Störungsspezifische Beschreibung
Die folgende Kurzübersicht basiert primär auf den umfassenden und als weiterführende Literatur empfohlenen "Onkopedia-Leitlinien" der beteiligten Fachgesellschaften DGHO, OeGHO, SSMO und AIO (www.onkopedia.com). Ergänzende Aspekte stammen aus dem detaillierten "Leitlinienprogramm Onkologie" der AWMF, DKG und DKH (www.leitlinienprogramm-onkologie.de).
Epidemiologie (bezogen auf Deutschland)
- Jährlich werden ungefähr 33.500 Neuerkrankungsfälle bei Männern und ca. 29.500 Neuerkrankungsfälle bei Frauen in Deutschland diagnostiziert. Darmkrebs liegt damit bei Frauen an zweiter Stelle, bei Männern an dritter Stelle in der Häufigkeit aller Krebserkrankungen.
- Etwa zwei Drittel der Fälle (Männer 60 %, Frauen 66 %) betreffen den Dickdarm, jährlich versterben etwa ca. 16.000 an Darmkrebs.
- Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei Männern bei 74 Jahren und bei Frauen bei 77 Jahren.
Pathogenese / Risikofaktoren
- Das kolorektale Karzinom ist biologisch heterogen:
- Der "klassische" Weg der Adenom-Karzinom-Sequenz ist molekularbiologisch mit primären Mutationen im APC-Gen und chromosomaler Instabilität assoziiert.
- Ein anderer Entstehungsweg geht über die sogenannten serratierten Adenome mit epigenetischen Promotor-(CpG)-Methylierungen und hoher Mikrosatelliten-Instabilität, daneben gibt es Mischformen.
- Das Risiko, an einem kolorektalen Karzinom zu erkranken, wird durch folgende Faktoren erhöht:
- definierte genetische Krankheitsbilder (etwa 3% der Neuerkrankungen), z. B. hereditäres kolorektales Karzinom ohne Polyposis (HNPCC, Lynch Syndrom), Familiäre Adenomatöse Polyposis (FAP) mit Keimbahnmutationen innerhalb des APC Gens
- anamnestisch genetische Belastung: Erkrankung bei einem oder mehreren Verwandten ersten Grades vor dem 50. Lebensjahr
- kolorektale Adenome als Vorläufer sporadischer Karzinome (Adenom-Karzinom-Sequenz)
- chronisch entzündliche Darmerkrankungen: Colitis ulcerosa, Morbus Crohn
- toxisch: hoher Alkoholkonsum, Rauchen
- Ernährung: ballaststoffarm, fettreich, hoher Anteil an rotem Fleisch und verarbeiteten Wurstwaren, geringer Anteil an Gemüse
- Lebensstil: Adipositas, Bewegungsmangel
Klinisches Bild / Anamnese
- Charakteristische Frühsymptome fehlen.
- Lokale Symptome: Blut im Stuhl, Änderungen der Stuhlgewohnheiten, Schmerzen, Krämpfe, Ileus
- Allgemeinsymptome: ungewollte Gewichtsabnahme, Leistungsknick, Symptome der Anämie, paraneoplastische Syndrome
- Symptome aufgrund von Metastasen sind Ikterus und Leberinsuffizienz bei fortgeschrittener Lebermetastasierung, Husten und Dyspnoe bei pulmonaler und / oder pleuraler Metastasierung, seltener Knochenschmerzen bei Skelettmetastasen oder neurologische Symptome bei zerebraler Metastasierung.
Anbei finden Sie einen Link zu einem Muster für die Anamneseerhebung. Die dort gelisteten Punkte geben Hinweise auf eine vollständige Anamnese, müssen aber nicht bei jedem Krankheitsbild einzeln aufgeführt werden.
Diagnostische Maßnahme
- Im Rahmen der Früherkennung werden durch die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland risikogruppen- und altersadaptiert umfangreiche diagnostische Untersuchungen angeboten (siehe Onkopedia - Früherkennung).
- Diagnostische Maßnahmen bei neu aufgetretenen Symptomen umfassen speziell die digitale rektale Untersuchung sowie Kolo-/Rekto-/Sigmoidoskopie mit Biopsie.
- Die ggf. nachfolgende Ausbreitungsdiagnostik (Staging) beinhaltet primär die Sonographie des Abdomens, CT bzw. MRT Abdomen, Röntgen/CT Thorax.
Klassifikation
- Die anatomische Klassifikation basiert auf den krankheitsspezifischen TNM-Kriterien, die in der UICC-Klassifikation in Stadien zusammengefasst werden: Onkopedia - Kolonkarzinom bzw. Onkopedia - Rektumkarzinom
Therapie / Prognose
- Die Therapieplanung ist komplex und erfolgt adaptiert gemäß insbesondere Ausbreitungsstadium, Rezidivstatus und molekularen Subtypen.
- Die fortlaufende Neuentwicklung antitumoröser Substanzen im Rahmen klinischer Therapiestudien und die stetig wachsende Zahl relevanter Forschungsergebnisse hinsichtlich distinkter molekularbiologischer Subtypen führen zu einer dynamischen Therapiestruktur mit häufigen Aktualisierungen, die individuelle Therapieplanung erfolgt deshalb in der Regel durch spezialisierte Tumorboards.
- In den UICC-Stadien I - III steht normalerweise initial die Komplettresektion des Tumors mit kurativer Zielsetzung im Mittelpunkt. Die 5-Jahres-Überlebensraten liegen in den Stadien I + II bei 80 bis 100 %, speziell im Stadium III führt eine adjuvante medikamentöse Tumortherapie zu einer signifikanten Reduktion der Rezidivrate und einer Überlebensrate nach 5 Jahren von ca. 60 - 70 %.
- Im Stadium IV liegt die krankheitsfreie Überlebensrate von Patienten und Patientinnen mit resektablen Leber- oder Lungenmetastasen bei bis zu 50 % nach 5 Jahren. Bei nicht-resektablen Metastasen ist die Therapiestrategie palliativ, durch den primär sequenziellen Einsatz verschiedener Optionen (Chemotherapie, zielgerichtete Therapien, Immuntherapien) sind jedoch heutzutage ein mehrjähriges Gesamtüberleben auch im nicht-operierten Stadium IV durchaus erreichbar.
- Eine detaillierte Übersicht der derzeitigen Therapiekonzepte gemäß Tumorstadien und Risikogruppen findet sich unter Onkopedia - Therapiekonzepte (Kolonkarzinom) bzw. Onkopedia - Therapiekonzepte (Rektumkarzinom).
- Die Nachsorge erfolgt strukturiert/standardisiert, um frühzeitig ein eventuelles Rezidiv zu erkennen, eine Verlängerung der Überlebenszeit bzw. Erhöhung der Heilungschance zu erreichen sowie eventuelle (späte) Nebenwirkungen der Therapie zu erkennen und zu behandeln.