Luxationen.
Symptome
- Schmerzen im Akutstadium, bei rezidivierenden Kniescheibenluxationen.
- Gefahr der sekundären Retropatellararthrose.
Therapie
- Symptomatisch, ggf. Orthese/ Korrektur/ Umstellung/ Plastik
Qualitative und quantitative Einschränkungen
- Entscheidend ist die Ausprägung einer eventuellen Entstehung der Retropatellararthrose und das Ausmaß der Instabilität.
Osteochondrosis dissecans
Ätiologie
- Subchondrale aseptische Knochennekrose im Kindes- und Jugendalter
- Posttraumatisch
Symptome
- Belastungsabhängige Schmerzen
- Gelenkdissektat
Therapie
- Symptomatisch, eventuell temporäre Entlastung.
- Bei frischer Dissektion Versuch der Refixation.
- Im Spätstadium autologe Knorpelknochenplastik oder Spongiosaplastik in Verbindung mit Knorpeltransplantation.
Qualitative und quantitative Einschränkungen
Die Belastbarkeit ist abhängig vom Bewegungsausmaß des betroffenen Kniegelenkes und einer möglichen Entstehung einer Gonarthrose.
M. Ahlbäck
Ätiologie
- Idiopathische segmentale Osteonekrose, am häufigsten des inneren Femurkondylus.
- Selten auch nach systemischer Kortikosteroidtherapie.
Symptome
- Plötzlich erhebliche Ruhe- und Belastungsschmerzen.
- Gelenkschwellung und -erguss.
- Zunehmende arthrotische Veränderungen.
Therapie
- Im Frühstadium symptomatisch mit Entlastung.
- Im Spätstadium eventuell endoprothetischer Ersatz.
Qualitative und quantitative Einschränkungen
- Die Belastbarkeit ist abhängig vom Bewegungsausmaß des betroffenen Kniegelenkes und einer möglichen Entstehung einer Gonarthrose.
Primäre synoviale Chondromatose
Ätiologie
- Benigne Neopplasie der subsynovialen Schicht mit Knötchen aus hyalinem Knorpel an Gelenken, Sehnenscheiden und Bursen. Bildung von freien Gelenkkörpern.
Symptome
- Lokale Schmerzbilder
- Gelenkerguss
- Gelenkblockaden
Therapie
- Radikale Synovektomie mit Entfernung sämtlicher Gelenkkörper, möglichst arthroskopisch.
Qualitative und quantitative Einschränkungen
- Die Belastbarkeit ist abhängig vom Bewegungsausmaß des betroffenen Kniegelenkes und einer möglichen Entstehung einer Gonarthrose.
Knieinstabilität
Ätiologie
- Meist posttraumatische unzureichende Stabilität der Seitenbänder bzw. Kreuzbänder.
- Sehr selten idiopathische Bandlaxizität.
Symptome
- Belastungsabhängige Schmerzen
- Umknickneigung und Unsicherheitsgefühl
Therapie
- Krankengymnastische Behandlung zum Aufbau der Kniegelenksstabilisierenden Muskulatur
- Orthese
- Bandplastische und rekonstruktive Eingriffe
Qualitative und quantitative Einschränkungen
- Leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten sind im Allgemeinen ohne zeitliche Einschränkung durchführbar
- Vermeidung von Hocken und Bücken
- Vermeiden von Gehen auf unebenem Gelände
- Vermeiden von Arbeiten auf Leitern und Gerüsten
- Vermeiden von häufigem Begehen von Treppen
- Vermeiden von Heben und Tragen von Lasten über 10-15 kg
- Vermeiden von ausschließlich gehender und stehender Tätigkeit
- Die Gehstrecke ist in aller Regel nicht wesentlich eingeschränkt
Morbus Osgood Schlatter
Ätiologie
- sportbedingte oder idiopathische aseptische Knochennekrose der Tuberositas tibiae
- im Wachstum
Symptome
- Lokaler Belastungsschmerz
- Druckbedingte Schwellung
Therapie
- Temporäre Schonung
- Operative Entfernung bei verbleibender Prominenz der Tuberositas tibiae (nur in Ausnahmefällen)
Qualitative und quantitative Einschränkungen
- Beim Arbeiten eventuell Tragen einer abpolsternden Schutzkappe
Achillessehnenruptur
Ätiologie
- Nicht zwingend adäquates Trauma vorausgehend
- Häufig bei gegebener degenerativer Vorschädigung und bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises
Symptome
- Akuter Schmerz bei typischem "Knall"
- Zehenspitzenstand häufig unmöglich
- Lokale Druckdolenz und Schwellung mit tastbarer Gewebelücke
Therapie
- Konservativ durch Ruhigstellung und anschließender Physiotherapie
- Operation
Qualitative und quantitative Einschränkungen
- In der Regel keine wesentliche Leistungseinschränkung bei Ausheilung. Chronische Rupturen verbleiben eingeschränkt in der Funktion
Folgen von Frakturen
Frakturen im Bereich des Kniegelenkes
- Nach einer Schädigung der tragenden Gelenkflächen kann eine präarthrotische Deformität verbleiben.
- Die qualitativen und quantitativen Einschränkungen können von der Gonarthrose bzw. Retropatellararthrose abhängig sein.
Schaftfraktur des Unterschenkels
- Eine Ausheilung unter leichter Verkürzung sowie geringe Achsabweichung bis 5° sind klinisch kaum relevant.
- Im Falle stärkerer Achsfehler resultiert eine Fehlbelastung mit Begünstigung der Entwicklung einer sekundären Arthrose sowohl im Sprunggelenk als auch im Knie mit entsprechender qualitativer Einschränkung.
Folgen operativer Eingriffe
Mögliche qualitative und quantitative Einschränkungen nach Patellaektomie
- Es kann eine Beeinträchtigung der Gang- und Standsicherheit verbleiben, z. B. beim Treppensteigen und beim Aufstehen aus der sitzenden Körperhaltung bzw. Aufrichten aus der Hocke.
- Leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten in überwiegend sitzender Körperhaltung mit zeitweiser Geh- und Stehbelastung sind max. über 6 Stunden zumutbar.
- Vermeiden von Heben und Tragen über 10 kg
- Vermeiden von Hock- oder Bückstellung
- Vermeiden von Arbeiten mit häufigem Wechsel zwischen Sitzen und Stehen bzw. Gehen
- Die Gehstrecke kann beeinträchtigt sein, in der Regel nicht sozialmedizinisch relevant
Mögliche qualitative und quantitative Einschränkungen nach Endoprothese des Kniegelenkes
- Für die Beurteilung der körperlichen Belastbarkeit ist die Funktionalität wesentlich
- Ein Streckdefizit größer 10° ist ungünstig für die Gangabwicklung
- Ein Beugedefizit auf unter 90° kann ungünstig beim Sitzen sein
- Im Allgemeinen besteht ein über 6-stündiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten
- Vermeiden von einseitiger Geh- und Stehbelastung, überwiegende sitzende Tätigkeit
- Vermeiden von Gehen auf unebenem Gelände, kein Besteigen von Leitern oder Gerüsten, kein häufiges Treppensteigen
- Vermeiden von Arbeiten in gebückter Haltung, keine Arbeiten im Hocksitz
- Vermeiden von Heben und Tragen von Lasten über 10 kg
- Vermeiden des Besteigens von Leitern und Gerüsten
- Vermeiden von Nässe, Kälte, Zugluft, Vibrationsbelastungen
Mögliche qualitative und quantitative Einschränkungen nach Arthrodese des Kniegelenkes
- Nach komplikationslosem Verlauf ist das betroffene Bein in der Regel schmerzarm und voll belastbar
- Die Gangabwicklung ist nur mäßig behindert
- Beim Sitzen resultiert eine deutliche Beeinträchtigung
- Leichte und gelegentlich mittelschwere körperliche Tätigkeiten ohne ständig gehende und stehende Körperhaltung sind in der Regel ohne zeitliche Einschränkung verrichtbar
- Vermeiden von Arbeiten auf unebenem Gelände, keine Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, kein häufiges Begehen von Treppen
- Vermeiden von Arbeiten in Hock- oder Bückstellung
- Aufgrund der Beeinträchtigung des Sitzens ist unter ergonomischen Gesichtspunkten ein Arthrodesestuhl erforderlich
Begutachtung von Sprunggelenk und Fuß
Bei der Begutachtung des Sprunggelenkes steht die Stabilität deutlich vor der Funktionalität. Auch hier sind einzelne Kriterien, wie die axiale Belastbarkeit der Extremität, die Gangsicherheit und die Ökonomie des Gangablaufes, wichtige Faktoren. Es muss untersucht werden, inwiefern Standsicherheit besteht und welche Gehstrecke noch geleistet werden kann.
Arthrose OSG/USG
Ätiologie
- Meist posttraumatisch.
- Selten durch Erkrankung des rheumatischen Formenkreises.
Symptome
- Beschwerden vor allem bei offenem Schuhwerk und bei Gehen auf instabilem Untergrund
- Bewegungseinschränkung
- Schwellneigung
Therapie
- Medikamentös und physikalisch
- Zunächst konservative Optionen ausschöpfen: Schuhzurichtungen in Form von Abrollhilfen, eventuell orthopädisches Schuhwerk.
- Bei Beschwerdepersistenz arthroskopische / operative Therapien
Qualitative und quantitative Einschränkungen
- Tragen von speziellem Schuhwerk
- Vermeiden von Arbeiten in ständig gehender und / oder stehender Körperhaltung
- Vermeiden von häufigen Tätigkeiten im Hocksitz
- Vermeiden von Gehen auf unebenem Gelände
- Vermeiden von Besteigen von Leitern und Gerüsten
- Vermeiden von Nässe, Kälte, Zugluft, Vibrationsbelastungen
- In den meisten Fällen können leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mit der Möglichkeit des häufigeren Einnehmens einer sitzenden Arbeitshaltung 6 Stunden und mehr verrichtet werden.
Instabilität des Sprunggelenkes
Ätiologie
- Angeborene Laxizität
- posttraumatisch
Symptome
- Gang- und Standunsicherheit
- Neigung zu rezidivierenden Distorsionen
- Belastungsabhängige Schmerzen und Schwellung
Therapie
- Stabiles Schuhwerk eventuell mit z. B. Sohlenaußenranderhöhung
- Orthese
- Operative Bandplastik in Ausnahmefällen
Qualitative und quantitative Einschränkungen
- Vermeiden von Gehen auf unebenem Gelände
- Vermeiden von Besteigen von Leitern und Gerüsten
- Vermeiden von ständigem Stehen und Gehen
- Die Gehstrecke ist beim Tragen von adäquatem Schuhwerk im Allgemeinen nicht beeinträchtigt
Spitzfuß
Ätiologie
- Bei peripheren Peroneusläsionen
- Kongenitale Fußdeformitäten
- Kontraktionen nach Trauma und / oder neurologischen Schäden
Symptome
- Unfähigkeit zur aktiven Dorsalextension
Therapie
- Bei schlaffem Spitzfuß reicht in der Regel das Tragen einer Fußheberorthese (Heidelberger Winkel).
- Bei kontraktem Spitzfuß sind spezielle orthopädische Schuhzurichtungen erforderlich.
- Operative Korrektur
Qualitative und quantitative Einschränkungen
- Tragen von orthopädischem Schuhwerk bzw. unterstützende Orthesen
- Vermeiden von Arbeiten auf unebenem Gelände
- Vermeiden von Besteigen von Leitern oder Gerüsten
- Gehstrecke kann in Einzelfällen beeinträchtigt sein
- Einschränkung durch Arthrose möglich
Fehlstellungen des Knies
Ätiologie
- Kongenitale Fußdeformität
Symptome
- Erhöhte Belastung des Vorfußes
- Verändertes Gangbild
- Knie- oder Hüftschmerzen durch Fehlbelastung
Therapie
- Operative Korrektur
- In der Regel verbleibt eine Fußfehlform mit Belastungsschmerzhaftigkeit und Beeinträchtigung der Gangabwicklung
Qualitative und quantitative Einschränkungen
- Schuhe mit ergonomisch geformten /orthopädischem Fußbett, in Einzelfällen ist orthopädisches Schuhwerk erforderlich
- Gehstrecke kann in Einzelfällen beeinträchtigt sein
- Einschränkung durch Arthrose möglich
Folgen von Frakturen
- Knöchelfrakturen verheilen, abhängig von der Form und Schwere der Verletzung, häufig mit geringen Folgen.
- Talus- oder Calcaneusfrakturen können trotz operativer Rekonstruktion zu erheblichen Funktionseinschränkungen mit Sekundärarthrosen führen.
- Isolierte Mittelfußfrakturen ohne Gelenkbeteiligung bleiben meist ohne Konsequenzen, gegebenenfalls Einlagen mit individueller Fußbettung.
- Komplexe Verletzungen im Mittelfuß können zu erheblichen Einschränkungen führen.
Folgen operativer Eingriffe
Mögliche qualitative und quantitative Einschränkungen nach Endoprothese des oberen Sprunggelenkes
- In der Regel können leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten über 6 Stunden verrichtet werden
- Überwiegend sitzende Körperhaltung, kein langes Stehen oder Gehen
- Vermeiden von Gehen auf unebenem Gelände
- Vermeiden von Besteigen von Leitern oder Gerüsten
- Vermeiden von häufigem Begehen von Treppen
- Vermeiden von Arbeiten in Hock- oder Bückstellung
- Vermeiden von Nässe, Kälte, Zugluft, Vibrationsbelastungen
Mögliche qualitative und quantitative Einschränkungen nach Arthrodese des oberen Sprunggelenkes
- Bei komplikationslosem Verlauf resultiert ein voll und schmerzfrei belastbares Bein.
- Es kann eine Unmöglichkeit der Fußkantung bei erhaltener Plantarflexion und Dorsalextension verbleiben.
- In der Regel reichen Konfektionsschuhe mit orthopädischer Zurichtung
- Vermeiden von Arbeiten auf unebener Fläche oder Leitern und Gerüsten
- Einschränkungen beim Treppauf- und Treppabsteigen möglich
- Die Gehstrecke ist im Regelfall nicht beeinträchtigt