Deutsche Rentenversicherung

Tumorübergreifende sozialmedizinisch relevante Informationen

TNM / UICC – Klassifikation

Die TNM-Klassifikation dient international der Einteilung vieler Krebserkrankungen in Stadien. Das TNM-System wurde von dem Franzosen Pierre Denoix in den 1940er Jahren zur Stadienbestimmung von bösartigen Tumoren entwickelt und wird seit 1950 von der Union internationale contre le cancer (UICC) weitergeführt.

Die TNM-Klassifikation (s. u. Stadien gemäß UICC) wird spezifisch für jede Tumorentität definiert, muss also für jede Tumorart gesondert betrachtet werden (s. entsprechende Links in den jeweiligen Krankheitsbild-Übersichten).

Tabelle: TNM-System nach Denoix / UICC

T = Primärtumor

T0

Kein Primärtumor nachweisbar

  T1-4

Primärtumor von zunehmender Größe bzw. Eindringtiefe

N = Lymphknoten in Tumornähe

 N0

Kein Lymphknotenbefall nachweisbar

   N1-3

Zunehmender Befall von Lymphknoten in Tumornähe

M = Fernmetastasen

 M0

Keine Fernmetastasen nachweisbar

 M1

Nachweis von Fernmetastasen an einem oder mehreren Orten

Quelle: Adaptiert gemäß https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/basis-informationen-krebs-allgemeine-informationen/klassifikation-von-tumoren-tnm-.html, letzter Aufruf: 15.07.2025.

Die Stadieneinteilung ("Staging") (s. u. Stadien gemäß UICC) ist die Grundlage für die Therapieentscheidung und für jede Tumorart gesondert definiert (s. entsprechende Links in den jeweiligen Krankheitsbild-Übersichten).

Tabelle: Stadien gemäß UICC

 

T

N

M

Stadium 0

Tis ("in-situ")

N0

M0

Stadium I

T1, T2

N0

M0

Stadium II

T3, T4

N0

M0

Stadium III

jedes T

N1, N2, N3

M0

Stadium IV

jedes T

jedes N

M1

Legende: T = Primärtumor, N = Lymphknoten in Tumornähe, M = Fernmetastasen
Quelle: Adaptiert gemäß https://de.wikipedia.org/wiki/Union_internationale_contre_le_cancer, letzter Aufruf: 15.07.2025.

Vor der abschließenden sozialmedizinischen Beurteilung sollte das aktuelle Tumorstadium klar definiert und die damit assoziierte Prognose bekannt sein. Dabei ist zu beachten, dass auch bei anatomisch fortgeschrittenen Tumorstadien (d. h. III/IV) eventuelle zusätzliche immunologische und molekulargenetische Subtypisierungen (z. B. Her-2, PD-1, ALK Translokationen) berücksichtigt werden müssen da diese prognostisch relevant sein können bzw. (zusätzliche) zielgerichtete Therapiemöglichkeiten mit dann günstigerer Prognose (aber auch eventuellen zusätzlichen Nebenwirkungen) bedingen können.


 

Karnofsky-Index / ECOG Status

Zur Beurteilung von Einschränkungen der körperlichen und sozialen Aktivität wird bei onkologischen Erkrankungen häufig der Aktivitätsstatus ("Performance Status") angegeben. Am weitesten verbreitet sind eine 1948 von David A. Karnofsky beschriebene 11-stufige Skala und der 1960 eingeführte Index der Eastern Cooperative Oncology Group (ECOG) der die Aktivität in sechs Grade einteilt.

Tabelle: Karnofsky Index in Prozent

100

Normalzustand, keine Beschwerden keine manifeste Erkrankung

90

Normale Leistungsfähigkeit, minimale Krankheitssymptome

80

Normale Leistungsfähigkeit mit Anstrengung, geringe Krankheitssymptome

70

Eingeschränkte Leistungsfähigkeit, arbeitsunfähig, kann sich selbst versorgen

60

Eingeschränkte Leistungsfähigkeit, benötigt gelegentlich fremde Hilfe

50

Eingeschränkte Leistungsfähigkeit, braucht krankenpflegerische und ärztliche Betreuung, nicht dauernd bettlägerig

40

Bettlägerig, spezielle Pflege erforderlich

30

Schwer krank, Krankenhauspflege notwendig

20

Schwer krank, Krankenhauspflege und supportive Maßnahmen erforderlich

10

Moribund, Krankheit schreitet schnell fort

0

Tod

Quelle: Adaptiert gemäß https://de.wikipedia.org/wiki/Karnofsky-Index, letzter Aufruf: 15.07.2025.

Tabelle: ECOG Status

Grad

Aktivitätsstatus

0

Normale, uneingeschränkte Aktivität wie vor der Erkrankung.

1

Einschränkung bei körperlicher Anstrengung, aber gehfähig; leichte körperliche Arbeit bzw. Arbeit im Sitzen (z.B. leichte Hausarbeit oder Büroarbeit) möglich.

2

Gehfähig, Selbstversorgung möglich, aber nicht arbeitsfähig; kann mehr als 50% der Wachzeit aufstehen.

3

Nur begrenzte Selbstversorgung möglich; 50% oder mehr der Wachzeit an Bett oder Stuhl gebunden.

4

Völlig pflegebedürftig, keinerlei Selbstversorgung möglich; völlig an Bett oder Stuhl gebunden.

5

Tod

Quelle: Adaptiert gemäß https://de.wikipedia.org/wiki/Karnofsky-Index, letzter Aufruf: 15.07.2025.

Ein aktueller Karnofsky-Index und/oder ECOG-Status in einem onkologischen Befundbericht bzw. Krankenhausentlassbericht kann für die sozialmedizinische Beurteilung hilfreich sein, da a) sich daraus Hinweise auf die derzeitige Leistungsfähigkeit ergeben können (z.B. kann ein Karnofsky-Index 80 bzw. ein ECOG Status 0/1 primär auf aktuell alleinig qualitative Einschränkungen des Leistungsvermögens hindeuten) und b) sich diese Werte i.R. für die Konsistenz-/Plausibilitätsprüfung verwenden lassen.


 

Therapiearten - Begriffsdefinitionen

Die Klärung des aktuellen Therapiestatus vor einer abschließenden sozialmedizinischen Beurteilung ist essenziell: Heutzutage bestehen nicht nur tumorspezifische, sondern auch weitergehende immunologisch bzw. molekularbiologisch spezifizierte komplexe Therapieoptionen, die des öfteren auch in fortgeschrittenen Stadien eine potenziell kurative Zielsetzung haben. Zudem müssen mögliche Nebenwirkungen dieser Therapiemodalitäten in der Beurteilung bedacht werden. Definitive/langfristige sozialmedizinische Beurteilungen unter aktuell andauernden potenziell kurativen Therapiemaßnahmen sollten vermieden werden.

Kurative Therapie

Primär bei lokal begrenzten Tumoren ist das Ziel der Behandlung meist die Heilung, man spricht dann von einer "kurativen Krebstherapie" oder auch von einem "kurativen Therapiesetting". Ziel ist die vollständige und dauerhaftte Entfernung des Tumors.

Palliative Therapie

Ist eine Heilung nicht mehr möglich, ist das Primärziel der Behandlung das Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern/verlangsamen und die Lebensqualität zu erhalten/verbessern, man spricht dann von einer "palliativen Krebstherapie" oder auch von einem "palliativen Therapiesetting".

Der Begriff der palliativen Therapie wird des Öfteren auf die letzte Erkrankungsphase und Sterbebegleitung reduziert: "Palliativ" besagt jedoch primär, dass keine Heilung mehr möglich ist, gibt aber keine Auskunft über die individuelle Lebenserwartung.

Adjuvante Therapie

Erfolgen in der Regel nach einer vollständigen operativen Entfernung des Tumors mit dem Ziel eventuell vorhandene, wenn auch nicht nachweisbare Tumorabsiedlungen (Mikro-Metastasen) zu bekämpfen und damit beispielsweise die Heilungsaussichten des Patienten zu verbessern oder das Rückfallrisiko zu verringern. Zum Einsatz kommen hier z. B. die Chemo- oder Strahlentherapie, aber auch Immun- bzw. personalisierte Therapien.

Neo-adjuvante Therapie

Prä-operative medikamentöse Therapie, die vor einer Operation durchgeführt wird. Sie soll den Tumor verkleinern, um die Operation zu erleichtern bzw. sie erst möglich zu machen (z. B. Chemotherapie vor der chirurgischen Tumorentfernung).

Erhaltungstherapie

Soll den Behandlungserfolg der ursprünglichen Krebstherapie festigen und ein Wiederauftreten oder Fortschreiten der Erkrankung verhindern. Sie wird meist über einen längeren Zeitraum eingesetzt, speziell bei Patient*innen, die nach erfolgter initialer Therapie ein (hohes) Risiko für einen Rückfall ("Rezidiv") haben.

Schematische, generalisierte Übersicht

Abbildung: Schematische, generalisierte Übersicht

Schematische, generalisierte Übersicht Schematische, generalisierte Übersicht

Quelle: Deutsche Rentenversicherung

Weiterführende Informationen
www.krebs.de/krebstherapie/therapieoptionen-und-planung


 

Weitere Begriffsdefinitionen

Für die sozialmedizinische Beurteilung hinsichtlich der onkologischen Grunderkrankung sollte – neben den aktuellen krankheits- und therapiebedingten Funktionseinschränkungen - primär das tumorspezifische Gesamtüberleben im Kontext der derzeitigen Therapiesituation (z. B. aktuell initiale Therapie oder Rezidivbehandlung? Verbleibende Therapieoptionen im weiteren Verlauf?) betrachtet werden. Bei nicht wenigen Tumorerkrankungen (z. B. Mamma-, Prostatakarzinom, Multiples Myelom) bestehen heutzutage auch beim Auftreten eines Rezidivs bzw. einer Progression weitere, eventuell sogar weiterhin potenziell kurative Therapieoptionen bzw. Behandlungsmöglichkeiten mit erwartbaren weiteren langjährigen stabilen Krankheitsverläufen.

Ansprechrate ("Tumorresponse")

Primär durch radiologische Untersuchungen wird gemäß vorgegebener Kriterien (primär RECIST; Response Evaluation Criteria in Solid Tumors – Wikipedia bzw. iRECIST für Immuntherapien; Monitoring von Immuntherapien ) definiert, ob und in welchem Ausmaß ein Tumor auf die applizierte Therapie anspricht, d. h. ob er kleiner wird, größenkonstant bleibt oder größer wird.

Die Wertigkeit der Ansprechrate in der Evaluation klinischer Therapiestudien und ggf. der Zulassung neuer onkologischer Behandlungsoptionen ist begrenzt, die u. g. Parameter und das Ausmaß der therapieassoziierten Nebenwirkungen sind diesbezüglich meist von entscheidender Bedeutung.

Progressionsfreies Überleben (PFS)

Definiert als die Zeit von der zufälligen Zuteilung in eine Behandlungs- bzw. Kontrollgruppe in einer klinischen Studie bis zum Fortschreiten der Krankheit oder zum Tod aufgrund beliebiger Ursache.

Gesamtüberleben

Der prozentuale Anteil der Personen in einer Studien- oder Behandlungsgruppe, die eine bestimmte Zeit nach der Diagnose oder dem Beginn der Therapie noch am Leben sind.

Die Gesamtüberlebensrate wird häufig als 5-Jahres-Überlebensrate angegeben, d. h. der Prozentsatz der Patient*innen in einer Studien- oder Behandlungsgruppe, die 5 Jahre nach ihrer Diagnose oder dem Beginn der Behandlung noch am Leben sind.

Zudem/alternativ wird oft das mediane Gesamtüberleben angegeben, d. h. der Zeitpunkt (meist in Monaten bzw. Jahren) seit der Diagnose oder dem Beginn der Behandlung an dem die Hälfte der Patienten und Patientinnen einer Studien- oder Behandlungsgruppe verstorben sind.

Weiterführende Informationen: https://www.journalonko.de/thema/lesen/progressionsfreies_ueberleben


 

SOC-Kriterien / CTCAE-Kategorien

Speziell im Rahmen von weltweiten klinischen onkologischen Studien hat sich zur Erfassung von Nebenwirkungen ein Erfassungssystem etabliert, das die Lokalisation und den klinischen Schweregrad einer Therapienebenwirkung in standardisierter Form dokumentiert:

Somit besteht heutzutage eine weitgehend global akzeptierte und standardisierte Erfassung onkologischer Therapienebenwirkungen, die den Datenaustausch, die Interpretation der Studienergebnisse sowie die entsprechende (zulassungsrelevante) Bewertung durch die Arzneimittelbehörden weltweit vereinfacht und qualitativ verbessert hat.

Begriffe wie "Anämie Grad 2" oder "Periphere sensorische Neuropathie Grad 3" können in onkologischen Befund- bzw. Krankenhausentlassberichten wiederkehrend angetroffen werden. Es ist u. U. vor der weiteren Beurteilung hilfreich sich das durch die Gradangabe definierte tatsächliche klinische Ausmaß erneut konkret zu vergegenwärtigen.

Z. B. "Periphere sensorische Neuropathie Grad 3" = schwere Symptome; Einschränkung der selbstversorgenden Aktivitäten des täglichen Lebens, mechanische Assistenz angezeigt, CTCAE-Graden.


   

Psychoonkologie

  • Eine Krebserkrankung löst bei den meisten Betroffenen Sorgen aus, bei der Auseinandersetzung mit der Diagnose Krebs wird oft auch die eigene Sterblichkeit thematisiert.
  • Zudem bestehen Ängste hinsichtlich möglicher Schmerzen und Nebenwirkungen infolge von Krankheit und Therapie, die Unsicherheit hinsichtlich der beruflichen Zukunft kann zusätzlich belasten.
  • Häufig bestehen bei Patienten und Patientinnen trotz erfolgreich durchgeführter Tumortherapie mit kurativer Zielsetzung signifikante Rezidivängste, vereinzelt auch ausgeprägte posttherapeutische Erschöpfungszustände.
  • Die Psychoonkologie (bzw. psychosoziale Onkologie) zielt in der Praxis vor allem darauf ab, diese Belastungen zu lindern:
  • Das Angebot psychoonkologischer Unterstützung besteht in vielen onkologischen Fachkrankenhäusern.
  • Für die Anerkennung spezialisierter Krebszentren gehört ein Angebot psychoonkologischer Beratung zu den Voraussetzungen, auch im Rahmen von onkologischen Rehabilitationsangeboten erhalten Betroffene psychosoziale Hilfe.
  • Weiterführende Literatur: "Sozialmedizinische Beurteilung psychischer Folgen vonKrebserkrankungen"; Stohscheer et al., GMS Onkologische Rehabilitation und Sozialmedizin 2021; Vol. 10; egms.de/static/de/journals/ors/2021-10/ors000041.shtml
  • Zusätzliche Informationen unter

Psychische Verarbeitungs- und Anpassungsstörungen, neurologische Therapiefolgen (z.B. Polyneuropathien nach platin-basierter Chemotherapie), Rezidivängste und posttherapeutische Erschöpfungszustände stellen eine große Herausforderung in der sozialmedizinischen Beurteilung onkologischer Erkrankungen dar, insbesondere bei Anträgen auf Erwerbsminderungsrente. In dieser Hinsicht, speziell bei kurativem Therapiesetting hinsichtlich der onkologischen Grunderkrankung, müssen Befundberichte der mitbehandelnden Neurologen / Psychiater / Psychologen sowie ggf. weitergehende fachspezifische Zusatzbegutachtungen in die Beurteilung mit einbezogen werden.

 

Leistungen zur medizinischen Rehabilitation

Gesetzliche Grundlagen

eistungen zur medizinischen Rehabilitation bei onkologischen Krankheiten werden von der Rentenversicherung nach § 15 und § 31 Absatz 1 Satz 1 Nr.2 SGB VI erbracht:

  • Übergreifendes Ziel der onkologischen Rehabilitation nach § 15 SGB VI ist die möglichst dauerhafte Wiedereingliederung in das Erwerbsleben.
  • Erfolgt die Rehabilitation nach § 31 SGB VI sollen laut "CA-Richtlinien" ( Literatursystem rvRecht- Ca-Richtlinien ) die Erfolge der onkologischen Behandlung gesichert und die körperlichen und seelischen Folgen der Tumorerkrankung gelindert werden.

Somit können sowohl Versicherte, die die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach §§ 10 und 11 SGB VI erfüllen, als auch Versicherte die die Voraussetzungen nach § 10 nicht erfüllen, beim Vorliegen einer onkologischen Erkrankung eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation erhalten.

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die charakteristischen Merkmale in Bezug auf die Bewilligung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach §§ 15 und 31 SGB VI:

Tabelle: Bewilligung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gemäß §15 bzw. §31 SGB VI

 

§15 SGB VI

§ 31 SGB VI

Voraussetzungen

Erfüllen der versicherungsrechtlichen und persönlichen Voraussetzungen [nach §§ 10 und 11 SGB VI) sowie keine Ausschlussgründe [§ 12 SGB VI)

Erfüllen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 11 SGB VI und der persönlichen Voraussetzungen nach Ca-Richtlinien

Leistungsempfänger

Versicherte,

EM-Rentner*innen mit

- zeitlich befristeter Rente

- teilweiser EM

- teilweiser EM bei BU

- Altersteilzeit

Versicherte,

Altersrentner*innen

EM-Dauerrentner*innen

Hinterbliebenenrentner*innen

"nichtversicherte" Angehörige von Versicherten oder Rentenbeziehern

Ziel der medizinischen Rehabilitation

Erhalt oder Besserung der Erwerbsfähigkeit, Wiedereingliederung in das Erwerbsleben

Erfolge der onkologischen Behandlung festigen

Folgen der Tumorerkrankung mildern/beseitigen helfen

Rehabilitationsfähigkeit

vorausgesetzt

vorausgesetzt

Prognose

Hinreichende Erfolgsaussicht in Bezug auf die Wiedereingliederung in das Erwerbsleben muss bestehen

Eine Besserung der gesundheitlichen Beeinträchtigung sollte absehbar sein

Begleiterkrankungen

Berücksichtigung bei Prüfung der Rehabilitationsbedürftigkeit und Mitbehandlung während der Rehabilitation

Berücksichtigung durch Mitbehandlung während der Rehabilitation

Quelle: Eigene Darstellung, Deutsche Rentenversicherung

Bezüglich der Durchführung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation besteht für Versicherte aus dem Land Nordrhein-Westfalen eine Besonderheit. Gesetzliche Krankenkassen und Rentenversicherungsträger haben sich hier zur "Arbeitsgemeinschaft für Krebsbekämpfung der Träger der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung im Lande Nordrhein-Westfalen” zusammengeschlossen (www.argekrebsnw.de). Der Arbeitsgemeinschaft (Kurz-Kennzeichnung "ARGE Krebs") wurde die Aufgabe zugewiesen, im Auftrag ihrer Mitglieder Leistungen zur medizinischen Rehabilitation beziehungsweise sonstige Leistungen für Menschen mit einer onkologischen Erkrankung durchzuführen.

Anzahl der Leistungen zur onkologischen Rehabilitation

Im Gegensatz zu den Leistungen nach § 15 SGB VI sind die Leistungen nach § 31 SGB VI und in Anwendung der darauf basierenden Ca-Richtlinien "Kann"-Leistungen. Nach den im Rahmen des § 31 Absatz 2 Satz 2 SGB VI erstellten Ca-Richtlinien können onkologische Nachsorgeleistungen bis zum Ablauf eines Jahres nach einer beendeten Primärbehandlung gewährt werden. Darüber hinaus können spätestens bis zum Ablauf von zwei Jahren nach beendeter Primärbehandlung Leistungen im Einzelfall erbracht werden, wenn erhebliche Funktionsstörungen entweder durch die Tumorerkrankung selbst oder durch Komplikationen beziehungsweise Therapiefolgen vorliegen.

Entsprechend können nach § 12 Absatz 2 Satz 2 SGB VI für Versicherte im Rahmen des § 15 SGB VI auch vor Ablauf von vier Jahren weitere Leistungen bewilligt werden, wenn vorzeitige Leistungen aus gesundheitlichen Gründen dringend erforderlich sind.

Bei Auftreten eines Tumorrezidivs, bei Progression des Primärtumors, neu aufgetretener Metastasierung an anderen Lokalisationen oder bei Auftreten eines Zweitkarzinoms beginnen die oben genannten Zeiträume neu. Dies gilt sowohl für Bewilligungen nach § 15 als auch nach § 31 SGB VI.

Dauer der Rehabilitation

In § 7 der Ca-Richtlinien wird hinsichtlich der Dauer von Rehabilitationsleistungen darauf verwiesen, dass § 15 Absatz 3 SGB VI entsprechend gilt. Danach sollen stationäre medizinische Leistungen zur Rehabilitation für längstens drei Wochen erbracht werden. Eine Verlängerung ist möglich, wenn dies zur Erreichung des Rehabilitationsziels erforderlich ist. Seitens der Reha-Einrichtung besteht im Rahmen der Zeitkontingentierung von Rehabilitationsleistungen die Möglichkeit einer individuellen Anpassung der Rehabilitationsdauer.

Begleitpersonen

Nach § 7 der Ca-Richtlinien kann eine Kostenübernahme im Rahmen der Durchführung von Leistungen zur onkologischen Rehabilitationsnachsorge sowohl für die Unterbringung einer Begleitperson während der Dauer des stationären Aufenthaltes als auch für eine Reisebegleitung erfolgen, wenn dies aus medizinischen Gründen erforderlich ist

Eine Begleitperson für Rehabilitandinnen und Rehabilitanden kommt in seltenen Fällen für Versicherte mit schwerster Gehbehinderung oder ausgeprägter Beeinträchtigung einer Sinnesorganfunktion (zum Beispiel Erblindung) in Frage.

 

Beeinträchtigung wichtiger Organsysteme

 

Vorbemerkung
Die im folgenden aufgeführten Grenzwerte sind als Anhaltspunkte zu verstehen, d.h. müssen bei jedem einzelnen Fall in Gesamtschau der individuell vorliegenden aktuellen (Funktions-)Einschränkungen hinsichtlich der sozialmedizinischen Relevanz bewertet werden.

Tabelle: Anhaltspunkte zur Quantifizierung von Leistungseinschränkungen in Abhängigkeit von der Beeinträchtigung wichtiger Organsysteme

Organsystem

Parameter

schwere
körperliche
Belastung

mittelschwere
körperliche
Belastung

leichte/keine
körperliche
Belastung

Herz-Kreislaufsystem

Maximale Ergometerbelastung [W]

≥125

75-125

50-75

Respiration/
Atmung

FEV1 [% Soll]
FEV1/VK [% Soll]
Raw [kPa/ls]

>80
<90
<0,35

70-80
70-90
0,35-0,5

50-70
40-70
0,5-1,0

Muskulatur

Handkraftmessung
[x 9,81 N]

♂>40
♀>25

♂>30
♀>20

♂>20
♀>15

Ernährungszustand

Body-Mass-Index
[kg/m2]

>20

>18

>16

Blutbildung/
Knochenmark

Hämoglobin [g/dl]
Leukozyten [/µl]
Thrombozyten [/µl]

>12
>3.000
>100.000

>11
>2.500
>80.000

>10
>2.000
>50.000

Herz-Kreislaufsystem

Maximale Ergometerbelastung [W]
6-Minuten-Gehtest [m]

≥125

>500

75-125

>400

50-75

>300

Atmung
Obstruktion

FEV1 [% Soll]
FRC [% Soll]
Raw [kPa*s/l]

>80
<120
<0,35

70-80
120-135
0,35-0,5

50-70
135-150
0,5-1,0

Atmung
Restriktion

IVC [% Soll]
FRC [% Soll]
Cstat [l/kPa]

>80
>80
>2,1

70-80
70-80
1,6-2,1

50-70
50-70
1,2-1,6

Blutgase

pO2 [Soll*]
pCO2 [mmHg]

>Soll
<45

<5 mmHg unter Soll
<45-50

5-10 mmHg unter Soll
<45-50

CO-Diffusionskapazität

[ml/min x mm Hg]
% Soll

>80

65-80

50-65

Muskulatur

Handkraftmessung
[x 9,81 N]

>28

>24

>20

Ernährungszustand

Body-Mass-Index
[kg/m2]

>20
<60

>18
<70

>16
<80

*Soll = Grenzwert nach Ulmer:
Männer: paO2=109,4-0,26*Alter-0,098*Broca-Index
Frauen: paO2=108,9-0,26*Alter-0,073*Broca-Index
Broca-Index=Körpergewicht [kg]/(Größe[cm]-100)
Einschränkungen: je nach Schädigungsmuster

Quelle: König & Rick, GMS Onkologische Rehabilitation und Sozialmedizin 2014; Vol. 3; www.egms.de/static/de/journals/ors/2014-3/ors000009.shtml, letzter Aufruf: 15.07.2025.