Grundlagen der sozialmedizinischen Beurteilung
Für die sozialmedizinische Beurteilung ist insbesondere bedeutsam, bei welchen Belastungen Funktionseinschränkungen auftreten. Maßgeblich ist weniger, ob eine Ein- oder Mehrgefäßerkrankung vorliegt, sondern welche Funktionsstörungen vorliegen. Unter Berücksichtigung der Kompensationsmöglichkeiten, zum Beispiel durch Kollateralbildung der Koronarien, Ausschöpfung von therapeutischen Möglichkeiten oder krankheitsadäquatem Verhalten, ist entscheidend, wie sich die Störungen auf der Ebene der Aktivitäten sowie den daraus resultierenden Einschränkungen in Bezug auf die Teilhabe auswirken.
Zur Beurteilung sind hier neben dem Myokardfaktor (systolische und diastolische Funktionsstörungen, Myokardnarben, Wandverdickungen und Geometrie der Herzhöhlen) vorrangig der Koronarfaktor (Ischämiereaktion im Belastungstest (siehe Funktionelle Verfahren) sowie gegebenenfalls die koronare Morphologie (siehe morphologische Verfahren) der Rhythmus, die Klappenfunktion und das Vorliegen von Shunts zu berücksichtigen. Für die sozialmedizinische Beurteilung ist es wesentlich, welche Beschwerden ergebnisorientiert angegeben werden und bei welcher Belastungsintensität diese auftreten oder ob sie bereits in Ruhe vorhanden sind.
Beschreibung der Funktionsstörungen und daraus resultierende Beeinträchtigungen der Aktivitäten
Die sozialmedizinische Beurteilung muss neben den physiologischen Anpassungsmechanismen und deren pathologischen Veränderungen auch die Interaktionen zwischen den an der Belastungsreaktion beteiligten Organsystemen berücksichtigen. Des Weiteren ist es für die sozialmedizinische Beurteilung nötig, dass klar beschrieben wird, welche Funktionsstörungen und Beeinträchtigungen der Aktivitäten aus den vorliegenden Diagnosen resultieren. Diese sollten zudem in Zusammenhang mit den individuellen Kontextfaktoren gebracht werden, konkret den Anforderungen am Arbeitsplatz.
Zur Beurteilung der Beeinträchtigungen für den Betroffenen dient das Modell der ICF (Abbildung 2).
Die koronare Herzkrankheit manifestiert sich in der Nomenklatur der ICF auf der Ebene von Funktionen und Strukturen des menschlichen Organismus zum Beispiel in Form von:
- kardiovaskulär bedingter Minderperfusion mit Belastungsschmerzen
- verminderter kardialer Pumpleistung mit Atemnot
- Herzrhythmusstörungen
- operativ bedingten Einschränkungen
- auf emotionaler Ebene: phobische Ängste, Verunsicherung, Depressivität, eingeschränktes Selbstwertgefühl im Rahmen der Krankheitsverarbeitung
Abbildung 2: Das bio-psycho-soziale Modell der WHO - Wechselwirkungen zwischen den Komponenten
Quelle: Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit ICF, Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI),
Störungsspezifische Darstellung der Beeinträchtigungen der Aktivitäten
Einschränkung der Aktivitäten von Personen mit koronarer Herzkrankheit können sich zum Beispiel im Bereich der
- körperlichen Belastungsfähigkeit (Tragen, Bewegen und Handhaben von Gegenständen, Ausdauer, Selbstversorgung)
- Fortbewegung (Gehstrecke, Treppensteigen, Berg angehen, schnelles Laufen)
- komplexen Aufgabenbewältigung am Arbeitsplatz (Umgang mit Stress, Zeitdruck, psychischen Anforderung, Verantwortung, Schichtarbeit) oder
- Krankheitsbewältigung (fehlende Akzeptanz der Erkrankung) ergeben
Beeinträchtigungen der Teilhabe (Partizipation) an Lebensbereichen kann sich in
- beruflichem Abstieg
- Arbeitsplatzverlust
- sozialer Isolierung und Stigmatisierung oder
- Verlust von sozialer Unterstützung ausdrücken.
Zu den Kontextfaktoren, die gesellschaftliche Teilhabe fördern oder behindern, zählen
- Verfügbarkeit von Hilfsmitteln
- Beschaffenheit des Arbeitsplatzes (Geräusche, Vibration, Temperatur, Feuchtigkeit, Arbeitsorganisation)
- Unterstützung durch Hilfspersonen
- Zugang zu Dienstleistungen von Verbänden / Vereinen (z.B. Herzsportgruppen)
- Wirkeinfluss der Medikamente
- Aktives Gesundheitsverhalten
- Therapietreue des Versicherten
Individuelle und gesellschaftliche Wertvorstellungen hinsichtlich Gesundheit, Krankheit und Leistungsfähigkeit sind als Kontextfaktoren für die sozialmedizinische Bewertung gleichfalls von Bedeutung.
Medizinische Rehabilitation
Die kardiologische Rehabilitation ist eine multimodale Intervention, die neben sekundärpräventiven Aspekten zur Reduktion von Morbidität und Mortalität auf eine verbesserte körperliche Leistungsfähigkeit sowie die Wiedereingliederung in das soziale und Erwerbsleben abzielt. Eine am dauerhaften Therapieerfolg ausgerichtete Versorgung muss daher stets die kardiologische Rehabilitation mitdenken.
Beim chronischem Koronarsyndrom (CCS) - mit oder ohne vorausgegangener PCI - soll eine kardiologische Rehabilitation durchgeführt werden, sofern eine oder mehrere der folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
- Eingeschränkte Prognose wegen unzureichend eingestellter kardiovaskulärer Risikofaktoren
- Fortbestehende und limitierende kardiale Symptomatik (Angina pectoris und/oder Dyspnoe) ohne die Möglichkeit einer (ggf. weiteren) Koronarrevaskularisation
- Begleitende Komorbiditäten, die das Risiko für einen ungünstigen Verlauf des CCS erhöhen, wie pAVK, COPD, Diabetes mellitus oder chronische Nierenerkrankung
- Gefährdung oder bereits bestehende Einschränkung der beruflichen und/oder privaten Teilhabe infolge des CCS
Anschlussrehabilitation
Die Anschlussrehabilitation (AHB) ist eine ganztägig ambulante oder stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation, deren Besonderheit darin besteht, dass sie sich unmittelbar oder in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang an eine stationäre Krankenhausbehandlung anschließt und nach besonderen Vorgaben der Rentenversicherungsträger (Schnell- beziehungsweise Direkteinleitungsverfahren) und der beteiligten gesetzlichen Krankenkassen eingeleitet und in dafür geeigneten Reha-Einrichtungen durchgeführt wird.
Eine Anschlussrehabilitation kommt zu Lasten der Rentenversicherung nur bei bestimmten Erkrankungen in Betracht. Diese sind weiter nach Indikationsgruppen sortiert aufgeführt.
Indikationen für eine Anschlussrehabilitation (AHB) beim chronischen Koronarsyndrom sind:
- ein komplikationsreicher, meist instabiler Verlauf,
- ein Zustand nach PTCA bzw. PCI bei ausgeprägtem Risikoprofil,
- bei komplexem Schulungsbedarf,
- bei unzureichender Compliance,
- nach Bypass-Operation,
- nach akutem Koronarsyndrom (ACS) / nach akutem Myokardinfarkt
Rehabilitationsbedarf
Rehabilitationsbedarf im Sinne der Deutschen Rentenversicherung ist gegeben, wenn die Folgen einer KHK zu Funktionsstörungen mit einer erheblichen Gefährdung oder zu einer bereits manifesten Einschränkung der Leistungsfähigkeit im Hinblick auf die Teilhabe am Erwerbsleben geführt haben. Zur Beurteilung des Rehabilitationsbedarfs werden das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen und deren voraussichtliche Dauer herangezogen. Für die Beurteilung des Rehabilitationsbedarfs ebenso wie für die Beurteilung der Rehabilitationsfähigkeit und -Prognose sind objektivierbare (z. B. Linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF), ergometrische Leistung, maximale Sauerstoffaufnahme) und subjektive (zum Beispiel Luftnot, Angst) Parameter zu berücksichtigen. Es steht die körperliche und psychische Belastbarkeit im Beruf und Alltag im Mittelpunkt der Überlegungen.
Da es sich bei dem CCS definitionsgemäß um eine chronische Erkrankung mit unterschiedlichen Verlaufsmöglichkeiten handelt, kann die Indikation zu einer kardiologischen Rehabilitation bei demselben Patienten wiederholt bestehen. Insbesondere bei anhaltendem Vorliegen beeinflussbarer Risikofaktoren und nach längerem zeitlichem Abstand zu einer vorangegangenen Maßnahme kann vor allem durch gezielte Edukation und Motivation ein positiver Effekt erwartet werden.
Bei chronischem Koronarsyndrom (CCS) mit oder ohne vorausgegangener PCI besteht Rehabilitationsbedarf und soll eine kardiologische Rehabilitation durchgeführt werden, sofern eine oder mehrere der folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
- Gefährdete Prognose wegen unzureichend eingestellter kardiovaskulärer Risikofaktoren
- Fortbestehende und limitierende kardiale Symptomatik (Angina pectoris und/oder Dyspnoe) ohne die Möglichkeit einer (ggf. weiteren) Koronarrevaskularisation
- Begleitende Komorbiditäten, die das Risiko für einen ungünstigen Verlauf des CCS erhöhen, wie pAVK, COPD, Diabetes mellitus oder chronische Nierenerkrankung
- Risikofaktorenkonstellation für eine Arteriosklerose: Hier ergibt sich der Rehabilitationsbedarf aus dem Ziel, eine Verhaltensänderung durch das Gesundheitstraining auch bei guter körperlicher Belastbarkeit zu erreichen
- Bei Gefährdung oder bereits bestehender Einschränkung der beruflichen und/oder privaten Teilhabe mit limitierter erwerbsbezogener Belastbarkeit infolge des CCS
- Berufliche Problemlagen
- Erschwerte Krankheitsbewältigung
- Anpassungsstörung im Rahmen der Herzerkrankung
- Besonderer Schulungsbedarf
Für die Zuweisung, Rehabilitationsstrategie und Rehabilitationsbedarf von Bedeutung sind unter anderem: allgemeine Arteriosklerose mit zentralen und peripheren Durchblutungsstörungen, Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen, Schlafapnoe und Risikofaktoren.
Inhaltlich muss die kardiologische Rehabilitation hierbei den besonderen Herausforderungen einer langfristigen Motivation und Umsetzung der individuellen Risikoreduktion gerecht werden.
Rehabilitationsfähigkeit
Der Begriff der Rehabilitationsfähigkeit bezieht sich auf die somatische und psychische Verfassung des Rehabilitanden (z. B. Motivation bzw. Motivierbarkeit und Belastbarkeit) für die Teilnahme an einer geeigneten Rehabilitation. Bei der Prüfung der Rehabilitationsfähigkeit sind Begleit- und Folgeerkrankungen zu berücksichtigen.
Nicht rehabilitationsfähig sind Patienten mit:
- Instabiler Angina pectoris
- Herzinsuffizienz Stadium NYHA IV
- Bedrohlichen Herzrhythmusstörungen
Gerade bei der AHB nach Operationen oder akuten Ereignissen ist die Reha-Fähigkeit von besonderer Bedeutung, denn nur bei gegebener Rehabilitationsfähigkeit sind die Patientinnen und Patienten in der Lage, das therapeutische Angebot der Rehabilitation wahrnehmen zu können.
Rehabilitationsprognose
Die Rehabilitationsprognose ist eine sozialmedizinisch begründete Wahrscheinlichkeitsaussage für den Erfolg der Leistung zur Teilhabe über die Erreichbarkeit des festgelegten Rehabilitationsziels
- auf der Basis der Erkrankung, des bisherigen Verlaufs und des Kompensationspotenzials/der Rückbildungsfähigkeit unter Beachtung und Förderung individueller Ressourcen (Rehabilitationspotenzial einschließlich psychosozialer Faktoren)
- durch eine geeignete Leistung zur Teilhabe
- in einem notwendigen Zeitraum.
Neben der Feststellung des Rehabilitationsbedarfs und der Rehabilitationsfähigkeit ist im Hinblick auf das Erreichen des Rehabilitationsziels eine positiv eingeschätzte Rehabilitationsprognose eine Voraussetzung für die Bewilligung und Durchführung einer Leistung zu Rehabilitation.
Reha-Ziele
Die kardiologische Rehabilitation soll ein integraler Bestandteil der umfassenden Versorgung von Herzpatienten sein. Die therapeutische Wirksamkeit der Rehabilitation bei Koronarer Herzkrankheit ist für die Bereiche Bewegungstherapie (insbesondere für aerobes Ausdauertraining, Kraft- und Muskelaufbautraining sowie Förderung der Bewegungsorientierung), Patientenschulung, Gesundheitsbildung, Ernährungstherapeutische Leistungen, Psychologische Interventionen, Entspannungsverfahren sowie Tabakentwöhnung nachgewiesen und entspricht den Therapieempfehlungen der nationalen Versorgungsleitlinien.
Für die Ausrichtung des Rehabilitationsziels sind Angaben über berufliche Belastung (z. B. schwere körperliche Arbeit, Akkordtätigkeit, hohe Anforderungen an Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit, Verantwortung für Person und Sachwerte, chronische Stressbelastung sowie Arbeiten unter extremen Temperatur- oder Witterungsverhältnissen und Lärmbelastung relevant.
Zur Abschätzung des kardiovaskulären Risikoprofils gehört auch die Beurteilung der psychosozialen Belastungen:
- berufsspezifische Besonderheiten (hohe Verantwortung, belastender Dauerstress, Zeitdruck, Schicht- und Nachtdienst)
- Arbeitsplatzgegebenheiten (Arbeitsklima, psychische Belastungen am Arbeitsplatz, Vertretungsmöglichkeit, subjektives Beanspruchungs- und Belastungsgefühl)
- Störungen des Selbstwertgefühls als Krankheitsfolge (Identitätskrise, beeinträchtigte subjektive Befindlichkeit)
Psychologische Interventionen haben im Rahmen einer kardiologischen Rehabilitation unverändert ein großes therapeutisches Potenzial, da psychosoziale Risikofaktoren wie Stresserleben, Ängstlichkeit und Depressivität die individuelle Lebensqualität erheblich beeinträchtigen und das individuelle Gesundheits- und Krankheitsverhalten negativ beeinflussen. Sie sollten individuell entsprechend der Versicherten-Bedürfnisse dosiert und gezielt angewandt werden.
Folgende Therapieziele sind dabei vorrangig:
- Förderung der emotionalen Krankheitsbewältigung
- Reduktion von Ängstlichkeit und Depressivität
- Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität
- Unterstützung bei der Verbesserung des Gesundheitsverhaltens
- Förderung der Motivation und Selbstwirksamkeit
- Stärkung der konkreten Handlungsbereitschaft
- Förderung der Stressbewältigung.
Wenn psychische Reaktion und psychosoziale Aspekte zu erheblichen Einschränkungen führen, kann eine verhaltensmedizinisch orientierte (kardiologische) Rehabilitation indiziert sein.
Stehen berufliche Belastungen oder Problemlagen im Vordergrund, kann eine medizinisch-beruflich orientierte (kardiologische) Rehabilitation indiziert sein.
Zur Sicherung des Rehabilitationsziels oder zur Festigung der bisher erreichten Rehabilitationsergebnisse können auf Empfehlungen der Reha-Einrichtung ergänzende Leistungen und Nachsorgeleistungen eingeleitet werden (zum Beispiel "Intensivierte Reha-Nachsorge" (IRENA), Teilnahme an Herzsportgruppen.
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
Nach medizinischer Rehabilitation können zur beruflichen Wiedereingliederung Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) erforderlich sein. Dies ist insbesondere der Fall, wenn das positive und negative Leistungsvermögen der Antragsteller mit den Anforderungen der letzten sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nicht vereinbar sind. Sie umfassen unter anderem Leistung zur Haltung oder zur Erlangung eines Arbeitsplatzes, zu beruflichen Anpassung, Berufsvorbereitung, Fortbildung, Ausbildung und Umschulung sowie zu Kraftfahrzeughilfen.
Sind weiterführende LTA erforderlich, so prüft der Leistungsträger, ob eine ausreichend stabile Belastbarkeit für qualifizierende Maßnahmen der Aus-, Fort- und Weiterbildung besteht. Auf den Erfolg einer Schulungsmaßnahme der Wiedereingliederung können sich Komorbiditäten wie kognitive Beeinträchtigungen und kardiovaskuläre Begleiterkrankungen limitierend auswirken. In diesen Fällen ist zu prüfen, ob durch eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder durch längerfristige Trainingsmaßnahmen das Leistungsvermögen wesentlich verbessert oder wiederhergestellt werden kann.
Geltungsbereich
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) stellen den Bereich der Leistungen zur Teilhabe dar, der
- die Leistungen zur Erhaltung oder zur Erlangung eines Arbeitsplatzes,
- zur beruflichen Anpassung, Berufsvorbereitung, Fort- und Weiterbildung, Ausbildung, Qualifizierung und Umschulung sowie
- Kraftfahrzeughilfen und
- finanzielle Hilfen umfasst.
Nach medizinischer Rehabilitation können zur beruflichen Wiedereingliederungsleistung zur LTA erforderlich sein. Dies ist insbesondere der Fall, wenn positives und negatives Fassungsvermögen der Antragsteller mit den Anforderungen der letzten sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nicht vereinbar ist.
Voraussetzungen
- Erforderlich sind dazu eine gute Kenntnis des Arbeitsplatzes und der Tätigkeit durch die beurteilende Person und eine effiziente Zusammenarbeit aller am Integrations- oder Rehabilitationsprozess beteiligten Personen.
- Die Begutachtungskriterien müssen dabei das qualitative Leistungsvermögen des Versicherten berücksichtigen (weiterführende Ausführungen siehe dort). Es ist nicht in das Belieben des / der Beurteilenden gestellt, sich bei der Gefährdungsbeurteilung an pauschalen, undifferenzierten Diagnose- oder Berufslisten zu orientieren und danach die berufliche Eignung zu bemessen.
- Eine besondere berufliche Problemlage (BBPL) liegt bei Versicherten in Fällen längerer Arbeitsunfähigkeit (AU) vor sowie bei denen, die die Screening-Frage nach ihrer Erwartung, wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren zu können, verneint haben (subjektive negative Erwerbsprognose). Für diese Versichertengruppe mit BBPL hat die Rentenversicherung die Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation (MBOR) vorgesehen.
- In bestimmten Bereichen oder bei besonderen Funktionseinschränkungen ist ein Erhalt des bestehenden Arbeitsplatzes nicht möglich. Dann stehen Maßnahmen zur Weiterbildung und Qualifizierung im Mittelpunkt, die eine Umsetzung oder berufliche Neuorientierung ermöglichen können.
- Die Gewährung einer Kraftfahrzeughilfe kann in Betracht kommen, sofern die Fahreignung nicht grundsätzlich beeinträchtigt ist und der Versicherte behinderungsbedingtauf die Benutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen ist, um seinen Arbeitsort zu erreichen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn er nicht in der Lage ist, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen bzw. die erforderlichen Fußwege zwischen Wohnung und Haltestelle und/oder Haltestelle und Arbeitsplatz zurückzulegen.
Leistungsvermögen
Konkrete Beschreibung der Auswirkung der Beeinträchtigung der Aktivitäten auf das Leistungsvermögen:
- Zuletzt ausgeübte Tätigkeit und für den allgemeinen Arbeitsmarkt: Tätigkeitsbeschreibung u.a. bezüglich der Notwendigkeit von schwerem Heben und Tragen (Pressatmung), hohe Verantwortung, Publikumsverkehr, Arbeiten unter Zeitdruck mit ständiger Ablenkung und wechselndem Arbeitsrhythmus (insbesondere Schichtarbeit mit Nachtdienst).
- Zu erfragen ist auch die Eigen- und Fremdgefährdung (Wechselwirkung zwischen Krankheit und Arbeitsauftrag) und nach belastenden Umweltfaktoren.
Qualitatives Leistungsvermögen
Positives Leistungsvermögen
- Beschreibt Fähigkeiten des Versicherten, über die er noch verfügt
- Im Hinblick auf zumutbare körperliche Arbeitsschwere, Arbeitshaltung, Arbeitsorganisation
Negatives Leistungsvermögen
- Umfasst die Fähigkeiten, die erkrankungs- oder behinderungsbedingt nicht mehr bestehen
- Umfasst die Fähigkeiten, die aufgrund der Gefahr einer gesundheitlichen Verschlechterung nicht mehr umsetzbar sind
Beurteilung der Gefährdungs- und Belastungsfaktoren
- Tätigkeiten in Kälte, Hitze oder mit starken Temperaturschwankungen sowie der Umgang mit gefährdenden Stoffen (z.B. Kohlenmonoxid, Isozyanate), durch Schichtarbeit bedingte Störungen des Tag-Nacht-Rhythmus, Akkordarbeit, Tätigkeiten in atmosphärischem Unter- oder Überdruck und im fliegenden Flugzeug stellen für eine Person mit KHK eine erhöhte Gefährdung beziehungsweise besondere Belastung dar. Es ist am individuellen Fall zu beurteilen, ob diese Faktoren (gegebenenfalls zeitweise und/oder unter Einsatz von LTA) zumutbar sind. Unter Antikoagulantien-Therapie ist die Gefährdung durch mögliche Unfälle und Verletzungen zu berücksichtigen.
- Wird eine Therapie mit Antikoagulantien zur thromboembolischen Prophylaxe durchgeführt, ist eine Tätigkeit mit erhöhter Verletzungs- beziehungsweise Unfallgefahr, die heute nur in ganz wenigen, speziellen Konstellationen anzutreffen sind, zu vermeiden. Selbst Berufe mit historisch hoher Verletzungsgefahr (Tischler, Schlachter, Bauberufe) sind heute – bei Anwendung der berufsgenossenschaftlich vorgegebenen Arbeitsschutzmaßnahmen – nicht mit einem relevanten Risikoanstieg verbunden.
Quantitatives Leistungsvermögen
Einteilung
- sechs Stunden und mehr pro Tag
- drei bis unter sechs Stunden pro Tag
- unter drei Stunden pro Tag
Voraussichtliche Dauer der Leistungseinschränkung
- Prüfung, ob eine Besserung der Leistungsfähigkeit wahrscheinlich ist
- Dies ist anzunehmen, wenn aus ärztlicher Sicht bei Betrachtung des bisherigen Verlaufes nach medizinischen Erkenntnissen unter Berücksichtigung der noch vorhandenen therapeutischen Optionen eine Steigerung des qualitativen und/oder quantitativen Leistungsvermögens noch möglich ist
- Zeitliche Befristung der Renten aufgrund verminderter Erwerbsfähigkeit für längstens 3 Jahre nach Rentenbeginn
Umsetzung der Befunde in die sozialmedizinische Beurteilung der Leistungsfähigkeit
Es geht um die sozialmedizinische Begutachtung hinsichtlich der Auswirkungen des CCS auf die Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben und deren sozialmedizinischer Prognose hinsichtlich der Indikation für eine medizinische oder berufliche Rehabilitation. Bei der Begutachtung spielt die Berücksichtigung der körperlichen Belastbarkeit sowie von psychischen und tätigkeitsbezogenen Belastungsfaktoren eine wichtige Rolle.
Beurteilung körperlicher Belastbarkeit
NYHA-Klassifikation
Kardiale Beschwerden durch eine Herzinsuffizienz bzw. linksventrikuläre Dysfunktionen können nach der "New York Heart Association" (NYHA) in vier Stadien eingeteilt werden (Tabelle 4). Die Plausibilität der NYHA-Einschätzung für die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung ist anhand der Belastungsuntersuchungen zu prüfen.
Ob beim Vorliegen eines NYHA-Stadiums III eine leichte körperliche Tätigkeit erbracht werden kann, gegebenenfalls in welchem zeitlichen Rahmen, ist sorgfältig abzuwägen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der chronische Verlauf der Krankheit nicht linear ist, sondern sich dekompensierte und stabile Krankheitsphasen abwechseln können. Für die Beurteilung des Leistungsvermögens in einer leichten körperlichen Tätigkeit ist deshalb eine Längsschnittbetrachtung erforderlich.
Eine hochgradige Einschränkung der kardialen Belastbarkeit nach Ausschöpfung aller Therapieoptionen – analog NYHA-Stadium IV – lässt auch leichte körperliche Arbeiten nicht mehr zu. Das Leistungsvermögen ist damit aufgehoben.
Tabelle 4: NYHA-Klassifikation der New York Heart Association | |
Stadium |
Defintion |
---|---|
NYHA I |
Herzerkrankung ohne körperliche Limitation. Alltägliche körperliche Belastung verursacht keine inadäquate Erschöpfung, Rhythmusstörungen, Luftnot oder Angina pectoris. |
NYHA II |
Herzerkrankung mit leichter Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit. Keine Beschwerden in Ruhe und bei geringer Anstrengung. Stärkere körperliche Belastung (z. B. Bergaufgehen oder Treppensteigen) verursacht Erschöpfung, Rhythmusstörungen, Luftnot oder Angina pectoris. |
NYHA III |
Herzerkrankung mit höhergradiger Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit bei gewohnter Tätigkeit. Keine Beschwerden in Ruhe. Geringe körperliche Belastung (z. B. Gehen in der Ebene) verursacht Erschöpfung, Rhythmusstörungen, Luftnot oder Angina pectoris. |
NYHA IV |
Herzerkrankung mit Beschwerden bei allen körperlichen Aktivitäten und in Ruhe, Bettlägerigkeit. |
Quelle: https://leitlinien.dgk.org/files/2005_Leitlinie_Therapie_Chronische_Herzinsuffizienz.pdf. S. 491, Tabelle 3, letzter Aufruf: 06.06.2025. |
Myokardfunktion
Die linksventrikuläre Funktion (LVEF) ist ein bedeutsamer objektivierbarer Parameter für die Beurteilung des Leistungsvermögens von Menschen mit KHK. Neben der systolischen muss dabei auch die diastolische linksventrikuläre Funktion beurteilt werden. Dieser Parameter korreliert jedoch nicht zwingend mit körperlicher Belastbarkeit und Symptomatik, hier kann z. B. eine Spiroergometrie weiterführende Informationen zur Leistungsfähigkeit liefern.
CCS-Klassifikation
Eine Gradeinteilung der Beschwerden bei KHK kann anhand der Klassifikation der "Canadian Cardiovascular Society" (CCS) erfolgen. Die CCS-Klassifikation beruht auf subjektiven Angaben und kann eine Inkongruenz? zur objektiven Belastungskapazität aufweisen.
Tabelle 3: CCS-Klassifizierung der Canadian Cardiovascular Society (CCS) | |
Stadium |
Charakteristika |
---|---|
I |
Keine Angina pectoris bei normaler körperlicher Aktivität, Angina pectoris bei schwerer körperlicher Aktivität |
II |
Geringe Beeinträchtigung der normalen körperlichen Aktivität infolge Angina pectoris |
III |
Erhebliche Beeinträchtigung der normalen körperlichen Aktivität infolge Angina pectoris |
IV |
Angina pectoris bei geringster körperlicher Aktivität oder in Ruhe |
Quelle: Campeau, L (1976): Grading of angina pectoris. Circulation, 54:522-523 |
Ergometrie
Für die sozialmedizinische Beurteilung ist insbesondere bedeutsam, bei welchen Belastungen Funktionseinschränkungen auftreten. Eine deutliche Einschränkung der ergometrischen Belastbarkeit kann ein Indikator für eine schlechte Prognose der kardialen Erkrankung sein, darf aber nicht gleichgesetzt werden mit Einschränkungen im Berufsleben, wenn die konkrete berufliche Tätigkeit keinen körperlichen Einsatz erfordert.
Nicht das Erreichen der submaximalen Herzfrequenz ist entscheidend, sondern das Ausmaß der ergometrischen Belastbarkeit unter Abwesenheit von Ischämie und objektiven Belastungszeichen (zum Beispiel Kurzatmigkeit, Herzrhythmusstörungen) unter Berücksichtigung anamnestischer Angaben, klinischer Befunde und Beobachtungen bei der Untersuchung.
Deshalb müssen diagnostische Befunde immer mit dem beruflichen Anforderungsprofil abgeglichen werden. Auch auslösende Mechanismen der Beschwerden speziell am Arbeitsplatz müssen bedacht werden, um zu einer Beurteilung der Gesamtleistungsfähigkeit am Arbeitsplatz zu kommen.
Da die Ergometrie in der aktuellen NVL als Primärdiagnostik in den Hintergrund getreten ist, kann in der sozialmedizinischen Beurteilung des Leistungsvermögens nicht mehr uneingeschränkt auf die Ergebnisse der Ergometrie im Rahmen der nicht-invasiven Ischämiediagnostik zurückgegriffen werden. Sollten dennoch Befunde einer Ergometrie vorliegen, können diese zur Einschätzung der Belastbarkeit herangezogen werden. Als Parameter zur Beurteilung der sozialmedizinischen Leistungsfähigkeit ist die Ergometrie weiterhin mangels aufwands-/und kostenäquivalenter Alternativen unentbehrlich.
Für die Leistungsbeurteilung bei KHK kann die maximale ergometrische Belastbarkeit als Parameter für die kardiale Belastbarkeit herangezogen und daraus auf die zumutbare Dauerbelastbarkeit geschlossen werden. Sie beträgt in der Regel nach Angaben in der Literatur etwa 50-70 % der ermittelten symptomlimitierten ergometrischen Belastbarkeit. Bei der Leistungsbeurteilung sind unter anderem Alter, Geschlecht, Körpergewicht, Komorbiditäten und die LVEF zu berücksichtigen. Zwischen der ergometrischen Belastbarkeit, der Dauerbelastung und der für die Einschätzung des Restleistungsvermögens bedeutsamen körperlichen Belastbarkeit kann orientierend von der in Tabelle 4 wiedergegebenen Korrelation ausgegangen werden.
Tabelle 7: Korrelation von ergometrischer Maximalleistung, Dauerbelastbarkeit und körperlicher Belastbarkeit | |||
Maximalleistung bei der Ergometrie |
Dauerbelastbarkeit |
Körperliche Belastbarkeit | |
---|---|---|---|
ca. 75 Watt |
ca. 1 Watt/kg KG |
ca. 50 Watt |
leicht |
> 75 - 125 Watt |
> 1 - 1,5 Watt/kg KG |
> 50 - 75 Watt |
mittelschwer |
> 125 - 150 Watt |
> 1,5 - 2 Watt/kg KG |
> 75 - 100 Watt |
schwer |
ab 150 Watt |
> 2 Watt/kg KG |
ab 100 Watt |
schwerst |
KG = Körpergewicht | |||
Quelle: https://www.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/Downloads/DE/Experten/infos_fuer_aerzte/begutachtung/ |
- Eine ergometrische Maximalleistung von 150 Watt oder mehr entspräche schwerster körperlicher Belastung.
- Eine maximale ergometrische Belastbarkeit von 125 bis 150 Watt lässt eine schwere körperliche Tätigkeit zu.
- Voraussetzung ist jeweils eine normale systolische und diastolische linksventrikuläre Funktion sowie das Fehlen von Ischämiezeichen.
- Eine maximal zumutbare ergometrische Belastung von über 75 bis 125 Watt, eine leicht eingeschränkte linksventrikuläre Funktion (eine angiografisch ermittelte Ruhe-EF von 50 bis 60 % beziehungsweise echokardiographisch gemessene Ruhe-EF von 45 bis 54 %) und/oder das NYHA-beziehungsweise CCS-Stadium I ist in der Regel mit einer mittelschweren körperlichen Tätigkeit im Rahmen eines normalen Arbeitstages vereinbar.
- Demgegenüber lässt eine ergometrische Maximalbelastbarkeit von 75 Watt beziehungsweise eine mittelschwer eingeschränkte linksventrikuläre Funktion (eine angiografisch ermittelte Ruhe-EF von 35 bis unter 50 % beziehungsweise echokardiographisch gemessene Ruhe-EF von 30 bis 44 %) noch eine leichte körperliche Tätigkeit zu.
Dies gilt auch für das NYHA- beziehungsweise CCS-Stadium II.
- Ist wegen der Ausdehnung der myokardialen Funktionsstörung – sei es durch Ischämie oder Narbe – die ergometrische Maximalleistung auf weniger als 75 Watt abgesunken beziehungsweise die linksventrikuläre Funktion schwer eingeschränkt (eine angiographisch ermittelte Ruhe-EF unter 35 % beziehungsweise echokardiographisch ermittelte Ruhe-EF unter 30 %) und/oder ein deutlich erhöhter Füllungsdruck (LVEDP, PAP, PCP) nachweisbar, so ist auch eine körperlich leichte Tätigkeit nicht oder nicht mehr in wesentlichem Umfang möglich.
Bei mehr als nur mittelschwerer ventrikulärer Funktionsstörung und erniedrigter Ejektionsfraktion (zum Beispiel bei einer Kardiomyopathie) muss die ergometrische Belastbarkeit zumindest für die Dauer der Untersuchung nicht zwingend eingeschränkt sein. Auch hier empfehlen sich eine genauere Differenzierung (siehe oben) und die Berücksichtigung der möglichen beruflichen und außerberuflichen Aktivitäten.
Im Falle eines ausgeprägten Trainingsmangels sollte die Indikation von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation geprüft werden.
Spiroergometrie
Die LVEF korreliert nicht immer gut mit der tatsächlichen Leistungsfähigkeit. Ergeben sich Schwierigkeiten bei der ergometrischen Beurteilung der Leistungsfähigkeit, kommen als weitere Methoden die Spiroergometrie und die Stress-Echokardiografie als duldungspflichtige sowie die Rechtsherzkatheter-Untersuchung als nicht duldungspflichtige Methoden in Betracht.
Bei Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit können die in der Spiroergometrie gemessenen Leistungswerte nach dem Ludwigshafen-Schema zugeordnet werden (siehe Tabelle 5). Sofern zur Verfügung stehend, sind mittels Spiroergometrie erhaltene Messwerte als Parameter der Leistungsfähigkeit einzubeziehen [maximal erreichte Sauerstoffaufnahme (Peak-VO2), ventilatorisch bestimmte anaerobe Schwelle (vAT), Atemäquivalent für CO2 (VE/VCO2)].
Beispielhaft kann sich eine geringe maximale ergometrische Belastbarkeit von 50 Watt bei gleichzeitig nur leichter bis mittelschwerer ventrikulärer Funktionsstörung auch durch nicht-kardiale Ursachen erklären lassen (z. B. Trainingsmangel, orthopädisches Leiden, mangelnde Mitwirkung), hier ist eine Differenzialdiagnostik z. B. mit Hilfe einer Spiroergometrie möglich. Daneben sind anamnestische Angaben zu beruflichen und außerberuflichen Aktivitäten in die Leistungsbeurteilung einzubeziehen.
Tabelle 8: Einschätzung der Leistungsfähigkeit mittels Spiroergometrie auf der Grundlage des peakVO2 ("Ludwigshafen-Schema") | |
Leistungsfähigkeit |
peakVO2 |
---|---|
Normale Leistungsfähigkeit |
> 85 % |
Leicht eingeschränkte Leistungsfähigkeit |
70 % - 84 % |
Mittelgradig eingeschränkte Leistungsfähigkeit |
50 % - 69 % |
Schwer eingeschränkte Leistungsfähigkeit |
< 50 % |
(peakVO2 maximale Sauerstoffaufnahme) | |
Quelle: https://www.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/Downloads/DE/Experten/infos_fuer_aerzte/begutachtung/ |
Neben (Spiro-)Ergometrie und Echokardiographie stellen Links- und Rechtsherzkatheteruntersuchung etablierte Methoden zur Bestimmung der linksventrikulären Funktion dar. Diese gehören nicht zur Diagnostik der CCS. Bei vorliegenden Befunden können diese jedoch mit in die Beurteilung des Leistungsvermögenseinbezogen werden.
Der bei der Linksherzkatheteruntersuchung gemessene linksventrikuläre enddiastolische Druck (LVEDP) gilt als ein zuverlässig zu erhebender Parameter. Der LVEDP kann auch echokardiografisch abgeschätzt werden.
Tabelle 9: Linksventrikulärer enddiastolischer Druck (LVEDP) und linksventrikuläre Funktion | |
LVEDP |
linksventrikuläre Funktion |
---|---|
< 12 mmHg |
normal |
12 - 16 mmHg |
leichte Funktionsstörung |
16- 25 mmHg |
mittelschwere Funktionsstörung |
> 25 mmHg |
schwere Funktionsstörung |
Quelle: https://www.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/Downloads/DE/Experten/infos_fuer_aerzte/ begutachtung/leitlinien_rehabeduerftigkeit_khk_langfassung_pdf.pdf?__blob=publicationFile&v=1, letzter Aufruf: 06.06.2025. |
Weiterhin sollte berücksichtigt werden, dass es keine enge Korrelation zwischen Belastbarkeit und Funktion gibt, d. h., dass trotz hoher Belastbarkeit und nur geringer oder fehlender Ischämiezeichen eine gestörte Pumpfunktion vorliegen kann. Andererseits kann auch bei deutlich eingeschränkter Pumpfunktion eine subjektive nicht reduzierte Belastbarkeit bestehen. In diesem Fall müssen bei der Beurteilung die Ejektionsfraktion, der linksventrikuläre enddiastolische Druck sowie die Messwerte aus weiteren ergometrischen Untersuchungen zu einem möglichst schlüssigen Bild zusammengefügt werden.
Rechtsherzkatheter
Anhand des bei der Rechtsherzkatheteruntersuchung invasiv gemessenen Pulmonalarterienmitteldrucks (PAPm) und des Pulmonalkapillardrucks (PCP) kann auf die linksventrikuläre Funktion geschlossen werden. Eine pulmonale Hypertonie definiert sich über eine Druckerhöhung des PAPm in Ruhe größer/gleich 25 mmHG. Der PAPm steigt bei Herzgesunden auch bei maximaler Belastung in der Regel nicht über 25 mmHg an. Ein Anstieg des PCP bei noch normalem Herzzeitvolumen unter Belastung kann für eine ischämiebedingte Compliancestörung des linken Ventrikels sprechen. Ein PAPm über 60 mmHg bereits bei einer Belastungsstufe von 50 Watt weist auf eine sehr schwere Funktionsstörung hin. Die genannten invasiven Untersuchungen sind nicht duldungspflichtig; liegen sie aber vor, sollten sie eingeholt und in die Beurteilung mit einbezogen werden.
Zur Überprüfung der Belastbarkeit wird häufig die Methode des 6-Minuten-Gehtests (6MGT) verwendet. Der 6MGT erfasst die Belastbarkeit von Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen und Herzinsuffizienz. Er beschreibt die Fähigkeit dieser Menschen, sich im Alltag zu bewegen. Er wird als nützliches Instrument zur Evaluation von Therapie-, Rehabilitations- und Trainingsmaßnahmen eingestuft sowie als Verlaufsparameter bei Fortschreiten der Erkrankungen. Die maximale Belastbarkeit lässt orientierende Rückschlüsse auf die zumutbare Dauerbelastbarkeit zu.
Tabelle 10: Richtwerte des 6-Minuten Gehtests bei Gesunden, bei COPD und bei Herzinsuffizienz (Angaben in Metern) | ||||
|
6MGS |
6MGS |
Lerneffekt |
Pneumoglogische Rehabilitation |
---|---|---|---|---|
Gesunde 40 LJ. |
600 |
400 |
0-40 |
|
Gesunde 80 LJ. |
400 |
250 |
0-40 |
|
COPD |
|
|
|
|
FEV1 > 50 % Soll |
300 |
200 |
30-90 |
+0-50 |
FEV1 30-50 % Soll |
250 |
150 |
25-75 |
|
FEV1 > < 30 % Soll |
200 |
100 |
20-60 |
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Herzinsuffizienz |
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NYHA II |
500 |
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NYHA III |
300-400 |
200 |
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Hohes kardiales Risiko |
< 300 |
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(MGS: Meter Gehstrecke, LJ. Lebensjahr) | ||||
Quelle: https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/pdf/10.1055/s-2002-33850.pdf, letzter Aufruf: 06.06.2025 |
Beurteilung tätigkeitsbezogener Belastungsfaktoren
Die individuellen Auswirkungen der KHK auf die Belastbarkeit im beruflichen und sozialen Bereich müssen aus den medizinischen Unterlagen hervorgehen.
Tätigkeitsbezogene Probleme liegen immer bei einer Diskrepanz zwischen individuellem Leistungsbild und Anforderungen am Arbeitsplatz vor. Sie können sich sowohl auf der somatischen und psychischen als auch auf der sozialen Ebene manifestieren.
Bezogen auf die KHK sind folgende Kriterien in Abhängigkeit von der Schwere der Erkrankung und gegebenenfalls vorliegenden Folgeleiden zu prüfen:
- Arbeitsschwere: Heben, Tragen, Bewegen von Lasten
- Arbeitshaltung
- Mobilität
- Koordination
- geistig-psychische Belastbarkeit
- Reaktionsfähigkeit
- Aufmerksamkeit, Konzentrationsfähigkeit, Ausdauer
- Stimmung und Affektivität
- Anpassungs-, Umstellungsfähigkeit, Flexibilität
- Kompensationsfähigkeit
- besondere Gefährdungs- oder Belastungsfaktoren
- Publikumsverkehr
- besondere Verantwortung für Personen und/oder Maschinen
- Überwachung und/oder Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge
- Akkord, besonderer Zeitdruck, Überstunden
- Nachtarbeit, Schichtdienst, wechselnde Arbeitszeiten
- Reisetätigkeit; Arbeit in Flugzeugen, auf Schiffen oder in Zügen
- Fahrtauglichkeit, Personenbeförderung
- erhöhte Unfall- oder Verletzungsgefahr
- Kälte, Hitze, starke Temperaturschwankungen, Nässe
- Lärm, Vibrationen
- spezifische gefährdende Stoffe (zum Beispiel Kohlenmonoxid)
Die Belastbarkeit eines KHK-Patienten mit und ohne Myokardinfarkt kann zusätzlich durch das Auftreten von Rhythmusstörungen beeinträchtigt werden.
Die besonders schlechte Belastbarkeit von Patienten mit KHK und gleichzeitig bestehender linksventrikulärer Hypertrophie muss sozialmedizinisch berücksichtigt werden.
Wichtig ist, in der sozialmedizinischen Beurteilung auch auf eine gestörte Krankheitsverarbeitung mit Einschränkung des Selbstwertgefühls, Angstzuständen Depressivität oder Konzentrationsstörungen einzugehen, die Leistungsfähigkeit deutlich einschränken kann. Hier können Wiedereingliederungsmaßnahmen oder Leistung zur medizinischen Rehabilitation hilfreich sein.
Bei Patienten nach koronarer Intervention kann der endgültige Erfolg und damit die tatsächliche Belastbarkeit erst im Intervall durch einen späteren, erneuten Belastungstest beurteilt werden. Dilatierte Gefäße, die bis zu diesem Zeitpunkt nicht restenosiert sind, haben eine eher geringe Rezidiv-Wahrscheinlichkeit und "hibernating" Myokardgewebe kann sich regenerieren.
Beurteilung psychischer Belastungsfaktoren
Das individuelle Ausmaß der psychischen Belastbarkeit ist abhängig von den subjektiv empfundenen psychosozialen Stressfaktoren und den Bewältigungsmechanismen (Coping). So kann sowohl eine Tätigkeit mit besonderer Verantwortung als auch eine drohende berufliche Rückstufung psychisch stark belastend sein. Deshalb ist die differenzierte psychosoziale Anamnese für die Leistungsbeurteilung unentbehrlich.
Bei gestörter Krankheitsbewältigung ist zu prüfen, ob alle therapeutischen Optionen ausgeschöpft sind. Liegen Hinweise auf Konzentrations- oder Aufmerksamkeitsstörungen vor, beispielsweise aufgrund einer notwendigen antidepressiven Pharmakotherapie, kann eine nervenärztliche Begutachtung erforderlich werden. Dies gilt auch bei Verdacht auf eine Einschränkung der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit beziehungsweise der Flexibilität, die jedoch von altersbedingten Veränderungen abgegrenzt und möglicherweise im Kontext mit den Veränderungen der Arbeitswelt zu sehen ist. Anamnestische Angaben zum Freizeitverhalten und zu außerberuflichen Aktivitäten sind zur Plausibilitätsbeurteilung wesentlich.
Begutachtungsleitlinien der Bundesanstalt für Straßenwesen (Stand 01.06.2022)
- Gruppe 1
- Führer von Fahrzeugen der Klassen A, A1, A2 (A-Krafträder) B, BE (B-Auto-Führerscheinklassen), AM, L, T (L und T Zugfahrzeuge [Traktoren])
- Führer von Fahrzeugen der Klassen A, A1, A2 (A-Krafträder) B, BE (B-Auto-Führerscheinklassen), AM, L, T (L und T Zugfahrzeuge [Traktoren])
- Gruppe 2
- Führer von Fahrzeugen der Klassen C, C1, CE, C1E (C-LKW-Führerscheinklassen) D, D1, DE, D1E (D-Bus-Führerscheinklassen) und die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung (FzF)
- Führer von Fahrzeugen der Klassen C, C1, CE, C1E (C-LKW-Führerscheinklassen) D, D1, DE, D1E (D-Bus-Führerscheinklassen) und die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung (FzF)
Stabile Angina pectoris
- Gruppe 1
- In der Regel keine Restriktionen. Eine fachärztliche Untersuchung ist erforderlich.
- In der Regel keine Restriktionen. Eine fachärztliche Untersuchung ist erforderlich.
- Gruppe 2
- Bei symptomatischer Angina auf niedriger Belastungsstufe ist die Fahreignung nicht gegeben.
- Bei symptomatischer Angina auf niedriger Belastungsstufe ist die Fahreignung nicht gegeben.
Nach PCI (perkutaner Koronarintervention)
- Gruppe 1
- Nach PCI und gutem klinischen Ergebnis die Fahreignung nach fachärztlicher Untersuchung ergeben.
- Nach PCI und gutem klinischen Ergebnis die Fahreignung nach fachärztlicher Untersuchung ergeben.
- Gruppe 2
- Vier Wochen nach PCI mit gutem klinischem Ergebnis kann die Fahreignung nach fachärztlicher Untersuchung wiedergegeben sein. Jährliche fachärztliche Kontrolluntersuchungen sind notwendig.
- Vier Wochen nach PCI mit gutem klinischem Ergebnis kann die Fahreignung nach fachärztlicher Untersuchung wiedergegeben sein. Jährliche fachärztliche Kontrolluntersuchungen sind notwendig.
Zu beachten sind die Vorgaben der Begutachtungsleitlinien der Bundesanstalt für Straßenwesen zu den Folgen einer koronaren Bypassoperation/bestehenden Herzinsuffizienz/indizierte Implantation eines Herzschrittmachers oder Defibrillators.