Störungsspezifische Beschreibung
Die folgende Kurzübersicht basiert primär auf den umfassenden und als weiterführende Literatur empfohlenen "Onkopedia-Leitlinien" der beteiligten Fachgesellschaften DGHO, OeGHO, SSMO und AIO (www.onkopedia.com). Ergänzende Aspekte stammen aus dem detaillierten "Leitlinienprogramm Onkologie" der AWMF, DKG und DKH (www.leitlinienprogramm-onkologie.de).
Epidemiologie (bezogen auf Deutschland)
- Das Ösophaguskarzinom steht bei Männern an 13. Stelle der bösartigen Krebserkrankungen (2,1 % aller Krebserkrankungen) und an 8. Stelle (3,6 %) der krebsbedingen Todesursachen; bei Frauen an 22. Stelle (0,7 %) bzw. 18. Stelle (1,2 %).
- Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 67 (Männern) bzw. 71 Jahren (Frauen).
- Jährlich werden ungefähr 5.500 Neuerkrankungsfälle bei Männern und ca. 1.600 Neuerkrankungsfälle bei Frauen diagnostiziert.
- Plattenepithelkarzinome machen 50% aller Krebserkrankungen der Speiseröhre aus. Der Anteil der Adenokarzinome, die fast ausschließlich am Übergang zum Magen auftreten, ist in den letzten Jahren auf über 40% angestiegen.
Pathogenese / Risikofaktoren
- Plattenepithelkarzinome entstehen meist durch eine initiale mechanische Schädigung wie z. B. bei Achalasie, nach Strahlentherapie oder nach Verätzungen mit Säuren bzw. Laugen und in Kombination mit toxischen karzinogenen Substanzen wie Alkohol und Nikotin.
- Für Adenokarzinome im distalen Ösophagus ist der pathogenetische Zusammenhang mit einem chronischen Säure Reflux umfassend untersucht.
- Das Risiko, an einem Ösophaguskarzinom zu erkranken, wird durch folgende Faktoren erhöht:
- Plattenepithelkarzinome:
- Rauchen und Alkohol, dosisabhängig
- Männliches Geschlecht
- Tylosis (autosomal-dominante Dys/Hyperkeratose der Füße und Hände): bis zu 90 % entwickeln ein Plattenepithelkarzinom des Ösophagus
- Achalasie (= Beweglichkeitsstörung der Speiseröhre mit unzureichender Erschlaffung des unteren Speiseröhrenschließmuskels beim Schlucken)
- Stenosen nach Verätzung mit Laugen oder Säuren
- Vorbestrahlung im Hals-/Thoraxbereich (dosisabhängig)
- Vordiagnose von Plattenepithelkarzinomen im Kopf-Hals Bereich oder der Lunge
- Adenokarzinome:
- Gastro-ösophageale Refluxerkrankung (GERD): Barrett-Ösophagus
- Rauchen
- Adipositas
- Achalasie
- Stenosen nach Verätzung mit Säuren oder Laugen
- Plattenepithelkarzinome:
Klinisches Bild / Anamnese
- Frühkarzinome sind normalerweise symptomlos.
- Bei lokal fortgeschrittenen Tumoren mit Verlegung von ca. zwei Dritteln des Ösophaguslumens oder bei metastasierten Karzinomen können folgende Symptome auftreten:
- Dysphagie, Odynophagie
- Rezidivierendes Erbrechen, Übelkeit
- Inappetenz
- Frühes Sättigungsgefühl
- Gewichtsverlust, Asthenie
- Thorakale Schmerzen
- Gastrointestinale Blutung, Anämie
Anbei finden Sie einen Link zu einem Muster für die Anamneseerhebung. Die dort gelisteten Punkte geben Hinweise auf eine vollständige Anamnese, müssen aber nicht bei jedem Krankheitsbild einzeln aufgeführt werden.
Diagnostische Maßnahme
- Die Endoskopie ist die führende diagnostische Methode.
- Die Ausbreitungsdiagnostik (Staging) umfasst zumindest Laboruntersuchungen (Blutbild, Leber- und Nierenfunktionsparameter, Gerinnung, TSH), die Sonografie (Hals, Leber, ggf. auch eine endoskopische Ultraschalluntersuchung), sowie ein CT Hals/Thorax/Abdomen mit Kontrastmittel.
Klassifikation
- Lokalisationsabhängig wird primär unterschieden in Karzinome des
- zervikalen Ösophagus: bis Eintritt in den Thorax (Suprasternalgrube)
- intrathorakalen Ösophagus
- ösophagogastralen Übergangs:
- Typ I: Haupttumor im distalen Ösophagus
- Typ II: Haupttumor in der Kardia des Magens
- (Typ III: Adenokarzinom des subkardialen Magens, werden den Magenkarzinomen zugerechnet und auch entsprechend therapiert)
- Die anatomische Klassifikation basiert auf den krankheitsspezifischen TNM-Kriterien, die in der UICC-Klassifikation in Stadien zusammengefasst werden (Onkopedia - UICC-Klassifikation)
- Eine Unterteilung in molekulare Subtypen hat derzeit noch keine Auswirkungen auf die Auswahl der Behandlung.
Therapie / Prognose
- Das Ösophaguskarzinom selbst, aber auch seine Behandlung mittels Operation, Chemotherapie und/oder Strahlentherapie führt häufig zu erheblichen somatischen Folgestörungen wie z. B. Gewichtsabnahme bis zur Tumorkachexie, postoperative Maldigestion, Chemotherapie-induzierte Polyneuropathie und allgemeine Schwäche bis hin zu einem (chronischem) Fatigue-Syndrom.
- Jede initiale Behandlungsempfehlung sollte in einem multidisziplinären Tumorboard erarbeitet werden.
- Häufig liegen ein reduzierter Allgemeinzustand mit schwerer Mangelernährung (besonders beim Plattenepithelkarzinom) sowie Komorbiditäten (kardiovaskulär, pulmonal, hepatisch) vor und erschweren die Therapie bis hin zu einer "funktionellen Inoperabilität" trotz resektablem Tumor.
- Die Behandlung ist multimodal sowie komplex und erfolgt gemäß Histologie und Stadien-adaptiert. Eine detaillierte Übersicht der derzeitigen Therapiekonzepte findet sich unter Onkopedia - Therapiekonzepte
- Die (endoskopische) chirurgische Resektion steht im Mittelpunkt der potenziell kurativen Therapie in frühen Stadien, ggf. flankiert durch perioperative kombinierte Immun-/Radio-/Chemotherapie.
- Im Stadium I sind die Langzeitergebnisse nach einer Radiochemotherapie mit 5-Jahres-Überlebensraten um 60 - 70 %.
- Für Patienten im Stadium II-III, die medizinisch nicht operabel sind oder deren Ösophaguskarzinom als nicht resektabel eingeschätzt wird, liegt mit einer Radiochemotherapie das 5-Jahresüberleben bei 10 - 35 %.
- Das mediane Gesamtüberleben bei Patienten und Patientinnen mit Stadium IV liegt unter einem Jahr.