Ergometrie
Gleichwohl die Ergometrie in der aktuellen NVL in der Primärdiagnostik in den Hintergrund getreten ist (insbesondere geringe Sensitivität zum Ausschluss einer KHK bei niedriger Vortestwahrscheinlichkeit), wird sie in der Begutachtung weiterhin zur Beurteilung der körperlichen Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit (z. B. vor Beginn eines Sport-Programms) und für die Beurteilung der Prognose (z. B. von Patienten mit bestätigter KHK) herangezogen. Erst bei einer Vortestwahrscheinlichkeit von ≤ 30 % kann ein negativer Befund eine KHK mit ausreichender Wahrscheinlichkeit (< 15 %) ausschließen.
Die Ergometrie wird nach einem Stufenprotokoll durchgeführt, wobei dieses frei programmierbar ist. Vorgegeben werden die Stufendauer (in Minuten) und die Belastungssteigerung pro Stufe (beim Fahrradergometer in Watt). Das gängige Stufenprotokoll der Fahrradergometrie beginnt mit einer Belastung von 25 oder 50 Watt mit einer Laststeigerung von 25 Watt alle 2 Minuten.
- Diese Untersuchung darf nur unter Berücksichtigung von Kontraindikationen und Abbruchkriterien unter ärztlicher Kontrolle durchgeführt werden
- Notwendige Voraussetzung für die Interpretation ist eine körperliche Belastbarkeit von > 85 % der altersentsprechenden maximalen Herzfrequenz (Faustregel: 200 minus Lebensalter) oder der symptomlimitierte Abbruch
- Mit der Anzahl und Ausprägung der Koronarstenosen nimmt die Sensitivität der ergometrischen Untersuchung zu
- Die Leistungsfähigkeit bei der Ergometrie ist von vielen das Ergebnis beeinflussenden Kriterien abhängig. Dazu gehören Alter, Körpergewicht, Größe, Geschlecht, somatische Komorbiditäten (z. B. obstruktive Lungenerkrankung, arterielle Verschlusskrankheit und orthopädische Einschränkungen), Trainingszustand, Motivation und Kooperation.
- Keine Aussage ist möglich bei:
- unzureichender körperlicher Belastbarkeit
- WPW-Syndrom
- Kammerersatzrhythmus
- ST-Senkung > 1 mm in Ruhe und
- komplettem Linksschenkelblock (LSB)
- Eine eingeschränkte Aussage ist möglich bei:
- Digitalis-, Nitrat-bzw. ß-Blocker-Einnahme und
- einer geringen ST-Senkung in Ruhe von 0-1 mm zur Klärung der körperlichen Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit
- Durchführung als Laufband- oder Fahrrad-Ergometer in standardisierten Belastungsprotokollen als Alternative empfohlen, sollte ein anatomisches (Koronar-CT) und/oder funktionelles bildgebendes Verfahren (SPECT, PET, Kontrast-Echokardiografie oder Kontrast-MRT) nicht zur Verfügung stehen
- Zu beachten sind hierbei die geschlechterspezifischen Belastungsvorgaben (als maximale Zielbelastung
- Männer: 3 W/kg Körpergewicht (KG)
- Frauen: 2,5 W/kg KG
- (-1 % pro Jahr >30. Lebensjahr)
- Bei einer Vortestwahrscheinlichkeit (siehe hierzu Differenzialdiagnostik) ab einem oberen mittleren Bereich wird daher die bildgebende Diagnostik bevorzugt
Stress-Echokardiographie
Mittels körperlicher Belastungsformen via Ergometrie (Fahrrad oder Laufband) oder pharmakologischer Belastungsformen mittels Katecholaminen (Dobutamin) oder Vasodilatatoren (hier Adenosin im Off-label-use) kann eine koronare Herzkrankheit durch belastungsinduzierbare, reversible regionale Wandbewegungsstörungen als Folge einer Myokardischämie nachgewiesen werden.
Nuklearmedizinische Perfusionsdiagnostik
Nuklearmedizinische Verfahren (Myokard-Szintigrafie, Single-Photonen-Emissionscomputer-Tomografie (SPECT), Positronen-Emission-Tomografie (PET)) weisen eine höhere Sensitivität und Spezifität als die Ergometrie auf. Sensitivität und Spezifität sind vergleichbar mit denen der Stressechokardiografie. Nuklearmedizinische Verfahren sind jedoch aufwendiger und mit einer Strahlenbelastung verbunden. Sie erlauben eine Lokalisation induzierter Ischämien und eine Differenzierung zu Narbengewebe.
- Myokard-Perfusions-SPECT (keine GKV.Leistung)
Nuklearmedizinisches Standardverfahren zur Darstellung der myokardialen Durchblutungssituation unter Belastung (ergometrische oder pharmakologische Belastung), Zielmechanismus: Perfusion und Funktion; Zielstruktur: gesamtes linkventrikuläres Myokard.
- Myokard-Perfusions-PET (Positronen-Emission-Tomografie) (keine GKV-Leistung)
Untersuchung zur kardialen Perfusionsmessung. Im Vergleich zur Myokard-Perfusion-SPECT liegt eine höhere diagnostische Genauigkeit vor, verbunden mit einer niedrigeren Strahlenexposition.
Magnetresonanztomografie ("Kardio-MRT")
- Dobutamin-Stress-MRT(keine GKV-Leistung)
Diese erlaubt die Darstellung der Funktion des Herzmuskels unter pharmakologischer Belastung. Die Belastung wird durch ein die Herztätigkeit steigerndes Pharmakon simuliert (Dobutamin).
- Adenosin/Regadenoson (selektiver A2A-Adenosinrezeptoragonist)-Stress-Perfusions-MRT (keine GKV-Leistung)
Bei diesem Verfahren wird während der Infusion eines Vasodilatators ein MR-Kontrastmittel im Bolus appliziert und die Passage durch das Herz mit ultraschnellen MR-Sequenzen aufgezeichnet. Zielmechanismus: Perfusion; Zielstruktur: linksventrikuläres Myokard.
Spiroergometrie
Die Spiroergometrie ist ein nicht-invasives Verfahren für die Untersuchung der Funktion und Leistungsfähigkeit von kardialem und respiratorischem System sowie des Energiestoffwechsels. Sie stellt eine Kombination aus Ergometrie, Spirometrie und Atemgasanalyse dar. Indikation für die Durchführung einer Spiroergometrie sind die Objektivierung der körperlichen Belastbarkeit und die Differenzierung, ob eine Leistungseinschränkung durch eine Störung der Ventilation, des Gasaustauschs, der Lungenperfusion, durch eine muskuläre Insuffizienz oder kardial bedingt ist. Die Atmung erfolgt über eine Messvorrichtung für die Ventilation, die Sauerstoffaufnahme und die Kohlendioxid-Abgabe und eine abdichtende Maske.
Die Belastung erfolgt meist stufenweise, halbliegend auf dem Fahrradergometer und sollte so durchgeführt werden, dass eine angepasste Regulation der Organfunktion an die Belastungsphase erreicht werden kann.
Bei der Spiroergometrie werden (zum Teil zu definierten Zeitpunkten in Ruhe und unter Belastungsbedingungen) registriert:
- Herzfrequenz und -rhythmus
- Blutdruck
- Sauerstoff (O2) - und Kohlendioxid (CO2)-Konzentration in der Exspirationsluft (via Mundstück und Maske)
- ventilatorische Parameter: statische und dynamische Lungenfunktionsparameter (Fluss-Volumen-Kurve, Atemzugvolumen, Atemfrequenz, Sauerstoffsättigung)
- Arterielle Blutgase und Säure-Basen-Status
- O2-Puls als Maß für das Schlagvolumen des Herzens
- Atemäquivalent als Maß für die Atemeffektivität (Quotient aus Atemminutenvolumen (AMV) und Sauerstoffaufnahme (VO2 in l/min) bzw. Kohlenstoffdioxidabgabe (VCO2 in l/min))
Zusätzlich kann der Serum-Laktatspiegel bestimmt werden. Blutgas und Laktat werden nicht routinemäßig bestimmt.
Werden während der Spiroergometrie annähernd Steady-state-Bedingungen erreicht, kann auch geklärt werden, ob sich ein in Ruhe erniedrigter arterieller pO2 unter Belastung normalisiert und umkehrt.
Nur bei optimaler Mitarbeit ist die maximal erreichte Sauerstoffaufnahme mit der maximal möglichen Sauerstoffaufnahme gleichzusetzen. Aus den genannten Daten können Parameter für die Mitarbeiter des zu Begutachtenden abgeleitet werden.
Zur Beurteilung der aeroben Belastbarkeit dient die gemessene Sauerstoffaufnahme in Bezug zu Sollwerten unter Berücksichtigung von Geschlecht, Größe, Gewicht und Alter. Durch die Ermittlung des aero-anaeroben Übergangsbereiches wird eine Einschätzung der Dauerbelastungsgrenze ermöglicht. Die Spiroergometrie ist auch zur Beurteilung des aktuellen Trainingszustandes sowie zur Beratung bezüglich der verschiedenen Trainingsbereiche (Fettverbrennung, Steigerung der Ausdauerbelastbarkeit sowie der maximalen Belastbarkeit) geeignet.
Durch die Bestimmung des aerob-anaeroben Übergangs und die Bestimmung des VO2 max kann entsprechend Tabelle 1 auch auf die maximale körperliche Belastbarkeit und die Dauerbelastbarkeit geschlossen werden, wobei noch zusätzliche Parameter wie zum Beispiel der Gasaustausch zu berücksichtigen sind.
Tabelle 1: Einschätzung der Leistungsfähigkeit mittels Spiroergometrie auf der Grundlage des peakVO2 ("Ludwigshafen-Schema") | |
Leistungsfähigkeit |
peakVO2 |
---|---|
Normale Leistungsfähigkeit |
> 85 % |
Leicht eingeschränkte Leistungsfähigkeit |
70 % - 84 % |
Mittelgradig eingeschränkte Leistungsfähigkeit |
50 % - 69 % |
Schwer eingeschränkte Leistungsfähigkeit |
< 50 % |
(peakVO2 maximale Sauerstoffaufnahme) | |
Quelle: https://www.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/Downloads/DE/Experten/infos_fuer_aerzte/begutachtung/leitlinien_rehabeduerftigkeit_khk_langfassung_pdf.pdf?__blob=publicationFile&v=1, letzter Aufruf: 06.06.2025 |