Deutsche Rentenversicherung

Diabetes mellitus

Krankheitsbild, Anamnese, Diagnostik, Therapie, Krankheitsverlauf und Prognose
Stand: 01.07.2025

Bei der Erstellung eines Gutachtens für die Deutsche Rentenversicherung sind die Subtypen 1 und 2 des Diabetes mellitus relevant. Daher wird im Begutachtungsportal auf diese Subtypen detaillierter eingegangen.

 

Störungsspezifische Beschreibung

Diabetes mellitus ist eine chronische Stoffwechselerkrankung, die Menschen jeden Alters betreffen kann und ein Sammelbegriff für heterogene Störungen des Stoffwechsels, deren Leitbefund die chronische Hyperglykämie ist. Ursache ist entweder eine gestörte Insulinsekretion (SAID, severe autoimmune diabetes) oder eine gestörte Insulinwirkung (SIDD, severe insulin-deficient diabetes) oder oft beides.

Man unterscheidet den Typ 1-Diabetes, den Typ 2-Diabetes, andere spezifische Diabetestypen und den Gestationsdiabetes.

Prävalenz: In Deutschland gibt es aktuell rund 11 Millionen Menschen mit Diabetes mellitus, darunter 9,1 Millionen mit einem diagnostizierten Typ-2-Diabetes und 372.000 mit Typ-1-Diabetes.

Etwa 340.000 Erwachsene in Deutschland haben Diabetes Typ 1, zusätzlich sind etwa 32.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren betroffen.

Das mittlere Alter bei Typ 2-Diabetes-Diagnose liegt derzeit bei 61 Jahren bei Männern und 63 Jahren bei Frauen. Bis zur ersten Diagnose leben die Betroffenen etwa acht Jahre lang mit einem unentdeckten Diabetes.

Auch Kinder und Jugendliche sind von einem Typ 2-Diabetes betroffen.

In den Jahren 2014 bis 2022 zeigt sich eine durchschnittliche jährliche Zunahme der Prävalenz um 7,2 %, diese Zahlen berücksichtigen allerdings auch die höheren Prävalenzen aus den beiden Pandemiejahren 2021 und 2022. Im Jahr 2022 waren durchschnittlich 18 von 100.000 Kindern/Jugendlichen im Alter von 11-17 Jahren an Typ 2-Diabetes erkrankt, das entspricht einer absoluten Zahl von 973 Betroffenen. Die Prävalenzen sind bei 14- bis 17-Jährigen am höchsten, Mädchen sind häufiger betroffen als Jungen.

Die Prävalenz des Diabetes in Deutschland ist regional ungleichmäßig verteilt:

Im Osten Deutschlands sind durchschnittlich 11,6 % der Menschen an Typ-2-Diabetes erkrankt, in den westlichen Bundesländern nur 8,9 %. Dies mag durch eine sozioökonomische Benachteiligung in bestimmten strukturschwächeren Regionen begründet sein mit entsprechendem Einfluss auf den Gesundheitszustand der Bevölkerung (z. B. eine höhere Arbeitslosenquote, weniger kommunale Gesundheitsförderung, die Gestaltung der Wohngegend oder die sog. "Walkability", etc.).

International sinken die Mortalitätsraten von Diabetes mellitus seit mehr als 20 Jahren stetig, was auf eine verbesserte Versorgung der Betroffenen und die verbesserte Prävention und Therapie diabetesbedingter Komplikationen zurückzuführen ist.

Diabetesformen

Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) unterscheidet hauptsächlich drei Formen von Diabetes: Typ 1, Typ 2 und Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes).

Darüber hinaus gibt es seltener auftretende sekundäre Diabetesformen, die unter dem Begriff Typ 3 zusammengefasst werden und den seit 2025 neu eingeführten Diabetes mellitus Typ 5 als ein Subytp des Diabetes mellitus infolge von Mangel- und Unterernährung im Kindesalter ("malnutrition-related diabetes mellitus", MRDM)

Typ 1-Diabetes

  • Manifestation durch eine autoimmun vermittelte Zerstörung der Beta-Zellen und genetischer Prädisposition kommt es in der Regel zu einem absoluten Insulinmangel
  • Dieser Mechanismus liegt auch vor bei einem:
  • LADA ("Latent Autoimmune Diabetes in Adults"):

Der LADA ist ein sich meist langsam entwickelnder Diabetes im höheren Alter (> 35 Jahre), verbunden mit einem Verlust der Betazellfunktion, der Antikörper-Status sowie die erniedrigten C-Peptidwerte führen zur Diagnose: Je nach Geno- und Phänotyp sowie Immunstatus kann sich rascher oder auch langsamer eine Insulinpflichtigkeit entwickeln, viele Patienten entsprechen phänotypisch eher einem Typ-2-Diabetes. Da die Gruppe des LADA sehr heterogen ist, wird der LADA regelhaft bisher dem Typ-1-Diabetes zugeordnet, wobei dies klinisch nur bei bestehender Insulinpflichtigkeit gerechtfertigt ist, Männer sind häufiger als Frauen betroffen.

  • Checkpoint-Inhibitor-induzierter Diabetes (CIADM) mit/ohne Antikörperbildung: Diabetes mellitus, der als immunvermittelte Nebenwirkung (irAE) einer Krebsimmuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren, die zur Zerstörung pankreatischer β-Zellen
  • Diese Diabetesform findet sich bei 5-10 % aller Diabetestypen
  • Typisches Manifestationsalter ist das Kindes- (auch Säuglings-) bis Erwachsenenalter
  • Klinische Manifestation: akut mit Polyurie, Polydipsie, schwerer Hypoglykämie und Ketoazidose
  • Oft begleitende Autoimmunerkrankungen: Autoimmunthyreoiditis und Zöliakie

Typ 2-Diabetes

Der Typ 2-Diabetes ist eine chronische, sehr heterogene, progrediente Erkrankung, die unter anderem durch vererbte oder erworbene Insulinresistenz und durch qualitative sowie quantitative Insulinsekretionsstörungen der ß-Zellen des Pankreas charakterisiert ist. Das pathophysiologische Spektrum kann sich erstrecken von einer vorwiegenden Insulinresistenz mit relativem Insulinmangel bis zu einem weitgehenden sekretorischen Defekt mit Insulinresistenz und ist häufig assoziiert mit anderen Erkrankungen (z. B. dem metabolischen Syndrom).

  • Multifaktorielle Manifestation bei genetischer Prädisposition
  • Diese Diabetesform finden sich bei 90-95 % aller Diabetestypen
  • Typisches Manifestationsalter ist das Erwachsenenalter
  • Langsam schleichende Manifestation, Diagnosestellung oft durch die Manifestation von Folgeerkrankungen, oft moderate Hyperglykämie
  • Typische Begleiterkrankungen sind Adipositas, Hypertonie, Dyslipidämie, metabolisches Syndrom

Andere spezifische Diabetestypen

Die große Gruppe des Diabetes mellitus Typ 3 fasst alle weiteren Diabetesformen zusammen, deren zugrundeliegendes pathophysiologisches Schädigungsmuster sich in der Regel nicht durch die autoimmunologisch vermittelte Zerstörung des Pankreasgewebes mit absolutem Insulinmangel und subakuter Hyperglykämie oder durch die verminderte periphere Wirksamkeit des produzierten Insulins an den Körperzellen mit chronischer Hyperglykämie erklären lässt.

  • Subtypen: Diabetes durch
    • Erkrankung des exokrinen Pankreas (z. B. Mukoviszidose und Pankreatitis, Hämochromatose, Pankreaskarzinom, nach Pankreaschirurgie) - die diagnostischen Kriterien unterscheiden sich nach Hauptkriterien (müssen alle vorhanden sein) und Nebenkriterien
    • Endokrinopathien ((z. B. Cushing-Syndrom, Hyperthyreose, Akromegalie, Phäochromozytom)Medikamenten- oder chemikalieninduziert (z. B. Diazoxid, Glucocorticoide, Interferon, Phenytoin, Neuroleptika. Thiazidddiuretika)
    • Diabetes durch Infektionen
    • Seltene Formen des immunvermittelten Diabetes (z. B. das "Stiff-Person"-Syndrom und der durch "Anti-Insulinrezeptor-Antikörper" verursachte Diabetes)
    • Andere gelegentlich mit Diabetes assoziierte genetische Syndrome (z. B. verschiedene monogene Erbkrankheiten wie
      • Chromosomen-Anomalien: Down-Syndrom, Klinefelter- und Turner-Syndrom,
      • Basenpaar-Wiederholungs-Syndrome: Friedreich-Ataxie, Huntington-Krankheit und Dystrophia myotonica
      • Krankheiten des endoplasmatischen Retikulums: Wolfram-Syndrom oder
      • schwere Adipositas-Syndrome: Bardet-Biedl-Syndrom und Prader-Willi-Syndrom sowie
    • Genetische Defekte der Beta-Zell-Funktion (z. B. MODY- und neonatale Formen):
    • MODY ("Maturity Onset Diabetes of the Young"): Der MODY stellt die häufigste Form des monogen bedingten Diabetes dar und umfasst eine heterogene Gruppe ohne Insulinresistenz oder Autoimmunität. Es werden 14 verschiedene Diabetestypen je nach Klinik und betroffenem Gen (Typ  2 (GCK) und 3 (HNF1A) am häufigsten) unterschieden, deren Diagnose meist vom Jugendlichen- bis zum Erwachsenenalter gestellt wird.

      Typische Begleiterkrankungen richten sich nach dem MODY-Typ, unter anderem finden sich Nierenzysten (z.B. Typ 5 (HNF1B-Gen).

Gestationsdiabetes

Ein Gestationsdiabetes (Schwangerschaftsdiabetes) ist eine erstmals während der Schwangerschaft (im zweiten oder dritten Trimenon) auftretene oder diagnostizierte Glukoseverwertungsstörung aufgrund einer sich neu manifestierenden Insulinresistenz. An dem sogenannten Gestationsdiabetes (Schwangerschaftsdiabetes) erkranken in Deutschland etwa 45.000 Frauen jährlich (5-7 % aller Schwangeren). Frauen mit einem Schwangerschaftsdiabetes haben ein 7-fach erhöhtes Risiko, später an einem manifesten Diabetes zu erkranken.

  • Multifaktorielle Manifestation bei genetischer Prädisposition
  • klinische Manifestation erfolgt optimalerweise durch ein Screening in der 24.-27. Schwangerschaftswoche.

Typ 5-Diabetes

Der Diabetes mellitus Typ 5 ist ein 2025 von der IDF neu eingeführter Subytp des Diabetes mellitus als Spätfolge chronischer Mangel- und Unterernährung im Kindesalter, offiziell bezeichnet als "malnutrition-related diabetes mellitus" (MRDM). Vermittelt wird der Effekt durch eine reduzierte Betazellfunktion bei gleichzeitig gesteigerter Glukoseabsorption, vermutlich als Anpassung an den chronischen Energiemangel.

 


 

Anamnese

Neben der Erhebung der allgemeinen internistischen Anamnese sind entsprechend der ICF vornehmlich Funktionsstörungen mit Auswirkungen auf Teilhabe und Aktivitäten unter Berücksichtigung der Kontextfaktoren zu erfragen.

Störungsspezifische Anamnese

Typ-2-Diabetes kann über einen langen Zeitraum asymptomatisch verlaufen. Daher ist die Anamnese hinsichtlich diabetesspezifischer Symptome gleich zu Erkrankungsbeginn nicht immer zielführend. Umso bedeutender ist sie aber im Kontext beeinflussender Faktoren des Glukosestoffwechsels (z. B. Medikamenteneinnahme, Grunderkrankung, vorherige Nahrungsaufnahme) zwecks Evaluation des Diabetesrisikos.

Störungsspezifische Beschreibung der Symptome

  • Diabetesdauer
  • Diabetesmanagement:
    • Glucose-Messverhalten
    • Nadel-/Katheterwechsel
    • Nutzung adäquater Hilfsmittel bspw. CGM mit Alarmfunktion
    • Veranlassung von Anpassungen/Korrekturen des therapeutischen Regimes
    • Berücksichtigung von Alarmeinstellungen mit resultierender Handlungskonsequenz (Not-BEs, Korrekturboli, Anpassung des Bewegungsverhaltens/Sportprogramms, etc.)
    • Auslesen von Blutzuckermessgeräten/Sensoren?
  • Entgleiste Glucosewerte:
    • Hypoglykämien (Frequenz und Schwere), Fremdhilfe
    • Hyperglykämien
  • Folgeerkrankungen:
    • Welche? Augen, Füße? Nerven, Nieren, Fachärztliche Mitbehandlung, Stadium, Kontrollintervalle, Therapieoptionen, Hilfsmittel?
  • Nutzung von Therapieoptionen:
    • Diabetesschulungen: welche, wie oft, wann zuletzt?
    • Glucosekontrolle: wie, wie oft und welches System?
    • Bisherige Therapie (Basistherapie, medikamentös und/oder Insulin)
    • Insulinapplikation: Pen oder Pumpe? BOT (Basal orientierte Therapie), CT (konventionelle (Insulin-)Therapie) oder ICT (intensivierte konventionelle (Insulin-) Therapie, AID (Automated Insulin Delivery) - oder AHCL (Advanced Hybrid Closed Loop) -Nutzung
    • Anbindung an eine Diabetesschwerpunktpraxis
    • Komedikation
    • Psychotherapeutische Behandlungen
    • Weitere therapeutische Behandlungsoptionen

Somatische und psychische Anamnese

  • Erfragung weiterer aktueller körperlicher oder psychischer Erkrankungen, ggf. Wechselwirkung zwischen psychischer Störung und somatischen Erkrankungen
  • Die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität ist bei Menschen mit Typ 2 Diabetes kritisch erhöht, insbesondere für Herzinsuffizienz sowie Diabetiker mit/ohne chronischer Nierenerkrankung. Bereits beim Vorliegen eines prä-Typ-2-Diabetes mit gestörter Glukosetoleranz finden sich oft makroangiopathische Veränderungen mit multifaktorieller Genese (metabolisches Syndrom)
  • Erkrankungen in der Vorgeschichte

Vegetative Anamnese

  • Ernährung/Inappetenz
  • Gewichtsentwicklung (Zunahme/ungewollte Abnahme)
  • Durst/häufiges Wasserlassen
  • Kontinenzprobleme
  • Infektneigung (insbesondere Entzündungen der Haut)
  • Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Schwäche
  • Schlafstörung/Schnarchen mit Apnoephasen (OSAS = obstruktives Schlafapnoe-Syndrom)
  • Körperliche Aktivität/Inaktivität
  • Hyperhidrosis / Hypohidrosis
  • Darmfunktion (insbes. Slow Transit Constipation bei autonomer Neuropathie (NP))
  • Sexuelle Dysfunktionen/erektile Dysfunktion
  • Sehstörungen

Arbeits- und Sozialanamnese

  • Schulbildung, erreichter Schulabschluss
  • Ausbildung, berufliche Qualifikation(en)
  • Bisherige Tätigkeiten
  • Derzeitige berufliche Tätigkeit
  • Gesundheitlich bedingter Tätigkeitswechsel / Berufswechsel
  • Soziales Umfeld
  • Entwicklung der Lebenssituation
  • Partnerschaftliche / familiäre / soziale Integration
  • Selbstständigkeit in der Lebensführung
  • Kindererziehung
  • Pflege von Angehörigen
  • Finanzielle Situation
  • Wohnsituation

Situation am Arbeitsplatz - letzte sozialversicherungspflichtige Tätigkeit

  • Arbeitsplatzbeschreibung:
  • Konkrete Beschreibung des Arbeitsplatzes, der Arbeitsinhalte, der Arbeitsatmosphäre
  • Schilderung eines üblichen Tagesablaufes auf der Arbeit
  • Kontakthäufigkeit zu Kollegen, Kunden
  • Therapieregime am Arbeitsplatz:

Folgende Fragen sind zu klären: Ist der Diabetes bei Kollegen bekannt? Können/dürfen "Not-BEs" zugeführt werden bei drohender Unterzuckerung? Kann/darf der BZ am Arbeitsplatz gemessen werden? Darf das Handy benutzt werden, wenn sich bei AHCL (Advanced Hybrid Closed Loop) - Systemen die Plattform des Algorithmus darüber bedient wird? Sind die Kollegen geschult im Umgang mit Hypoglykämien?

  • Umgang mit Konflikten
  • Handlungs- / Verantwortungsspielraum auf der Arbeit
  • Tätigkeitbezogene Belastungsfaktoren:
  • Besondere physische und psychische Belastungen am Arbeitsplatz
  • Selbsteinschätzung des beruflichen Leistungsvermögens
  • Beeinträchtigungen am Arbeitsplatz
  • Stellt der Arbeitgeber wichtige Hilfsmittel zur Verfügung, z.B. Schutzschuhe?
  • Arbeitsunfähigkeitszeiten und deren Begründung:
  • Betriebsärztliche Betreuung/Unterstützung bei der jeweiligen Problemlösung (Dienstvorschriften, Pausenregelung, Flexibilisierung der Arbeitszeit, betriebsinterne Umsetzung, etc.)
  • Bisherige Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA)
  • Weg zur Arbeitsstelle

Einstellungen zur Arbeit

  • Subjektive Bedeutsamkeit der Arbeit
  • Leistungsanspruch / Verausgabungsbereitschaft
  • Pflichtgefühl / Perfektionsstreben
  • Selbstwirksamkeitsgefühl
  • Durchsetzungsvermögen
  • Teamfähigkeit / Soziale Kompetenz
  • Konfliktfähigkeit / Problembewältigung
  • Distanzierungsfähigkeit von Problemen

Krankheitsbewältigung

  • Leidensdruck / subjektive Beeinträchtigung
  • Krankheitserleben / subjektives Krankheitskonzept
  • Fähigkeit zur Krankheitsbewältigung
  • Selbstwirksamkeitserleben
  • Veränderungsmotivation
  • Sekundärer Krankheitsgewinn
  • Teilnahme an Selbsthilfegruppen

Ausmaß psychosozialer Unterstützung

  • Privates Umfeld
  • Berufliches Umfeld

Außerberufliche Aktivitäten

Die Wahrnehmung vieler außerberuflicher Aktivitäten (insbesondere Sport, Reisen und körperlich anspruchsvolle sportliche Nebentätigkeiten, die zu wechselnden Tageszeiten mit unterschiedlicher Intensität betrieben werden) erfordern ein hohes Motivations- und Kompetenzniveau des Diabetesmanagements durch die Betroffenen. Diese Tätigkeiten erfordern außerdem oft eine planerische Vorausschau und gute Kenntnis der pathophysiologischen Zusammenhänge.

  • Schilderung eines üblichen Tagesablaufes / Alltagsgestaltung
  • Hobbys, Reisen, Sport
  • Nebenberufliche Tätigkeiten
  • Teilnahme an Vereinen, Wahrnehmung von Ehrenämtern

Biografische Entwicklung und Familienanamnese

  • Gestationsdiabetes in der Vorgeschichte, Geburt von Kindern > 4000 g Geburtsgewicht
  • Krankheitsrelevante Belastungen in Kindheit, Jugend, Erwachsenenalter
  • Familiäre Belastung bezüglich psychischer oder körperlicher Störungen in der Familie, insbesondere: Diabetes, Übergewicht/Adipositas, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, Herzinfarkte/Schlaganfälle, frühe Sterblichkeit, Amputationen
  • Weitere Autoimmunerkrankungen in der Familien- oder Eigenanamnese: Autoimmunthyreoiditis, Zöliakie (Typ 1-Diabetes), Nierenzysten (HNF1B beim MODY Typ 5)

Begleitumstände der Antragsstellung / sozialversicherungsrechtlicher Status

  • Anlass der Antragsstellung
  • GdB, GdS, Pflegestufe etc.
  • Aktuelle Leistungen anderer Sozialleistungsträger
  • Bisherige Leistungen von Sozialleistungsträgern
  • Laufende Sozialgerichtsverfahren

Der eine Schwerbehinderung definierende Grad der Behinderung (GdB) ab 50 wird allein aufgrund Diabetes nicht zuerkannt. Neben hohem Therapie-Aufwand ist hierfür erforderlich, dass die Betroffenen zusätzlich durch weitere erhebliche Einschnitte gravierend in ihrer Lebensführung beeinträchtigt sind.

Kindern und Jugendlichen mit Diabetes wird das Merkzeichen "H" (Hilflosigkeit) bis zum vollendeten 16. Lebensjahr gewährt.

Mobilität

  • Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln
  • Transportmittel zum Aufsuchen des Gutachters / der Gutachterin
  • Anreise zur Reha-Einrichtung
  • Fahrtauglichkeit


 

Diagnostik

Klinischer Untersuchungsbefund

Allgemeiner körperlicher Untersuchungsbefund, u. a. auch

  • Größe / Gewicht mit BMI und Taillenumfang: Gewichtsverlauf? Blutdruck / Puls
  • Orientierende Prüfung von Hör- und Sehvermögen
  • Beschreibung der Bewegungsabläufe
  • Äußerliche körperliche Veränderungen
  • Händigkeit
  • Verschwielung der Hände / Füße, Fuß (- zehen)
  • Fußstatus: Sensibilitätstestung der Füße mit Rydell-Seiffer-Stimmgabel und/oder Monofilamenten mit Ergebnisdokumentation, Inspektion: Druckstellen? / (offene) Wunden?
  • Schuhwerk: Schuhsohlen und -werk insgesamt sind zu beachten auf ungleiche Abnutzungs- also Belastungsspuren (immer austasten), werden verordnete Weichschaumbettungen / Maßschuhe getragen? Abnutzungsspuren an den Einlagen

Fachspezifischer Untersuchungsbefund

Im Vordergrund steht das Gesamtbild des Betreffenden unter Berücksichtigung von Akzeptanz und Verantwortungsbewusstsein hinsichtlich des Managements dieser Stoffwechselstörung – Krankheitsbewältigung.

Besondere Berücksichtigung bedürfen dabei die geistige Agilität, feinmotorische Koordination, der pflegerische Ist-Zustand im Hinblick auf die Hautbeschaffenheit (trocken/schuppig? Pilzbefall?) und etwaige Begleiterkrankungen.

Immer zu untersuchen/dokumentieren sind dabei der/die:

  • Fußstatus – s. Klinischer Untersuchungsbefund + Schuhe
  • Injektionsstellen bei Insulintherapie und/oder mit GLP-1-RA ("Glucagon-like-peptide"-1-Rezeptoragonist) behandelten Menschen
  • Implantationsstellen bei mit FGM ("Flash-Glucose-Monitoring") - / CGM ("Continuous Glucose Monitoring") - behandelten Menschen

Psychischer Befund

  • Basisfunktionen der psychischen Funktionen (z.B. Orientierung, Aufmerksamkeit, Gedächtnis, formales Denken, Affektivität, weitergehende Information im Anhang der DRV-Schrift 21 , Das ärztliche Gutachten für die deutsche Rentenversicherung, Hinweise zu Begutachtung, 2. Aufl., Januar 2019, S. 55)

Labordiagnostik

Die Labordiagnostik bei Diabetes umfasst die Bestimmung von Blutglucosewerten, HbA1c, Autoantikörpern und gegebenenfalls C-Peptid. Bei Verdacht auf Ketoazidose werden auch pH- und Ketonkörperbestimmungen durchgeführt. 

Laborparameter allgemein

  • Kreatinin-Clearance ("estimated Glomerular Filtration Rate ": eGFR)
  • Lipidprofil einschließlich LDL-, HDL-Cholesterin
  • Harnsäure
  • Urin-Analysen inkl. Urin-Albumin-Kreatinin-Ratio, gegebenenfalls vorher Urin-Status
  • Ketonkörper im Urin oder Blut (nur bei hohen Blutglukosewerten und evtl. bei SGLT2 ("Sodium glucose linked transporter 2") -Inhibitor-Therapie

Laborparameter speziell

Typ-1-Diabetes

Ursache des Typ-1-Diabetes ist eine zellulär vermittelte, chronische autoimmune Zerstörung der Beta-Zellen. Die Messung von spezifischen Insel-Autoantikörpern ist für die Differenzialdiagnose der verschiedenen Diabetestypen unentbehrlich:

  • Autoantikörper gegen Glutamat-Decarboxylase der B-Zelle (GAD65A) (Prävalenz bei Erstdiagnose 60-85 %)
  • Autoantikörper gegen Tyrosinphosphatase (IA-2ª) und IA-2β (50-85 %)
  • Autoantikörper gegen den Zink-Transporter 8 der B-Zelle (ZnT8) (50-80 %)
  • Insulinautoantikörper (IAA) (nur im Kindes- und Adoleszentenalter) (Erwachsene: < 30 %, Kinder <5 Jahre: >90 %)
  • Inselzellantigene (ICA) (variabel)

Die Diagnose eines Typ-1-Diabetes wird bei Nachweis eines oder mehrerer dieser Autoantikörper gestellt. Die Insulin-Autoantikörper lassen sich oft bereits jahrelang vor der klinischen Manifestation bei Menschen mit hohem Erkrankungsrisiko nachweisen und dienen daher als wichtiger frühdiagnostischer und prädiktiver Marker. Im Gegensatz zu den klassischen Labormessgrößen wie z.B. Glucose und HbA1c, weisen Insel-Autoantikörper eine hohe biologische Variabilität auf.

 

Typ-2-Diabetes

  • Messgröße venöse Plasmaglukose
    • Gelegenheitsplasmaglukosewert 11,1 mmol/l ( 200 mg/dl) oder
    • Nüchternplasmaglukose 7,0 mmol/l ( 126 mg/dl) (Fastenzeit 8-12 Stunden) oder
    • oGTT (oraler Glucosetoleranz-Test) -2-h-Wert im venösen Plasma 11,1 mmol/l ( 200 mg/dl)
    • Gestörte Glucosetoleranz: IGT ("impaired glucose tolerance): 2-h-Plasmaglukosewert im oGTT im Bereich von 7,8-11,0 mmol/l (140-199 mg/dl) bei Nüchternglukosewerten von 5,6-7,0 mmol/l (100-126 mg/dl) im venösen Plasma
    • Abnormal erhöhte Nüchternglukosewerte: IFG "(impaired fasting glucose") für den Bereich der Nüchternglukose von 5,6 mmol-6,9 mmol/l (100-125 mg/dl) im venösen Plasma

  • HbA1c zur Diagnose
    • HbA1c-Wert 48 mmol/mol Hb (HbA1c-Wert 6,5 %)
      HbA1c-Werte sind nur dann aussagekräftig, wenn mit hinreichender Sicherheit keine Störfaktoren oder Einflussgrößen vorliegen.
    • Prädiabetes
      • In Empfehlungen vieler Diabetes-Fachgesellschaften wird ein eine HbA1c-Wert von 39-48 mmol/mol Hb (5,7-6,4 %) "Prädiabetes" genannt. Eine IFG und eine IGT sind in der Regel bei unterschiedlichen Kollektiven zu finden. Oft manifestiert sich der Prädiabetes entweder als IFG oder als IGT. Bei vielen Menschen mit einer Glukoseverwertungsstörung bestehen eine IFG und eine IGT.

    • Laborwerte im Bereich des erhöhten Diabetesrisikos
      Laborwerte in diesem Bereich (NPG 100 bzw. 110 bis 125 mg/dl, HbA1c 5,7 bis < 6,5 %, siehe Tabelle X) sind mit einem erhöhten Risiko für Diabetes sowie Mikro- und Makroangiopathien verbunden. Die Leitlinie empfiehlt lebensstilmodifizierende Maßnahmen. Diese können das Risiko, an einem Diabetes zu erkranken, mindern sowie möglicherweise die Folgen des Diabetes senken.

    • Neuer Diagnosealgorithmus
      Zwei Laborwerte im pathologischen Bereich sind notwendig, um die Diagnose Diabetes zu stellen. Die Kombination unterschiedlicher Messverfahren kann die Limitationen der einzelnen Verfahren ausgleichen. So wird das Risiko für Über- und Unterdiagnostik reduziert.


  • Die Diagnose wird als bestätigt angesehen, wenn zwei Ergebnisse der Laborwerte (NPG + HbA1c, NPG + GPG, 2x NPG, HbA1c + GPG) im pathologischen Bereich liegen
  • Die GPG ist nur zur Diagnosestellung zu verwenden, wenn das Ergebnis im eindeutig pathologischen Bereich liegt
  • Stellt sich eine Person mit diabetesspezifischen Symptomen vor, ist aus Sicht der Leitliniengruppe ein eindeutig pathologisches Ergebnis eines Laborparameters zur Diagnosestellung ausreichend
  • Sind die Ergebnisse widersprüchlich und/oder liegen im Bereich des erhöhten Risikos, wird ein Vorgehen entsprechend der klinischen Situation, des Diabetesrisikos und der therapeutischen Konsequenz Es wird ein dritter Laborwert bestimmt, ggf. wird ein oGTT durchgeführt
  • Nicht geeignet ist HbA 1c zur Diabetes-Diagnose bei Neugeborenen (HbF ~90 %), Schwangeren zur Diagnose eines Gestationsdiabetes, Frauen bis ca. 2 Monate post-partum, hyperglykämisch wirkenden Medikamenten, z. B. Glukokortikoiden, Psychopharmaka bei Einnahme < 2 Monate, Erkrankungen des Pankreas (inkl. Pankreas-OP), Bluttransfusionen, Blutspende, größeren Blutungen (OP, Unfälle)
  • Den Algorithmus zur Diagnostik bei Verdacht auf Diabetes mellitus zeigt folgende Abbildung:

Abbildung: Algorithmus zur Diagnostik bei Verdacht auf Typ-2-Diabetes

Algorithmus zur Diagnostik bei Verdacht auf Typ-2-Diabetes Algorithmus zur Diagnostik bei Verdacht auf Typ-2-Diabetes

Quelle:Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Typ-2-Diabetes – Langfassung. Version 3.0. 2023. DOI: 10.6101/AZQ/000503. www.leitlinien.de/diabetes.

 

Unter diabetesassoziierten Erkrankungen werden nach abweichenden Einschätzungen der Fachgesellschaften zusammenfassend eine diabetische Retinopathie/Nephropathie/Polyneuropathie und diabetische Makro- und/oder Mikroangiopathie verstanden.

 

Die Laborkriterien zur Diagnosestellung oder zum Ausschluss eines Diabetes mellitus zeigt die folgende Tabelle:

Tabelle: Laborkriterien zur Diagnostik des Diabetes mellitus

Laborkriterien zur Diagnostik des Diabetes mellitus Laborkriterien zur Diagnostik des Diabetes mellitus

NPG: Nüchternplasmaglukose, GPG: Gelegenheitsplasmaglukose

Quelle: Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Typ-2-Diabetes – Langfassung. Version 3.0. 2023. DOI: 10.6101/AZQ/000503. www.leitlinien.de/diabetes.

 
 

Therapieoptionen

Eine optimale Therapie zielt neben der Verbesserung der Stoffwechselparameter und der Behandlung von Folgeerscheinungen auf eine Minimierung von Risiko- und Kontextfaktoren ab und berücksichtigt den psychosozialen Hintergrund.

Therapeutisch muss bei der individuellen Therapieplanung nicht nur die Vermeidung der Unterzuckerung, sondern auch der Überzuckerung beachtet werden, da nicht allein Hypoglykämien, sondern auch Hyperglykämien lebensbedrohliche Zustände bewirken können.

Therapie des Diabetes mellitus Typ 2

Allgemeine und spezifische Therapieziele

Die nicht-medikamentöse Basistherapie bietet für rund 50 % der Typ-2-Diabetiker eine wirkungsvolle Therapieoption und ist die Grundlage der Behandlung.

Erst wenn nicht-medikamentöse Maßnahmen ausgeschöpft sind, steht die Indikation zur medikamentösen Therapie.

Genauso wichtig ist die zielorientierte Behandlung der Begleit- und Folgeerkrankungen und ggf. die Raucherentwöhnung.

Überblick Therapiemaßnahmen

  • Basistherapie
    • Ernährungsberatung und -therapie sowie
    • Bewegungstherapie mit gesteigerter körperlicher Aktivität und Gewichtsreduktion

  • Schulung
    • Plasmaglukoseselbstmessung
    • Pharmakotherapie (medikamentöse und Insulintherapie)
    • Insulintherapie
    • Regelmäßige Fußinspektion - bei Auffälligkeiten zeitnah Diabetologen aufsuchen
    • Ggf. Tabakentwöhnung

Glukoseselbstmessung, rtCGM und iscCGM (oder FGM)

Die Sensoren zur kontinuierlichen Gewebsglukosemessung (CGM: "Continuous Glucose Monitoring") messen den Zucker im Unterhautfettgewebe und tragen so zur besseren Steuerbarkeit der Insulintherapie bei. Individuell einstellbare Alarmfunktionen ermöglichen ein frühzeitiges Erkennen von Hypo- oder Hyperglykämien. CGM-Techniken am Arbeitsplatz sind gerade unter Sicherheitsaspekten von Vorteil. Diabetiker können mit diesen Kompensationsmechanismen, die laufend weiterentwickelt werden, Berufe ausüben, die als mit inakzeptablen oder schlecht vorhersehbaren Risiken verbunden und damit "nicht geeignet" betrachtet wurden. Diese Betrachtung - noch verbreitet, ist aus arbeitsmedizinischer Perspektive wissenschaftlich nicht mehr begründbar.

Unter bestimmten Voraussetzungen ist auch beim Diabetes mellitus Typ 2 eine kontinuierliche Glukosemessung mit Real-Time-Messgeräten (rtCGM) möglich. Diese Form der Glukosekontrolle kann mit und ohne begleitende Insulinpumpentherapie genutzt werden. Bei Schwangeren hat sie Standard-Glukosekontrollregime zu sein. Auch für Typ 2- Diabetiker*innen mit Pen-Nutzung ist eine Therapieunterstützung durch Kopplung von smarten Pens und Sensor möglich, die resultierenden Therapieempfehlungen sind durch die Patient*innen eigenständig umzusetzen durch Verabreichen des vorgeschlagenen Bolus.

Pharmakotherapie

Priorisierung der Therapieziele nach Risikoprofil

Bei Patient*innen mit mehreren Risikofaktoren für das Auftreten eines renalen oder kardiovaskulären Ereignisses gibt es Gründe für eine primär HbA1c-orientierte Strategie, wie auch für eine sofortige Kombinationstherapie. Für Betroffene, bei denen die Kontrolle des Glukosestoffwechsels im Vordergrund steht, empfiehlt der Algorithmus wie bisher zunächst eine Monotherapie mit Metformin.

Die aktuelle Versorgungsleitlinie Diabetes fordert primär eine Bewertung des kardiovaskulären Risikos der Patienten und sekundär eine Therapie mit SGLT 2 ("Sodium glucose linked transporter 2") -Inhibitoren oder GLP-1-RA ("Glucagon-like peptide"-Rezeptoragonisten) unabhängig vom HbA1c-Wert für Patienten mit hohem oder sehr hohem kardiovaskulärem Risiko. Der Diabetes gilt hier als KHK-Äquivalent.

Ein Algorithmus zur abgestuften medikamentösen Therapie bei Typ-2-Diabetes findet sich hier:

Abbildung: Algorithmus medikamentöse Therapie Typ-2-Diabetes

Algorithmus medikamentöse Therapie Typ-2-Diabetes Algorithmus medikamentöse Therapie Typ-2-Diabetes

Quelle: Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Typ-2-Diabetes – Langfassung. Version 3.0. 2023. DOI: 10.6101/AZQ/000503. www.leitlinien.de/diabetes.

Medikamentöse Therapie

Wie lange ein initialer Therapieversuch durch ausschließlich nicht-medikamentöse Maßnahmen unternommen wird, hängt von der individuellen Situation und den persönlichen Therapiezielen der Patient*innen ab (partizipative Entscheidungsfindung und Teilhabe in allen relevanten Lebensbereichen). Die aktuelle Stoffwechseleinstellung, Pathophysiologie des Diabetes, sowie renale, kardiovaskuläre und neurologische Komplikationen müssen bei der Wahl des therapeutischen Regimes berücksichtigt werden.

Ziel der Therapie des Glukosestoffwechsels ist unter die Verhinderung von kardiovaskulären und renalen Ereignissen, so dass die Mitbehandlung prognostisch relevanter Begleiterkrankungen immer bedacht werden muss.

Für die medikamentöse Therapie des Glukosestoffwechsels stehen orale Antidiabetika, subkutan (s.c.) zu verabreichende GLP-1-RA und Insuline zur Verfügung.

Auch wenn beim Typ 2-Diabetes eine Insulingabe - meist in Form des Basalinsulins - notwendig wird, sollten die Medikamente mit nachgewiesenem kardiovaskulärem Vorteil keineswegs abgesetzt werden. Für Insulin selbst ist keine Verbesserung des kardiovaskulären Risikos belegt. Sulfonylharnstoffe können die Mortalität sogar erhöhen und sollten möglichst vermieden werden.

Leitend bei der Wirkstoffwahl sind die Effekte auf klinische Endpunkte, die in Tabelle dargestellt sind. Nach Einschätzung der Leitliniengruppe liegen die belastbarsten Daten sowie Hinweise auf die Beeinflussung der Gesamtsterblichkeit in der Gruppe SGLT2-Inhibitoren für Empagliflozin vor und in der Gruppe der GLP-1-RA für Liraglutid. Beide Substanzen werden inzwischen auch vom G-BA als zweckmäßige Vergleichstherapie in der Kombinationstherapie anerkannt

Eine vergleichende Betrachtung der Substanzklassen in Ergänzung zum Algorithmus der medikamentösen Therapie beim Diabetes mellitus Typ 2 zeigt die folgende Abbildung.

Abbildung: Orientierende, vergleichende Betrachtung der Substanzklassen (als Ergänzung zum Algorithmus "Medikamentöse Therapie des Typ-2-Diabetes")

Orientierende, vergleichende Betrachtung der Substanzklassen Orientierende, vergleichende Betrachtung der Substanzklassen

Legende

  • Effektangaben:   ↓: positiver Effekt (Endpunkt wurde in den Studien seltener erreicht); ↑: negativer Effekt (Endpunkt wurde in den Studien häufiger erreicht);
  • 0: der Endpunkt wurde nicht beeinflusst; k. A.: keine Angabe (die Effektgrößen wurden in der Hauptpublikation nicht, oder ohne Konfidenzintervall angegeben); renale Endpunkte: bei SGLT2-Inhibitoren und GLP-1-RA bezogen auf renale Kompositendpunkte.
  • Annahmen in Klammern () stammen aus Studien mit niedriger methodischer Qualität, oder es lag keine ausreichende Evidenz zur Beurteilung vor.
  • Hypoglykämien:   ↑: erhöhtes Risiko; ↔: geringes Risiko, k. A.: keine Angabe (Hypoglykämien: Intervention > Placebo, Angabe ohne Konfidenzintervall)
  • HbA1c: ↓: Senkung
  • Gewicht:  ↑: Gewichtszunahme; ↓: Gewichtsabnahme
  • Gesamtmortalität:   *: Die Studie war nicht für den Endpunkt Gesamtmortalität gepowert
  • Abkürzungen:  MACE: i. d. R. kardiovaskulärer Tod, Schlaganfall, Myokardinfarkt (Definitionen teils heterogen); CV-Tod: kardiovaskulärer Tod; HHI: Herzinsuffizienz-bedingte Hospitalisierung.
  • 1Mikrovaskuläre Endpunkte: Retinopathie, Neuropathie, Amputationen

Quelle: Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Typ-2-Diabetes – Langfassung. Version 3.0. 2023. DOI: 10.6101/AZQ/000503. www.leitlinien.de/diabetes.

 

Priorisierung der Therapieziele nach Risikoprofil: Entsprechend sieht der Algorithmus vor, dass Menschen mit Diabetes und einer klinisch relevanten kardiovaskulären Erkrankung eine Kombinationstherapie aus Metformin und einem SGLT2-Inhibitor oder einem GLP-1-RA angeboten wird, wenn Patient*innen nach Abwägung der Wirkungen und Nebenwirkungen dazu bereit sind.

Bei Patient*innen mit mehreren Risikofaktoren für das Auftreten eines renalen oder kardiovaskulären Ereignisses gemäß der Abbildung "Orientierende, vergleichende Betrachtung der Substanzklassen" gibt es Gründe für eine primär HbA1c-orientierte Strategie, wie auch für eine sofortige Kombinationstherapie. Wer wovon eher profitiert, ist unklar, deshalb wird hier eine kritische individuelle Beurteilung und die partizipative Entscheidung auf Basis der verfügbaren Daten empfohlen.

Für Betroffene, bei denen die Kontrolle des Glukosestoffwechsels im Vordergrund steht, empfiehlt der Algorithmus wie bisher zunächst eine Monotherapie mit Metformin.

Insulintherapie

Infolge der chronischen Progression der Erkrankung kann Insulin bei einem Teil der Betroffenen im Erkrankungsverlauf als Mono- oder Kombinationstherapie (intermittierend oder dauerhaft) indiziert sein.

Neu diagnostizierte Patienten mit Stoffwechseldekompensation sollten gleichzeitig eine Basis- und eine der Stoffwechselsituation angepasste Pharmakotherapie (z. B. auch Insulin) erhalten.

Ein Algorithmus zur Insulintherapie (in Ergänzung zum Algorithmus der medikamentösen Therapie) beim Diabetes mellitus Typ 2 zeigt die Abbildung "Algorithmus Insulintherapie".

Abbildung: Algorithmus Insulintherapie

Algorithmus Insulintherapie - Typ-2-Diabetes Algorithmus Insulintherapie - Typ-2-Diabetes

Quelle: Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Typ-2-Diabetes – Langfassung. Version 3.0. 2023. DOI: 10.6101/AZQ/000503. www.leitlinien.de/diabetes.

 

Es stehen verschiedene kurzwirksame und lang wirksame Insuline zur Wahl. Die möglichen Formen der Insulintherapie mit Anmerkungen zum Therapiemanagement zeigt die folgende Tabelle "Formen der Insulintherapie".

 

Tabelle:  Formen der Insulintherapie

Therapie

Charakteristika/Anmerkungen

Basalinsulin in Kombination mit OAD

Kombination eines Basalinsulins mit oralen Antidiabetika (in der Regel Metformin)

  • geeignet zum Einstieg in eine Insulintherapie, gute Akzeptanz
    • Senkung der Nüchtern-Glukose
    • Mahlzeiten-unabhängig
    • geringer Schulungsaufwand
    • niedriges Hypoglykämie-Risiko
    • einfaches Monitoring (in der Titrationsphase und bei Notwendigkeit zur Eskalation oder Deeskalation Nüchtern-Glukose-Messung)

Kombination von Basalinsulin mit s.c. zu verabreichenden GLP-1-RA mit/ohne orale Antidiabetika

  • einfacher Beginn, einfache Dauertherapie
    • weniger Insulinbedarf
    • weniger starke Gewichtszunahme oder gewichtsneutral
    • mäßige gastrointestinale Verträglichkeit (vor allem initial)

Konventionelle Insulintherapie (CT)

1-2 Injektionen eines Kombinationsinsulins in fester Mischung

  • einfache Handhabung für Patient*innen und Diabetesteam
    • Schulung notwendig
    • Anpassung der Insulindosis durch den Patienten/die Patientin bei Bewegung und Krankheit möglich, insgesamt aber wenig flexible Therapie
    • mehr Hypoglykämien als mit Basalinsulin allein, aber weniger als mit präprandialer oder intensiver Therapie

Supplementäre Insulintherapie (SIT)

Meist zu jeder Hauptmahlzeit (1-3) Glukose- und an KH-Mengen-adaptiert s.c. Injektionen (Normalinsulin oder kurzwirksame Insulinanaloga)

  • flexible und spontane Essensgewohnheiten möglich
    • Anpassung an Schichtarbeit und stark wechselnde körperliche Belastung möglich
    • erhöhter Schulungsaufwand
    • relativ hohes Hypoglykämie-Risiko

Intensivierte Insulintherapie

(Synonyme: intensivierte konventionelle Insulintherapie (ICT), Flexible Insulintherapie)

Insulinbedarf wird nach Basal- und Bolus-Insulin aufgeteilt, Faktoren zur KE/BE-Abdeckung werden berechnet und Korrekturen ermittelt.

  • hohe Flexibilität hinsichtlich der Essensgewohnheiten
    • großer Schulungsaufwand
    • schwierigere Handhabung
    • häufiges Glukose-Monitoring
    • Gewichtzunahme
    • höchste Hypoglykämieneigung von allen Insulintherapien

CSII (Pumpe)

  • bei Typ-2-Diabetes seltener indiziert
  • Die Tabelle gibt einen Überblick auf Basis eines Expert*innenkonsenses und folgt einem hierarchischen Aufbau mit zunehmender Komplexität und Intensität der Therapie.
  • KH: Kohlenhydrat, KE: Kohlenhydrateinheit, BE: Broteinheit
Quelle: Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Typ-2-Diabetes – Langfassung. Version 3.0. 2023. DOI: 10.6101/AZQ/000503. www.leitlinien.de/diabetes.

Therapie des Diabetes mellitus Typ 1

Allgemeine und spezifische Therapieziele

Das Therapiekonzept des Typ-1-Diabetes besteht aus den Komponenten

  • Insulintherapie
  • Ernährung
  • Schulung

Therapiekontrolle – Glucosemanagement

CSII ("continuous subcutaneous insulin infusion") / rtCGM ("Real-Time Continuous Glucose Monitoring")

Die kontinuierliche Glukosemessung (CGM) ist mittlerweile aufgrund des jederzeit abrufbaren Glukosewertes und der Warnfunktion vor Über- und Unterzucker zum Standard in der Glukoseüberwachung von Menschen mit Typ-1-Diabetes mellitus geworden und damit integraler Bestandteil einer sicheren Therapie unter Vermeidung von Hypoglykämien.

In Bezug auf die Therapieziele in der Behandlung des Typ-1-Diabetes zeigt sich, dass die neuen Mess-Parameter durch kontinuierliche Glukose-Messung (CGM) gut mit dem HbA1c-Wert korrelieren.  Die Vermeidung hoher postprandialer Werte und nächtlicher Hypoglykämien sind wichtige Therapieziele.

Diese Form der Glukosekontrolle kann mit und ohne begleitende Insulinpumpentherapie genutzt werden. Für Typ 1-Diabetiker*innen mit Pen-Nutzung ist eine Therapieunterstützung durch Kopplung von smarten Pens und Sensoren möglich, die Therapieempfehlung muss der Patient durch Verabreichung des vorgeschlagenen Bolus eigenständig umsetzen.

Bei Kindern und Schwangeren gehört sie zum Standard der Glukosekontrolle.

Bei Menschen mit Typ-1-Diabetes ist der Einsatz einer Insulinpumpentherapie zu überprüfen bei:

  • Nichterreichen individueller Therapieziele unter intensivierter Insulintherapie
  • Häufigen Hypoglykämien bzw. bei rezidivierend schweren Hypoglykämien unter intensivierter Insulintherapie
  • Unregelmäßigem Tagesablauf, z. B. Schichtarbeit, Tätigkeiten mit variierender körperlicher Aktivität, Probleme bei der Durchführung einer klassischen ICT/Spritzentherapie (unter anderem zur Verbesserung der Lebensqualität)
  • Geplanter Schwangerschaft (Beginn präkonzeptionell) bzw. zu Beginn einer Schwangerschaft
  • Sehr geringem Insulinbedarf
  • Unzureichender glykämischer Kontrolle der Stoffwechsellage unter ICT

Insulintherapie

Die Indikation für eine Insulintherapie ist bei Typ-1-Diabetes immer und lebenslang gegeben. Voraussetzung für die Substitution des fehlenden Insulins bei Menschen mit Typ-1-Diabetes sind Kenntnisse über den physiologischen Insulinbedarf sowie die pharmakokinetischen und -dynamischen Eigenschaften der therapeutisch verwendeten Insuline.

Angestrebt wird die Einstellung auf einen "normnahen" Glukosewert bei Erwachsenen mit Diabetes mellitus Typ 1 von HbA1c-Wert 7,5 Prozent ( 58 mmol/l), solange keine problematischen Unterzuckerungen auftreten.

Zur Insulintherapie sind einfache und aufwendigere ("intensivierte") Strategien verfügbar.

 

Konventionelle Therapie

Diese Form der Insulintherapie wird bei Menschen mit Typ- 1-Diabetes entsprechend der beim Diabetes mellitus Typ 2 durchgeführt und kommt hier im Gegensatz zu einer intensivierten Therapie als nachrangige Therapieoption in folgenden Konstellationen infrage:

  • Bei Menschen, die den Anforderungen an eine intensivierte Therapie nicht gerecht werden können (aufgrund von kognitiven Einschränkungen und krankheits- oder altersbedingt)
  • Bei Menschen, die sich nach ausführlicher Nutzen-Schaden-Aufklärung gegen eine intensivierte Therapie entscheiden und
  • Bei erheblicher Adhärenzproblematik in der Langzeitbetreuung

Da für die Reduktion des Risikos diabetesassozierter Folgekomplikationen die mittel- und langfristige glykämische Kontrolle entscheidend ist, kann eine konventionelle Insulintherapie ausreichend sein, wenn die individuellen HbA1c-Zielwerte erreicht sowie Hypoglykämien vermieden werden und die Lebensqualität durch die Therapie nicht eingeschränkt ist.

 

Intensivierte Therapie

Grundlagen und Durchführung der intensivierten Insulintherapie entsprechender Anwendung beim Diabetes mellitus Typ 2. Synonyme der intensivierten Insulintherapie sind "Funktionelle Insulintherapie" sowie "Flexible Insulintherapie". Diese Therapie kann mit Insulinspritzen, Insulinpens oder Insulinpumpen (siehe Empfehlungen dort) durchgeführt werden.

 

CSII ("continuous subcutaneous insulin infusion") / Pumpentherapie

Neben der intensivierten Insulintherapie (ICT) mittels manueller Injektionstherapie (Pentherapie) ist die kontinuierliche subkutane Insulininfusion (CSII/Pumpentherapie) als Behandlungsstandard definiert. Von den über 300.000 Typ-1-Diabetikern wurden bisher über 40.000 in der Insulinpumpentherapie unterwiesen. Bei Kindern, Jugendlichen und Schwangeren gehört die Pumpentherapie zum Therapiestandard.

 

Automatische Insulindosierung / "Automated Insulin Delivery" (AID)

Die modernste Form der Insulintherapie ist die rückgekoppelte Insulinpumpentherapie bestehend aus der Kombination eines rtCGM-Systems mit einer Insulinpumpe. Ein Algorithmus erstellt damit eine individuelle Basalrate (durch minütlich gemessene Gewebezucker sowie kontinuierlich gepulste automatische Insulindosierung) und stabilisiert so mithilfe variierender Insulinabgaben das (nächtliche) Benutzerprofil, einige Systeme geben durch den Algorhythmus auch Korrekturinsulin ab.

Im Vergleich zu einer Insulintherapie (ICT-Therapie oder alleiniger Insulinpumpentherapie) führte die Nutzung der AID-Systeme zur einer Reduktion der Schwankungsbreite der Glukosekonzentrationen, was mit einer Verbesserung der "time in range" (TIR) und Reduktion der "time above range" oder "time below range" (TAR bzw. TBR) durch weniger  Hypo- und Hyperglykämien einhergeht. Bei den meisten gut geschulten PatientInnen ist auch eine Verbesserung des HBA 1 c zu verzeichnen.

Noch müssen AID-Nutzer Mahlzeiten ankündigen (große, mittlere oder kleine Portionen, auch die Nahrungszusammensetzung: fettreich? proteinreich?) und die Kohlenhydratmenge quantifizieren. Der selbstlernende Algorithmus erkennt und passt den Insulinbedarf an. Auch besondere körperliche Aktivität erfordert die Eingabe von Daten, dabei wird unterschieden zwischen der Angabe des Gewebezucker-Zielwerts oder der Eingabe der erwarteten sportlichen Intensität in drei Abstufungen mit automatischer Insulindosierung. In der Nacht erfolgt mit diesen Systemen in der Regel eine vollautomatische Steuerung der Insulinabgaben durch den Algorithmus.

Die-Systeme lassen sich unterteilen in:

  • Hybrid-AID-System
    Das System besteht aus einem Gerät zur kontinuierlichen Glukosemessung (CGM), einer Insulinpumpe und einem Algorithmus, der die Glukosemessungen in Echtzeit analysiert. Die Sicherstellung des basalen Insulinbedarfs erfolgt automatisiert Sensor-adaptiert, der Mahlzeiten-Bolus ist weiterhin manuell abzudecken – daher die Bezeichnung "hybrid".
  • Advanced-Hybrid-AID-System/Advanced Hybrid Closed Loop-System (AHCL)
    Solche fortgeschrittenen Hybrid-AID-Systeme geben darüber hinaus automatisch Korrekturboli ab, um Glukosewerte in den Zielbereich zurückzubringen.
  • Interoperables AID-System /"Alternate Controller-Enabled"- (ACE-) Pumpen
    Hierbei handelt es sich um ein "Baukastensystem", bei dem keine feste Kombination aus CGM-System, Pumpe und Algorithmus einer Firma vorliegt, sondern eine Kopplung von unterschiedlichen Komponenten

Intensive individuelle Schulung im Umgang mit dem jeweiligen System, intensive Betreuung zum Start dieser Therapieform und gute Kenntnis im Gebrauch des jeweiligen AID-Systems – sowohl seitens des dies Tragenden als auch der betreuenden Therapeuten sind unabdingbar.

 
 

Krankheitsverlauf und Prognose

Begleit- und Folgeerkrankungen

Diabetes mellitus ist eine Gesundheitsstörung mit zahlreichen Risikofaktoren sowie chronischen Folgeerscheinungen. Die Behandlung einer derart komplexen Erkrankung zielt nicht nur auf die Korrektur einzelner Stoffwechselparameter, sondern erfordert Interventionen in Bezug auf verschiedene Störungen und Risikofaktoren.

Die Folgen von Diabetes mellitus sind vor allem dann schwerwiegend, wenn die Erkrankung über lange Zeit unentdeckt bleibt oder der Blutzucker unzureichend eingestellt ist.

Die Leistungsfähigkeit ist bei Diabetes mellitus (Typ eins oder Typ zwei) mit guter Einstellung und fehlenden Komplikationen kaum eingeschränkt.

Die am häufigsten auftretenden Begleit- und Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus sind Hypertonie, Störungen des Lipoproteinhaushaltes, Nierenerkrankungen, Schilddrüsenerkrankungen, Pankreasstörungen, Herz- und Gefäßerkrankungen (in diesem Zusammenhang auch Netzhautveränderungen, ggf. bis zur Erblindung sowie Nierenschäden bis zur Dialyspflicht), Adipositas, Depressionen und die diabetische Polyneuropathie (mit Gefahr eines diabetischem Fußsyndroms, ggf. Charcot-Fuß und diabetesbedingter Amputation).

Regelmäßiges Screening auf Folge- und Begleiterkrankungen: Die Ergebnisse der strukturierten Untersuchungen sollen dokumentiert und mit den Betroffenen besprochen werden sowie in die Therapie einfließen. Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes, bei denen die jeweilige Folge-/Begleiterkrankung nicht bekannt ist, werden die folgenden Screeningintervalle empfohlen:

  • Fußläsionen: Ohne diabetische sensomotorische Polyneuropathie (DSPN) und ohne periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) mindestens einmal jährlich; bei DSPN und/oder PAVK alle drei bis sechs Monate
  • Neuropathie: Risikoadaptiert alle ein bis zwei Jahre
  • Nephropathie: Einmal jährlich
  • Retinopathie: Risikoadaptiert: bei bekanntem geringem Risiko alle zwei Jahre, ansonsten jährlich
  • Depressive Störungen und andere psychische Komorbiditäten: Einmal jährlich oder anlassbezogen
  • Abschätzung kardiovaskuläres Risiko: Einmal jährlich oder anlassbezogen.

Für ausführliche Informationen siehe NVL Typ-2- Diabetes: Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Typ-2-Diabetes – Langfassung. Version 3.0. 2023. DOI: 10.6101/AZQ/000503. www.leitlinien.de/diabetes.